PERSONAL quarterly 1/2020
25 01/20 PERSONALquarterly Zur Überprüfung wurden zwei Studien in Form szenario- basierter Experimente (Vignettenstudien) durchgeführt. Bei beiden stand eine kreative Gestaltung der Vignetten im Mit- telpunkt, um den Prozess der Jobauswahl so realistisch wie möglich erscheinen zu lassen. Szenariobasierte Experimente (Vignettenstudien) In szenariobasierten Experimenten werden Teilnehmer gebeten, sich in eine gegebene Situation (die Vignette) hineinzuversetzen, welche die theoretisch interessanten Beziehungen beinhaltet. Die Vignetten sind dabei durch Merkmale und Ausprägungen gekennzeichnet, die sich inner- halb einer Situationsbeschreibung variieren lassen. Anschließend werden die Reaktionen der Teilnehmer auf diese Situation gemessen. Vorteile sind, dass verhältnismäßig große Stichproben realisiert und komplexe Beurteilungssituationen simuliert werden können. Letzteres erklärt sich durch die Möglichkeit, Einflüsse zu isolieren, was in einer Feldstudie kaum möglich erscheint. Des Weiteren gibt es bedeutende Evidenz, dass die Ergebnisse aus szenariobasierten Experimenten auf allgemeine Umge- bungen generalisiert werden können. Im Rekrutierungskontext gilt dies insbesondere in den frühen Phasen der Mitarbeitergewinnung, wie sie in dieser Studie thematisiert werden. In der ersten Studie wurde diesem Aspekt durch Screenshots von zwei fiktiven Unternehmensinternetseiten entsprochen. Hierbei stellte der Rückgriff auf ein fiktives Unternehmen sicher, dass die Teilnehmer keine Störeffekte in Form von positiven oder negativen Vorerfahrungen mit in die Studie ein- brachten (z. B. aus persönlichen Erfahrungen mit Produkten oder demKundenservice einer existierenden Firma). Eingangs wurden die Teilnehmer gebeten, sich in den Kontext einer Be- werbungssituation hineinzuversetzen. Dies geschah mit fol- gendem Text: „Bitte versetzen Sie sich nun in die folgende Situation: Sie be finden sich derzeit auf der Suche nach einem neuen Job. Sie haben bereits einige Stellenangebote gelesen und auch schon einige Bewerbungen geschrieben. Bei der weiteren Suche sind Sie auf das Unternehmen DORELA aufmerksam geworden. Um mehr über das Unternehmen DORELA zu erfahren, besuchen Sie dessen Internetseite. Hierbei stoßen Sie auf die Unternehmens beschreibung. Bitte klicken Sie nun auf „Weiter“, um die Unter nehmensbeschreibung zu öffnen.“ Auf der ersten Internetseite mit dem Titel „Über uns“ wurde allen Teilnehmern dann die gleiche, sehr allgemeine Unterneh- mensbeschreibung gezeigt. Damit sich möglichst viele Studien- teilnehmer vom Unternehmen angesprochen fühlten, wurde berichtet, dass es sich um einen branchenübergreifenden und weltweit tätigen Mehrmarkenkonzern handelt, der Mitarbeiter mit ganz unterschiedlichen Qualifikationen sucht. Auch für eine hinreichende Varianz in den Antworten ist ein relativ all- gemeines Szenario in Form eines breit aufgestellten Unterneh- mens und einer allgemein formulierten Website unerlässlich. Die zweite Internetseite, die unter dem Stichwort „Verant- wortung“ verlinkt war, informierte über jeweils eine mögliche Ausgestaltung von EV. Für jede mögliche Kombination der drei unabhängigen Variablen EV Zeit, EV Termin und EV Ort wurde eine eigene Website erstellt. Jedem Studienteilnehmer wurde zufällig eine der Websites in Form eines Screenshots gezeigt. Anschließend wurde im Rahmen eines sog. Manipulations- checks überprüft, ob die Kombination der unabhängigen Vari- ablen vom Teilnehmer so erkannt wurde, wie in der Vignette intendiert. Die randomisierte Zuordnung zu den unterschied- lichen Studienbedingungen stellte einerseits sicher, dass Dritt- variableneffekte – wie ein Einfluss des Alters – neutralisiert werden. Innerhalb von Zufallsschwankungen weisen die Teil- nehmer gleiche Eigenschaften auf. Andererseits ermöglichte diese Vorgehensweise weitestgehend auch eine Überprüfung der unterstellten kausalen Wirkbeziehung. In der zweiten Studie wurde anstelle manipulierter Inter- netseiten auf eine Videobotschaft einer Mitarbeiterin zurück- gegriffen. In rund 30 Sekunden äußerte sie sich zu ihren Erfahrungen mit dem EV-Programm ihres Arbeitgebers. Da- bei fand eine Konzentration auf die Unterscheidung zwischen einem Engagement während der Arbeitszeit und einem Enga- gement während der Freizeit statt. Für beide Ausprägungen wurde ein eigenes Video gedreht. Jedem Studienteilnehmer wurde zufällig eines der beiden Videos gezeigt. Beide Videos zeigten die gleiche, in einen beruflichen Dress- code gekleidete angestellte Person, die von der EV-Unterstüt- zung ihres Arbeitgebers berichtete. Zur Erläuterung griff sie auf Engagement-Beispiele zurück, die im Alltagsleben verbrei- tet sind und den Befragungsteilnehmern vertraut vorkommen sollten. Konkret wurde über Engagements im Tierheim, in der Kinderbetreuung oder im Sportverein gesprochen. Wichtig war, nicht mehr Unterschiede zwischen den Videos aufkom- men zu lassen, als oben in Bezug auf Arbeitszeit bzw. Freizeit angesprochen wurden, um später valide Vergleiche anstellen zu können. Bspw. wurde darauf geachtet, im Rahmen von Mi- mik oder Gestik weder ein Engagement während der Arbeits- zeit noch ein Engagement während der Freizeit besser oder schlechter darzustellen. Die frei gesprochenen Texte lauteten im Einzelnen: Video Arbeitszeit: „ Als Mitarbeiterin der Alpha & Beta GmbH bin ich sehr froh, dass mein Arbeitgeber ehrenamtliches Engage ment während der Arbeitszeit wertschätzt. An einem Nachmit tag in der Woche helfe ich im Tierheim und gehe mit mehreren Hunden spazieren. Meine Kollegen engagieren sich bspw. in der Kinderbetreuung oder im Sportverein. Jeder Mitarbeiter der Alpha & Beta GmbH hat die Möglichkeit, sich bis zu vier Stunden pro Woche ehrenamtlich zu engagieren. Ich bin sehr froh, dass unser Arbeitgeber uns zu einem Engagement während der Arbeitszeit ermutigt.“ Video Freizeit: „Als Mitarbeiterin der Alpha & Beta GmbH bin ich sehr froh, dass mein Arbeitgeber ehrenamtliches Engagement während der Freizeit wertschätzt. An einem Nachmittag in der Woche helfe ich im Tierheim und gehe mit mehreren Hunden
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