PERSONALquarterly 4/2020
27 04/20 PERSONALquarterly Die fantastischen Vier – Kernrollen des Corporate Entrepreneurship Von Christoph J. Selig, Christina Lang, Rebecca C. Off und Prof. Dr.-Ing. Guido H. Baltes (IST Innovationsinstitut – Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung) E ine der zentralen Herausforderungen für Unterneh- men des 21. Jahrhunderts ist der Umgang mit ver- schiedenen Arten von Innovation. Die langjährigen Erfolgsrezepte etablierter Unternehmen allein schei- nen nicht mehr auszureichen, um langfristig erfolgreich zu sein. Dazu gehörten bisher Wachstum und Optimierung des Kerngeschäfts durch inkrementelle Innovation (Verbesserung der Produkte) und Prozessinnovation (Verbesserung der Effi- zienz; Kuratko, 2009). Tiefgreifende Veränderungen wie die Globalisierung, die digitale Transformation und der Trend zu mehr Nachhaltigkeit führen zu einem Paradigmenwechsel im Umgang mit Innovation. Dabei gewinnen diskontinuierliche Innovationen wie bspw. Geschäftsmodellinnovation oder die Entwicklung digitaler Services, die sich durch ein verhält- nismäßig hohes Maß an Neuem sowie eine andere Art der Umsetzung auszeichnen, zunehmend an Bedeutung. Infolge dieses Wandels verändern sich Industriestrukturen und Ge- schäftsmodelle grundlegend, Wertschöpfungsketten gestalten sich neu und Innovationszyklen verkürzen sich (Porter/Hep- pelmann, 2014). Um in diesem volatilen Umfeld bestehen zu können, müssen Unternehmen in der Lage sein, sich dyna- misch an Veränderungen anzupassen (Teece, 2016). Entspre- chend sind etablierte Unternehmen gefordert, ihr bestehendes Kerngeschäft durch inkrementelle Innovationen zu optimieren und zeitgleich diskontinuierliche Innovationen zu entwickeln, um neue Geschäftsfelder erschließen zu können (Raisch et al., 2009). Während die Umsetzung inkrementeller Produktinno- vation und Prozessinnovation für etablierte Unternehmen zum Tagesgeschäft gehört, fehlen ihnen oftmals die Fähigkeiten und das Know-how für die Umsetzung diskontinuierlicher Innovati- onen. Der Blick auf das Start-up-Umfeld zeigt jedoch, dass sich damit nicht alle Unternehmen schwer tun, da Start-ups schein- bar besser aufgestellt sind, um diskontinuierliche Innovationen umzusetzen (Baumol, 2005). Infolgedessen beschäftigen sich etablierte Unternehmen mit der Frage, wie sie die erforder- lichen unternehmerischen Herangehensweisen und Fähigkei- ten in ihre Organisation integrieren können. Dieses Phänomen wird in der Forschung unter „Corporate Entrepreneurship“ und „Intrapreneurship“ intensiv diskutiert (Blanka, 2018). Unternehmertum innerhalb etablierter Unternehmen Corporate Entrepreneurship (CE) beschreibt unternehmerische Aktivitäten innerhalb etablierter Unternehmen, die initiiert werden, um die Entwicklung diskontinuierlicher Innovationen oder die Transformation des Unternehmens voranzutreiben (Sharma/Chrisman, 1999). Der formalisierte und strategische Einsatz (Top-down) von CE-Aktivitäten umfasst zwei Ansätze: (1) einzelne Corporate Ventures, auch eingebettete Unterneh- merteams 1 genannt, die für die Erfüllung eines konkreten un- ternehmerischen Auftrags initiiert werden; (2) CE-Programme, die entweder für die generelle Unterstützung von eingebetteten Unternehmerteams (intern) oder für die Zusammenarbeit mit Start-ups (extern) ausgelegt sind. Beide Ausrichtungen werden oftmals als Merkmal zur Unterscheidung der verschiedenen CE-Aktivitäten herangezogen (Biniari et al., 2015). Daneben beschreibt Intrapreneurship, ein Kunstwort für „intra-organizational Entrepreneurship“, das selbstbestimmte und unternehmerische Verhalten von Mitarbeiter*innen in- nerhalb etablierter Unternehmen (Park et al., 2014). Im Ge- gensatz zu CE sind diese Aktivitäten nicht strategisch in das Unternehmen eingebettet, sondern werden Bottom-up durch die intrinsische Motivation der jeweiligen Mitarbeiter*innen trotz interner Innovationsbarrieren vorangetrieben. In diesem Zusammenhang wird auch von U-Boot-Projekten oder Skunk Works gesprochen, da die Projekte anfangs durch ihren inof- fiziellen Charakter ohne Kenntnis des Managements durch- geführt werden. Dies kann zur Verbesserung bestehender Arbeitsabläufe oder Produkte, aber auch zur Entwicklung neu- er Geschäftsfelder führen (Bosma et al., 2010). Ein bedeutender Gegenstand der beiden Forschungsgebiete sind die Personen, die bei der Umsetzung von Bottom-up oder Top-down initiierten Innovationsprojekten eine zentrale Rolle spielen. In CE wird diese Rolle als Corporate Entrepreneur bezeichnet, welche die Arbeit eines Unternehmers (Entrepre- neur) in einem etablierten Unternehmen (Corporate) repräsen- tiert (Selig et al., 2016). Im Intrapreneurship-Kontext wird die Rolle des internen Unternehmers als Intrapreneur bezeichnet 1 Cross-funktionale, teilautonome Innovationsteams, die ähnlich wie ein Start-up arbeiten, um neue Geschäftsfelder aufzubauen, und gleichzeitig eine starke Verbindung zur Kernorganisation behalten, um einen Transformationsbeitrag zu leisten (z.B. internes Start-up, Joint Venture, Ausgründung).
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