PERSONALquarterly 4/2020
04/20 PERSONALquarterly 43 Lohnerhöhungen etc. vorhergesagt werden können. Eine hohe Validität würde dann bedeuten, dass die Beurteiler sehr gut darin sind, diejenigen Mitarbeiter zu identifizieren, die in den kommenden Jahren eine hohe Leistung erbringen und beför- dert werden sollten. Diese Validitätsbetrachtung lässt sich für Leistungsbeurteilungen allerdings nur eingeschränkt nutzen, da die Beurteilungsergebnisse selbst als Datenbasis für diese Entscheidungen dienen. Wenn zwei oder mehr Vorgesetzte dieselben Mitarbeiter beurteilen, liegt dieKorrelationzwischenderenBeurteilungen bei durchschnittlich r=0,50 (vgl. Abb. 1). Dieser Wert kann als zufriedenstellend charakterisiert werden. 1 Von einem ausgeprägten „Nasenfaktor“ kann somit nicht gesprochen werden. Beurteilungen zwischen verschiedenen Vorgesetzten sindzudemkonsistenter, alswennBeurteilungenvonKollegen vorgenommen werden (r=0,37) oder wenn Mitarbeiter ihre Führungskräfte beurteilen (r=0,30). Als Vergleich kann auch die Reliabilität der Urteile zwischen den Personengruppen herangezogen werden. Diese Reliabilitäten zwischen den Gruppen liegen gemäß der Metaanalyse von Conway und Huffcutt (1997) unter der oben dargestellten Reliabilität innerhalb der Gruppen (z. B. Vorgesetzte-Kollegen r=0,34; Vorgesetzte-Mitarbeiter: r=0,22; Mitarbeiter-Kollegen: r=0,22). Fragt man also innerhalb eines Unternehmens nach der Leistung eines bestimmten Mitarbeiters, so ist die Übereinstimmung der Beurteilungen innerhalb der Führungskräfte oder innerhalb der Kollegen größer als die Übereinstimmung der Beurteilungen von Führungskräften mit den Beurteilungen der Kollegen. Abbildung 1 zeigt zudem Bedingungen, unter denen die Einschätzung der Vorgesetzten besser oder schlechter als der Durchschnittswert von r=0,50 ausfällt. Je geringer die Komplexität der Aufgaben, umso höher ist die Reliabilität. Leider erweisen sich Beurteilungen gerade in den Bereichen als vorteilhaft, in denen auch Zielvereinbarungen bessere Ergebnisse zeigen, eine Komplementarität der Instrumente ist also nicht gegeben. Vorgesetzteneinschätzung und Selbsteinschätzung Bislang haben wir die Güte der Beurteilungen durch verschie- dene Gruppen und insbesondere Führungskräfte diskutiert. In diesem Abschnitt wollen wir uns auf den Zusammenhang dieser Urteile mit der Selbsteinschätzung der Beurteilten kon- zentrieren, wobei wir auf die Ergebnisse der Metastudie von Heike Heidemeier und Klaus Moser (2009) eingehen. Die Au- toren finden auf der Basis von 115 Einzelstudien (mit n=37.752 Beurteilungsvergleichen) eine durchschnittliche korrigierte Korrelation von r=0,34. Selbsteinschätzung und Vorgesetzten- beurteilung weichen somit stärker voneinander ab als die Be- urteilungen durch verschiedene Vorgesetzte (r=0,50 wie oben im Text beschrieben). Auch hier untersuchen die Autoren Fak- toren, die die Höhe der Korrelation beeinflussen. Bezogen auf die Komplexität der Aufgaben zeigt sich, dass die Korrelation bei Aufgaben mit geringer Komplexität besonders hoch ist. Heidemeier und Moser (2009) untersuchen neben der Korre- lation auch das Niveau der Urteile: Ist die Selbsteinschätzung Quelle: Eigene Darstellung auf Basis Conway/Huffcut (1997): 342 Abb. 1: Reliabilität von Beurteilungen Korrigierte Korrelation (Inter-Rater-Reliabilität) Studienanzahl Fallzahl Gesamt (für Vorgesetz- tenbeurteilungen) 0,50 69 10.359 Differenziert nach Aufgabenkomplexität Gering 0,60 15 958 Mittel 0,52 28 3.890 Hoch 0,48 20 2.726 1 In der psychologischen Testtheorie werden Faustregeln für die Einschätzung der Reliabilität verwendet. Danach werden Reliabilitätskoeffizienten unter 0,7 als „problematisch“ eingestuft. Allerdings sind diese Werte für die Gestaltung von Fragebögen und insbesondere die Test-Retest- Reliabilität, das heißt die Übereinstimmung der Messwerte zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten, formuliert. Insofern sind diese Faustregeln nicht unmittelbar übertragbar auf unsere Fragestellung und wir weichen in diesem Punkt bei der Interpretation von den etablierten Konventionen ab.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==