PERSONAL quarterly 1/2020

32 SCHWERPUNKT _INTERVIEW PERSONALquarterly 01/20 Führungskräfte gefragt, die Notwendigkeiten zur Veränderung erklären können. PERSONALquarterly: Welche Kriterien lassen sich dafür anlegen, dass Tätigkeiten eher durch Freiwillige erledigt werden oder durch bezahlte Beschäftigte? Katja Wahli-Heinen: Wir haben das Glück, auf ein Netzwerk vieler ehrenamtlich Engagierter setzen zu können. Sie unterstützen uns bei Kampagnen, z. B. durch Vorträge und Präsenz bei loka- len Veranstaltungen. Sie haben oft die persönliche Anbindung vor Ort und wir nicht die Kapazitäten, alles von Köln aus zu bedienen. So bleiben wir mit der Basis des fairen Handels als Grassroot-Bewegung verwurzelt. Wir verstehen die Freiwilli- gen als Botschafter, die den Fairtrade-Gedanken in der Gesell- schaft platzieren. Bei starker Anbindung an den Alltag, an das Kerngeschäft, setzen wir auf hauptamtliche Beschäftigte. Hier ist ein anderes Maß an Verbindlichkeit und Verantwortlichkeit erforderlich. PERSONALquarterly: Lässt sich das auf die Leitungsgremien über- tragen? Katja Wahli-Heinen: Hier gibt es ganz unterschiedliche Modelle. Bei der Frage Freiwillige oder Hauptamtliche sind neben den Kriterien Verbindlichkeit und Verantwortung auch Risiken und erforderliche Qualifikationen als Entscheidungskriterien relevant. Die Komplexität der Themen in einer wachsenden Or- ganisation lässt sich durch ehrenamtliche Kräfte irgendwann nicht mehr abbilden. Die Verantwortung wird zu groß für Men- schen, die die Tätigkeit nebenher machen, weil sie noch voll in einem anderen Beruf stecken. Renate Siemon: Bezogen auf die Verantwortung sollten die Haf- tungsrisiken nicht unterschätzt werden, die z. B. für Vorstände in Vereinen nach deutschem Recht gelten. PERSONALquarterly: Personalmanagerinnen und -manager in Unternehmen schauen mitunter neidisch auf den Non-Profit- Sektor, weil hier das Personalmanagement so leicht scheint. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen im HR-Management für Freiwillige oder im Non-Profit-Sektor? Renate Siemon: Ich finde die Arbeit in einer NPO nicht weniger anspruchsvoll, eher im Gegenteil. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer Beraterin für HR-Management für NPOs am Rande eines Kongresses. Eine Konstante in NPOs, sagte sie, sei die Mentalität der Beschäftigten. Diese meinten, ohnehin für eine geringere Vergütung zu arbeiten und verbinden damit den Anspruch, weitgehend unabhängig zu sein und auch eigene Ziele verfolgen zu können. PERSONALquarterly: Worin sehen Sie selbst den besonderen Reiz Ih- rer Tätigkeit im HR-Management einer Non-Profit-Organisation? Renate Siemon: Mit Beschäftigten zu arbeiten, die für eine Sache wirklich brennen. Katja Wahli-Heinen: Man brennt ja auch selbst für die Sache. Ich bin stolz darauf, hier Mitarbeiterin zu sein und erzähle gerne darüber. Ich sage gar nicht, was ich mache, sondern wo ich arbeite. Es ist toll, mit Kolleginnen und Kollegen zu arbeiten, die in diesem Ausmaß gesellschaftspolitisch interessiert sind und das nicht nur im Job. Es sind einfach tolle Menschen, mit denen man arbeitet. Es wird allerdings auch herausfordernd mit dem Wachstum der Organisation. Wir müssen zunehmend standardisieren und Prozesse und Regeln einführen. PERSONALquarterly: Employee Volunteering: Zunehmend bieten Unternehmen ihren Beschäftigten die Möglichkeit, soziale Projekte während der Arbeitszeit umzusetzen. Das erfolgt mit dem Ziel, Arbeitszufriedenheit, Commitment und Arbeitgeber­ attraktivität zu fördern. Wo sehen Sie Grenzen dieser Bewegung? Wo entstehen hier aussichtsreiche Felder der Zusam- menarbeit zwischen Non-Profit- und For-Profit-Sektor? Katja Wahli-Heinen: Wir haben es als Thema angedacht, allerdings letztlich nicht umgesetzt. Es hängt sicherlich von den Bereichen innerhalb des Non-Profit-Sektors ab: Gerade im sozialen Be- reich muss man sehr schnell Verantwortung übernehmen, um Projekte umsetzen zu können, und das ist im Rahmen solcher Programme nicht immer möglich. Hier stoßen die Beteiligten möglicherweise schnell an Belastungsgrenzen. Renate Siemon: Relevant sind vor allem Pro-bono-Projekte von Anwaltskanzleien, die Rechtsberatung für NPOs anbieten. Das funktioniert sehr gut und scheint auch positive Effekte für die angestellten Juristen zu haben. PERSONALquarterly: Angeblich werden Karrierewege heute durchlässiger und vielfältiger, also z. B. aus dem Unternehmen „Die gute Sache ersetzt nicht den Wunsch nach einem angenehmen Arbeitsumfeld, das man zur Ver- fügung stellen muss.“ Renate Siemon

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==