PERSONAL quarterly 1/2020

9 01/20 PERSONALquarterly Der Versuch der Professionalisierung von freigemeinnüt- ziger Arbeit ist ohnehin wenig sinnvoll. Nötig ist vielmehr die Koordination mit professionalisierter Arbeit. Am einfachsten haben es dabei religiöse oder ideologisch getragene Organisa- tionen. Sie können ihre Tätigkeit unter einen übergeordneten, sinnstiftenden Wert subsumieren und somit bezahlte und un- bezahlte Arbeit (relativ) konfliktarm parallelisieren oder integ­ rieren. PERSONALquarterly: Auch in der Freiwilligenarbeit kommen An- reize zum Einsatz. Wie bewerten Sie z. B. die Verwendung von Aufwandsentschädigungen oder Awards? Theo Wehner: Weil hierzu gut gesicherte empirische Belege ver- fügbar sind (Deci/Ryan, 1985), mache ich es kurz: Extrinsische Motivatoren in der Freiwilligenarbeit verweisen häufig auf eine fehlende elaborierte Anerkennungs- und Wertschätzungskul- tur. Dies gilt insbesondere für die sog. Aufwandsentschädi- gungen. Wer in der Freiwilligenarbeit Entschädigungen leisten muss, sollte sich auch fragen, welchen Schaden er angerichtet hat: Volunteering is intrinsic and unpaid work! PERSONALquarterly: Die New-Work-Bewegung propagiert aktuell den Wert sinnvoller Arbeit. Zahlreiche Unternehmen und Unter- nehmensberatungen entdecken Corporate Purpose als Themen- feld, von dem sie sich höhere Gewinne erhoffen. Führungskräfte sind angehalten, transformational zu führen und dabei einen höheren Sinn zu vermitteln. Wie schätzen Sie vor dem Hinter- grund der Freiwilligenarbeit solche Initiativen ein? Wo sind die Grenzen der Sinnerzeugung durch Organisationen? Theo Wehner: Die Grenzen der Sinnerzeugung von außen sind eng gezogen: Das subjektive Sinnerleben bei der Arbeit – ob freiwillig oder erwerbsmäßig verrichtet – ist durch Kompetenz, das Gelingen und die Erfahrung der eigenen Wirksamkeit gesi- chert. Einen Chief Happiness Officer braucht es dazu nicht. Es sind nicht der strahlende Kunde, die lobende Chefin oder eine anerkennende Kollegenschaft, die mir den Sinn der Tätigkeit vermitteln: Am hergestellten Produkt oder in den Augen des Kunden erkennt man vielmehr den Sinn des Tätigseins. Das „Das subjektive Sinnerleben bei der Arbeit – ob frei- willig oder erwerbsmäßig verrichtet – ist durch Kom- petenz, das Gelingen und die Erfahrung der eigenen Wirksamkeit gesichert. Einen Chief Happiness Officer braucht es dazu nicht.“ Prof. em. Dr. Theo Wehner Management und das HRM sind zuständig für genügend Hand- lungs- und Entscheidungsspielräume und günstige Rahmenbe- dingungen – Voraussetzungen, die als arbeitspsychologisches Wissen lange bekannt und doch in der Praxis immer noch rar umgesetzt werden und letztlich zur tendenziellen Sinnfinster- nis in der Erwerbsarbeit führen. PERSONALquarterly: Gibt es empirische Befunde, die überzeugen können? Theo Wehner: Für die psychische Gesundheit ist Sinnerleben es- senziell. So zeigen sich seit Langem gut gesicherte Zusammen- hänge von Burn-out und Sinnverlust (Schmitz/Hauke, 1994). Für die bezahlte Arbeit gilt ebenfalls seit Jahren, dass sich Menschen eine Arbeit wünschen, die nicht nur die Existenz sichert, gesellschaftlichen Nutzen stiftet, Anerkennung bringt und Status verleiht, sondern auch, dass sie zu einem individu- ellen Sinnerleben beiträgt (Chalofsky/Krishna, 2009). Die Realität sieht anders aus: Wie der deutsche Fehlzeiten­ report 2018 (Badura et al., 2018) in mehreren Studien belegt, ist das Sinnerleben prekär und gelingt noch lange nicht immer. In Interviews mit Freiwilligen wird das Sinnthema ebenfalls und meist spontan angesprochen. Die überwiegende Mehrzahl berichtet von einer sinnerfüllten Tätigkeit, ganz gleich, ob es sich um einen Fahr- oder Besuchsdienst, um die Arbeit in Un- terbringungen von Geflüchteten oder der freiwilligen Mitarbeit in einem Naturschutzprojekt handelt. Man mag einwenden, dass natürlich nur jene Freiwillige befragt werden können, die ihr Engagement noch ausüben und in der Tat ist es so, dass Personen, die das freiwillige Engagement aufgeben, nicht nur mangelnde Zeit und veränderte Lebensbedingungen, sondern auch die Sinnfrage ins Spiel bringen. Auch repräsentative Fragebogenstudien mit einem hierfür entwickelten Erhebungsinventar (LEBE) können zeigen, dass freiwillig Engagierte sinnerfüllter sind als Personen, die sich nicht freiwillig engagieren (Schnell/Hoof, 2012). In einer ei- genen Studie haben wir mit dem gleichen Fragebogen festge- stellt, dass die Sinnerfüllung bei freiwilligen Feuerwehrleuten gegenüber Berufsfeuerwehren um einen halben Skalenpunkt

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