PERSONALquarterly 4/2020
PERSONALquarterly 04/20 20 SCHWERPUNKT _INTRAPRENEURSHIP werden typischerweise nur dann prämiert, wenn sie sich an internen Ideenwettbewerben oder dem betrieblichen Vor- schlagswesen beteiligt haben. Instrument 5: Gewähren von Autonomie Ein wichtiges Merkmal einer unternehmerischen bzw. inno- vationsorientierten Unternehmenskultur ist die Autonomie. Mitunternehmertum bedingt eine Vertrauenskultur, in der Mitarbeiter selbstständig Entscheidungen treffen und Verant- wortung für ihre Geschäftsideen übernehmen können. In der Personalwirtschaft werden für dieses Prinzip auch die Worte „Empowerment“ und „ermächtigende Struktur“ benutzt (Arm- bruster/Kieser, 2003, S. 152). Eine Vertrauenskultur erfordert eine gewisse Fehlertoleranz bzw. Risikobereitschaft. Denn mit einer Delegation von Entscheidungskompetenzen ist immer die Gefahr verbunden, dass Mitarbeiter in ihren Entscheidungen von der geltenden Unternehmenspolitik bzw. der Unterneh- mensstrategie abweichen. Eine konkrete Form von Autonomie ist die Verfügbarkeit von frei einsetzbarer Zeit für Mitarbeiter, die auch als „Lee- way“ bezeichnet wird. Sie ist eine wichtige Voraussetzung für Kreativität sowie unternehmerisches Denken und damit für Mitunternehmertum. Wenn Mitarbeiter im Tagesgeschäft voll ausgelastet sind und unter starkem Zeitdruck stehen, können sie keine innovativen Ideen entwickeln. Fraglich ist allerdings, wie viel freie Zeit erforderlich ist, um unternehmerisches Ver- halten bestmöglich zu stimulieren. In Technologieunterneh- men wie Google steht den Mitarbeitern bspw. ein ganzer Tag pro Woche, also 20 % der Arbeitszeit, zur Verfolgung eigener Projektideen zur Verfügung. Eine andere Form von Autonomie sind frei verfügbare Budgets. In den von mir befragten Unternehmen ist das Gewähren von Autonomie nach Einschätzung der Führungskräfte und der Führungskräfteentwickler anerkannte Praxis. Es gibt kei- ne Experten, die sich grundsätzlich gegen die Delegation von Entscheidungsverantwortung bzw. die Zentralisierung der Ent- scheidungsfindung aussprechen. Offen bleibt dabei, ob es sich um realistische Einschätzungen der jeweiligen Unternehmens praxis oder eher um die Wiedergabe einer gewünschten Un- ternehmenspolitik handelt. Insbesondere das Vorliegen einer echten Vertrauenskultur in ihrem Unternehmen bezweifelten mehr als die Hälfte der befragten Experten. Noch ungünstiger sieht es bei der Gewährung frei verfügbarer Zeit oder frei ver- fügbarer Budgets für Mitarbeiter zur Umsetzung eigener Ideen und Initiativen aus. Sie kommt in deutschen Unternehmen nur in Ausnahmefällen, nur bei ganz wenigen Mitarbeitern und nur in sehr begrenztem Umfang vor. Ein chinesisches und ein US-amerikanisches Unternehmen berichteten über ähnliche Regelungen wie bei Google (15 % und 20 % der Arbeitszeit frei verfügbar), konnten jedoch den Kreis der Mitarbeiter, für den diese Regelung gilt, nicht eindeutig benennen. Instrument 6: Bürokratieabbau Eine wesentliche Voraussetzung der Förderung des Mitunter- nehmertums ist nach dem Stand der bisherigen Forschung eindeutig die organisatorische Flexibilität bzw. ein geringes Ausmaß an Bürokratie. Bürokratische Organisationen sind da- rauf ausgerichtet, den Status quo zu erhalten sowie Stabilität und Kontrolle zu gewährleisten. Ihre Ziele sind Effizienz und Risikominimierung, was Innovationen erschwert oder ganz un- möglich macht (Schönebeck, 2010, S. 43). Fraglich ist jedoch, wie weit die Bereitschaft der Unternehmensleitung tatsäch- lich gehen sollte, den Regelungsumfang für die Prüfung neuer Geschäftsideen gering zu halten und ggf. auch Regelverlet- zungen zu tolerieren. In einem Extremfall werden Mitarbeiter, die sich über bestehende Regelungen hinwegsetzen und dann erfolgreich sind, als Vorbilder gewürdigt, im anderen schon bei kleinsten Regelverletzungen trotz offiziellem Bekenntnis zu wenig Bürokratie und viel Entscheidungsautonomie gekündigt (Armbruster/Kieser, 2003, S. 158; Ma et al. 2016, S. 120). Dem Ziel einer flexiblen Organisation mit möglichst we- nig Regelungsdichte stimmen alle Befragten zu. Der Stand der Umsetzung wird jedoch durchweg sehr kritisch beurteilt. Selbst in Unternehmen, die sich in ihrer Vision bzw. ihrem Leitbild explizit für Flexibilität und wenig Bürokratie ausspre- chen, finden sich umfangreiches Controlling, aufwendige Un- terschriftenregelungen und Organisationsstrukturen mit bis zu neun Managementebenen. Etwas positiver beurteilen es nur die Führungskräfte aus zwei sehr dezentral organisier- ten Unternehmen mit einer kleinen Holding und vielen Toch- tergesellschaften. Regelverletzungen durch unternehmerisch handelnde Mitarbeiter werden in keinem Unternehmen der Stichprobe positiv bewertet oder gar gefeiert. Das betrifft ins- besondere das fehlende Einholen von Genehmigungen durch Vorgesetzte, das Verwenden von offiziell nicht budgetierten Mitteln („schwarze Kassen“) sowie die Zusammenarbeit mit ex- ternen Partnern ohne vertragliche Regelung. Als sehr begrenzt wurden auch die Möglichkeiten eingeschätzt, innovative Ent- wicklungsprojekte ohne einen mit konkreten Kosten- und Erlösprognosen hinterlegten Business Case zu beantragen. Instrument 7: Schaffung neuer Organisationseinheiten Spätestens nach der Formulierung eines Geschäftsmodells muss eine kaufmännische Ideenbewertung erfolgen. Das ist typischer- weise die Aufgabe des mittleren Managements oder sogar der Unternehmensleitung. In den von uns befragten Unternehmen werden vor allem die möglichen Umsätze und die erwarteten Gewinne als Bewertungskriterien verwendet. Fällt das Ergebnis der Ideenbewertung positiv aus, beginnt die Phase der Ideenrea- lisierung. Sie erfordert die Zuteilung von Budgets sowie Personal und mitunter auch die Etablierung einer neuen Organisations- einheit bzw. die Gründung einer neuen, rechtlich selbstständigen Gesellschaft.
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