PERSONALquarterly 4/2020
PERSONALquarterly 04/20 10 SCHWERPUNKT _INTRAPRENEURSHIP D as Streben nach operativer Exzellenz, die Optimie- rung der Geschäftsprozesse und die auf Kunden- zufriedenheit zielende Bearbeitung von Aufträgen zeigen, wie stark Betriebe ins Stammgeschäft ge- zogen und nicht selten komplett ausgelastet werden. Dadurch werden die Potenziale etablierter Geschäftskonzepte ausge- schöpft. Was aber passiert mit demNeugeschäft? Verkümmern Explorationsaufgaben neben der Notwendigkeit der Exploi- tation im Stammgeschäft? Wenn ja, so geht die Ambidextrie von Exploration und Exploitation im Sinne von March (1991) verloren und Corporates tappen in die Exploitationsfalle (Frei- ling, 2018) des gut laufenden Stammgeschäfts. Mit diesem schleichenden Prozess kann die kreativ-innovative Spannung verloren gehen. Mehr noch: Irgendwann fehlen die motivierten und qualifizierten Kräfte, die das Neugeschäft aufbauen und perfektionieren sollen. So sind die Probleme mangels Hu- mankapital und damit verbundener Fähigkeitslücken nicht mehr kurzfristig lösbar. Es stellt sich dann die Frage, wie man zurück in die Erneuerung der Geschäftstätigkeit finden bzw. diese Entwicklung von Grund auf vermeiden kann. Intrapreneurship-Formate Das Öffnen und Betreiben von Intrapreneurship-Formaten ist eine Antwort auf diese Frage. Durch solche Formate wird eine nicht nur temporäre Struktur geschaffen, die Intrapreneur- ship als wesentlichen Teil der Exploration im Unternehmen verankert und sprichwörtlich einen Raum verleiht – zumeist physisch, in (Nach-)Corona-Zeiten aber auch zunehmend vir- tuell. Dabei wird ein Intrapreneurship-Format hier wie folgt verstanden: eine thematisch mit der Neugeschäftsgenerierung aus etablierten Unternehmen verbundene Bühne (inhaltliche Dimension), die primär an feste oder wechselnde physische Räume gebunden ist, sich aber auch virtueller Räume ergän- zend oder alleinig bedienen kann (räumliche Dimension). Dem Intrapreneurship-Format sind Personen in unterschiedlichen Rollen zugeordnet, und zwar als Hosts, Coachs, Projektgeber, Finanzierer und Arbeitsteams (HR-Dimension). Ein weiteres konstitutives Element ist eine Programmatik, die einen Basis- ablauf der Tätigkeit innerhalb des Format ebenso vorgibt wie Rahmenregeln (Governance-Dimension). Kollaborative Intrapreneurship-Formate als Weg aus der Exploitationsfalle Von Prof. Dr. Jörg Freiling, Dr. Martin Holi (Universität Bremen) und Dr. Yvonne Bauer (Freie Hansestadt Bremen) Intrapreneurship-Formate gehen mit drei Aufgabenkontex- ten einher: (i) dem Set-up, (ii) der Programmdurchführung und (iii) der Weiterentwicklung auf Basis permanenter Lern- prozesse. Mit der Wahrnehmung dieser Aufgabenkomplexe verbinden sich weitere Anforderungen, die vor allem die Be- reitstellung und Weiterentwicklung von Ressourcen betreffen, so allem voran das HR-Recruiting einschließlich der damit ver- bundenen Einweisung, Weiterbildung und Lernprozesse, da- neben aber auch die Bereitstellung von Materialien und Tools zum Arbeiten der Gruppen und eine Plattform zur Koordinati- on der beteiligten Personen und Aufgaben. Da zurzeit zahlreiche Intrapreneurship-Formate gestartet werden, lassen sich Strukturen erkennen. So existieren rei- ne Inhouse-Lösungen etablierter Betriebe, die teils eigenstän- diger, teils näher am Stammgeschäft agieren. Daneben werden Outhouse-Lösungen etabliert, die sich maßgeblich anhand der beteiligten Parteien unterscheiden. Hier können in Anlehnung an Etzkowitz (2003), der von Helix-Strukturen der Kooperation gesellschaftlicher Sektoren spricht, vereinfachend drei wei- tere Typen identifiziert werden. Eine einfache Helix-Struktur könnte Open-Innovation-Plattformen beinhalten, auf denen Corporates zur Innovationsgenerierung kooperieren. Doppel- Helix-Strukturen betreffen die Zusammenarbeit von Wissen- schaft und Betrieben (Freiling, 2018), um einen Hand-over von Ergebnissen der Grundlagenforschung und anwendungsori- entiertem Wissen im Rahmen von Transferaktivitäten zu er- möglichen. Tripel-Helix-Strukturen beziehen zusätzlich den öffentlichen Sektor (Regierung) mit ein, der Ressourcen und Infrastruktur zur Verfügung stellen kann. Die Konstellationen unterscheiden sich mit Blick auf Diversität der Akteure, Koor- dinationsbedarf und Ressourcenverfügbarkeit erheblich. Wenn man demnach Intrapreneurship-Formate zur Innovationsge- nerierung betrachtet, ist eine entsprechende Differenzierung erforderlich. In diesem Beitrag wird der Akzent auf ein Tripel- Helix-Modell als Single Case gelegt. Der Single Case „Future Concepts Bremen” Dieser Beitrag analysiert die Entwicklung des Intrapreneur- ship-Formats „Future Concepts Bremen“ von seiner Einrich- tung 2016 bis zum aktuellen Stand und stützt sich primär auf
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