PERSONALquarterly 4/2020
39 04/20 PERSONALquarterly Dies spiegelt sich auch in einemWert der persönlichen Innova- tivität 3 von 4,0 (Skala 1-5) wider. Wenn diese Zielgruppe dann trotzdem Vorbehalten gegenüber der Digitalisierung äußert, können diese als besonders relevant angesehen werden. Von den Befragten wissen wir, dass sie in ihrer Arbeit eine Vielzahl von Softwareprodukten nutzen, die von Software zur Vernetzung mit anderen Mitarbeitern (z. B. gemeinsamer Chat raum) mit einem Nutzungsgrad von 3.08 (Skala 1-5), über spezi- elle Software für eine Aufgabe (z. B. Bonitätsprüfung) mit einem Nutzungsgrad von 3.81 bis zu Standardsoftware (Nutzungsgrad 4,15) reicht. Insgesamt wurde der Digitalisierungsgrad der je- weiligen Bank mit 2,94 beurteilt, lag also leicht über „neutral“. Die Teilnehmer konnten jeweils bis zu drei Vorbehalte ge- genüber Digitalisierung nennen, wobei es sich explizit um persönliche Bedenken und nicht etwa unternehmensweit vor- herrschende Befürchtungen handeln sollte. Diese Nennungen wurden anschließend kodiert und von mehreren Beurteilern unabhängig gruppiert, sodass insgesamt acht Kategorien iden- tifiziert werden konnten. Abbildung 3 gibt eine Übersicht über die Arten und die Bedeutung der Dimensionen von Vorbehalten gegenüber Digitalisierung. Die mit 18 Nennungen am häufigsten geäußerte Sorge be- trifft den möglichen Verlust des Arbeitsplatzes durch zuneh- mende Digitalisierung. Weiterhin wird von den befragten Bankern befürchtet, nicht nur die Kontrolle über die eigenen Tätigkeiten zu verlieren und sich damit fremdgesteuert zu füh- len, sondern dabei auch Fehlern in der Software ausgeliefert zu sein (16 Nennungen). Von einer generellen Überforderung durch die Digitalisierung wird fast ebenso häufig berichtet wie von der Sorge um einen Kontrollverlust bei der Arbeit und dies geht mit der Unsicherheit einher, nicht zu wissen, wie mit der Thematik umgegangen werden soll (15 Nennungen). Demgegenüber erleben einige der Befragten (10 Nennungen) die Mitarbeit in Digitalisierungsprojekten als verschwendete Zeit, da die Projekte entweder von anderen blockiert werden oder ihnen schlicht zu langsam vorangehen. Entsprechend se- hen 6 der Banker die Mitarbeit in Digitalisierungsprojekten auch als verschwendete Zeit an, da diese für das Unternehmen ohnehin zu spät kämen. Von einigen wenigen Teilnehmern der Studie wird durch den Einzug digitaler Lösungen Langeweile in ihrer künftigen Tätigkeit erwartet (5 Nennungen). Ebenso befürchten einige der Befragten den Verlust des Kundenkon- takts durch die ihrer Einschätzung zufolge unpersönlicheren Prozesse im Zuge der Digitalisierung (5 Nennungen). Eine kleine Gruppe der Befragten erwartet sogar generell weniger 3 Beispielitems sind: „Wenn ich von neuer Informationstechnologie höre, freue ich mich darauf, damit zu experimentieren.“; „Unter meinen Freunden bin ich meist der Erste, der neue Informationstechno- logie ausprobiert.“ 4 Da nur die drei stärksten Bedenken gegenüber Digitalisierung genannt werden sollten, sind die hier berichteten Zusammenhänge und p-Werte aufgrund der Varianzrestriktion mit Vorsicht zu interpretie- ren. Die Zusammenhänge dürften eher unterschätzt werden. 5 Eine validierte Skala mit Versionen für Studierende, Mitarbeiter oder Kunden kann bei den Autoren angefragt werden. Zwischenmenschlichkeit bei der Arbeit (3 Nennungen). Wie erwartet, nannten weniger innovative Banker mehr Dimensionen an Digitalisierungsvorbehalten, dieser Zusammenhang wurde jedoch nicht statistisch signifikant (r = -.18, p = .10) 4 . Auch der bereits erreichte Digitalisierungsgrad der Bank ist nicht mit der Anzahl an Bedenken und Ängsten assoziiert (r = .04, p = .40). Vorbehalte gegenüber Digitalisierung treten folglich sowohl zu Beginn als auch mit zunehmendem Fortschreiten der digitalen Transformation auf. Allerdings wurden mit zunehmender Soft- warenutzung weniger Vorbehalte genannt (r = -.28, p = .03). Implikationen für die Personalpraxis Durch die Corona-Krise wurde die zunehmende Bedeutung von Digitalisierung im Privat- wie auch im Geschäftsleben noch einmal betont und verstärkt. Wie die Ergebnisse unserer Studie zeigen, werden dabei beide zuvor aufgestellten Hypo- thesen bestätigt. Mitarbeiter äußern Bedenken, die Digitalisie- rung könnte ihre Arbeit stark in eine von ihnen unerwünschte Richtung verändern oder sogar überflüssig machen. Manche schätzen die Mitarbeit in Digitalisierungsprojekten gar als Zeitverschwendung ein. Beide Einstellungen dürften eine konsequente Digitalisierung behindern (These 1). Weiterhin werden Mitarbeiter, die bereits heute mit der Thematik über- fordert sind und sich unsicher fühlen, wie damit umzugehen ist, sicherlich auch Schwierigkeiten haben, sich weitere Digi- talisierungsschritte vorzustellen, was wiederum die digitale Transformation in Unternehmen verzögert (These 2). Personalverantwortliche sollten daher das Thema „Digitality Concerns“ sowohl für die beschäftigten Mitarbeiter als auch für Bewerber und damit ggf. künftige Mitarbeiter ernst nehmen und in ihre Auswahl- und Entwicklungsprozesse einbeziehen. Neben den fachlichen Aspekten wird hier für viele Unterneh- men in den nächsten Jahren ein Schlüsselfaktor für die weitere Entwicklung liegen, um in den derzeitigen Umbrüchen auch weiterhin Wertschöpfung zu ermöglichen. Bereits bei der Auswahl (externer wie interner) Bewerber sollten die digitalen Kompetenzen – das Können – neben den fachlichen Kompetenzen gleichwertig ermittelt und in die Ent- scheidung einbezogen werden. Der Aspekt des Wollens lässt sich über geeignete Skalen 5 erfassen, sodass auch das Thema Angst vor digitalen Veränderungen bereits bei der Auswahl und Platzierung berücksichtigt werden kann. So wird vermie- den, dass neu eingestellte Mitarbeiter Entwicklungen der Di- gitalisierung im Unternehmen von Anfang an blockieren oder gar sabotieren. Das frühzeitige Screening entbindet das Un- ternehmen aber nicht von einem strukturierten Onboarding- Prozess, in dem Mitarbeiter natürlich auch gemäß aktuellen Trainingsprinzipien mit digitalen Systemen vertraut gemacht werden müssen. Damit einhergehend, ist der Wunsch nach einem „frischen Wind von außen“ klar zu kommunizieren. An- sonsten übernehmen neue Mitarbeiter schnell die Denkweise
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