PERSONALquarterly 4/2020

35 04/20 PERSONALquarterly woben sind, über desto mehr Stress wird berichtet (Peeters et al., 2005). Durch den Einsatz von Systemen und Software mit künstlicher Intelligenz werden Mitarbeiter immer häufiger zu Befehlsempfängern anstatt selbst Zusammenhänge verstehen und Entscheidungen treffen zu müssen. Korunka und Hoonak- ker (2014) identifizieren weitere Herausforderungen und mög- liche positive wie negative Auswirkungen im Zusammenhang mit Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) über die verschiedenen Betrachtungsebenen hinweg (vgl. Abb. 1). Für die Personalarbeit ist daher neben der organisationalen Ebene insbesondere zu verstehen, welche Wirkmechanismen die Durchdringung der Digitalisierung auf individueller Ebene hat. Gerade weil es bei der Digitalisierung nicht um einzelne Hard- und Softwarekomponenten geht, sondern um Konzepte, die umfassend Arbeitspraktiken und damit einhergehend soziale Beziehungen zwischen Stakeholdern (Mitarbeiter, Führungskräfte, Kunden) verändern, sind die Reaktionen viel- fältig. Während Digitalisierung bei manchen eine Erleichte- rung (Flexibilisierung, Vereinbarkeit der Work-Life-Balance) nach sich zieht, fühlen sich andere von der Technologie ab- hängig. Eine zunehmende Einbindung „intelligenter“ Systeme weckt dabei nicht nur die Sorge vor mangelnden Eingriffs- und Korrekturmöglichkeiten bei Arbeitsprozessen und Entschei- dungsfindungen. Vielmehr noch mag bei manchem das Ge- fühl entstehen, der Technologie ausgeliefert zu sein und sich zudem permanent mit neuen Digitalisierungsentwicklungen auseinandersetzen zu müssen. Diese Überlegungen rufen bei nicht wenigen Personen Ängste hervor und erzeugen folglich sogar Reaktanz und Stress. Ein wesentlicher Punkt für die erfolgreiche Einführung digitaler Lösungen ist daher das Ver- ständnis der damit ggf. verbundenen Bedenken und Ängste. Denn Ängste der Mitarbeiter führen zu Abwehrreaktionen und Ausweichhandlungen. So werden im Zuge der Digitali- sierungsoffensiven allzu häufig eine Vielzahl von Projekten durchgeführt, die die Unternehmen viel Geld und Zeit kosten (in 2016 bereits circa 10 Mrd. Euro von denen die Hälfte in Hardware fließt und die andere Hälfte in Projekte und Schu- lungen; Saam/Niebel, 2016), hinterher aber keinen nennens- werten Effekt erbringen. Konzepte werden lange ausgemalt, dann totgeredet oder verzögert und irgendwann als oft nur noch minimale Lösung eingeführt. Und auch dann haben viele Unternehmen damit zu kämpfen, dass Mitarbeiter ihre Ver- haltens- und Arbeitsweisen trotz der versprochenen Unter- stützung durch Digitalisierung nicht verändern. Es werden Workarounds (z. B. private Excel-Listen oder Papierausdrucke) genutzt und Entscheidungen weiter aus demBauch heraus oder nach alter Gewohnheit getroffen, anstatt die Empfehlungen di- gitaler Systeme zu berücksichtigen. Darüber hinaus werden oft Systeme (Hard- und Software) eingeführt, aber nicht in die Arbeitsprozesse eingebunden. Im Ergebnis führt dies zu Demotivation, Unverständnis und Konfusion auf allen Seiten (Befürwortern und Gegnern). Und meist ist dann ein kleineres Unternehmen mit einer konsistenten Umsetzung in allen Be- reichen schneller und erfolgreicher, da es dort neu aufgebaut wird und nicht das Bestehende verändert wird. Digitale Überforderung: Vom schwer Können … Wie erklärt sich die Diskrepanz zwischen dem offiziell hohen Digitalisierungsgrad vieler Unternehmen und der nur zöger- lichen Umsetzung seitens der Mitarbeiter (Lichtblau et al., 2018)? Hierfür lassen sich über alle Betrachtungsebenen von Arbeit hinweg Ansätze finden (vgl. Abb. 2). Auf Personenebene – dem Fokus dieses Beitrags – kann hierbei insbesondere zwi- schen Kompetenzdefiziten einerseits und Überforderungsge- fühlen bzw. Ängsten andererseits unterschieden werden. Die Europäische Kommission weist digitale Kompetenz als eine von acht Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen aus. Digitale Kompetenz kann demgemäß im weitesten Sinne definiert werden als die selbstbewusste, kritische und kreative Nutzung von IKT zur Erreichung von Zielen in Bezug auf Ar- beit, Beschäftigungsfähigkeit, Lernen, Freizeit, Eingliederung und/oder Teilhabe an der Gesellschaft (Ferrari, 2013). Unter digitale Kompetenzen fallen ebenso alle Fähigkeiten, welche die digitale Transformation vorantreiben, als auch jene, wel- che die erfolgreiche Ausübung von Tätigkeiten in digitalen Arbeitswelten ermöglichen 1 . Während vergleichsweise wenige Mitarbeiter aktiv in die strategische Unternehmenstransforma- ABSTRACT Forschungsfrage: Welche Bedenken und Ängste haben Mitarbeiter in Bezug auf die Digitalisierung im Unternehmen? Methodik: Studie (48 Banker), in der Digitalisierungsbedenken, persönlicher Innovati- onsgrad, Softwarenutzungsgrad sowie allgemeiner Digitalisierungsgrad der Unternehmen erfasst werden Praktische Implikationen: Die Ergebnisse zeigen die Dimensionen der Digitality Con- cerns im Hinblick auf die Digitalisierung von Unternehmen auf Mitarbeiterebene auf. Mit dem vorgestellten Messinstrument können relevante Aspekte im Unternehmen identifi- ziert werden, um individuelle Vorbehalte zu adressieren. 1 Für eine pointierte Unterscheidung zwischen Digitalisierung und digitaler Transformation sei auf Bloomberg (2018) verwiesen.

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