PERSONAL quarterly 1/2020

20 PERSONALquarterly 01/20 SCHWERPUNKT _FREIWILLIGENARBEIT et al. (2007), die aus der Forschung im Profit-Bereich stammen, lassen sich – angepasst auf Freiwillige – auch hier als wich- tige Basis für Veränderungsbereitschaft konstatieren. Neben Problembewusstsein, Angemessenheit, subjektiver Norm und Selbstwirksamkeit haben jedoch weitere Faktoren, sowohl aus dem Feld der Freiwilligenarbeit als auch aus der OE, gewichtigen Einfluss. Dies spricht für das Vorgehen, auf Wissen aus dem umfassender erforschten Bereich der Erwerbsarbeit aufzubauen und dieses auf den Bereich der Freiwilligenarbeit auszuweiten. Eine wesentliche Erweiterung ist der Einschluss des emotio- nalen Erlebens in die Untersuchung. Es erwies sich als einer der stärksten Prädiktoren für Veränderungsbereitschaft. Verände- rungsbereitschaft ist somit nicht das Ergebnis eines rationalen Abwägens von Vor- und Nachteilen, sondern wird in starkem Maße von Emotionen und Gefühlen geprägt und begleitet. Daher müssen Emotionen im Veränderungsprozess beachtet werden. Geschieht das nicht, so widerspricht dies nicht nur dempsycholo- gischen Erleben der Betroffenen, sondern bedeutet zugleich, dass die nicht beachteten Emotionen oftmals noch stärker wirken. Da- bei geht es sowohl um positiv als auch negativ erlebte Emotionen, wobei v. a. erstere die Veränderungsbereitschaft beeinflussen. Positiv erlebte Emotionen können beispielsweise gefördert und ausgedrückt werden, indem „Quick-Wins“ sichtbar gemacht und gemeinsam „gefeiert“ werden. Gleichzeitig haben Emotionen hohen diagnostischen Wert, da sie gute Indikatoren gerade für unausgesprochene Meinungen und Bedenken sind. Ein vorhandenes Problembewusstsein kann ein erster Schritt hin zu Veränderungen sein, dennoch sollte eine Thematisierung der Probleme mit einer gleichzeitigen Diskussion von Verände- rungen als Lösung der Probleme einhergehen. Gerade in Freiwil- ligenorganisationen, in denen oftmals eine große Fokussierung nach innen vorherrscht, kann so der Gefahr eines Abdriftens in „Jammerveranstaltungen“ vorgebeugt werden, wenn mögliche Probleme, wie sinkende Mitgliederzahlen, bewusst werden. Die Strategie der OE, „Betroffene zu Beteiligten zu machen“, ist erfolgreich, um Freiwillige für Veränderungen in ihrer Or- ganisation zu gewinnen. Sie birgt gleich mehrere Vorteile, vor allem kombiniert mit dem Urteil der Freiwilligen über die An- gemessenheit der Veränderungen: Zum einen wird dadurch das Urteil vieler, die v. a. den Vorteil der Organisation bedenken, einbezogen. Dies stellt sicher, dass nur Veränderungen einge- führt werden, die gut und sinnvoll für die Organisation sind. Zum anderen wird durch diese Strategie zugleich die Unterstüt- zung der Mitglieder wahrscheinlich. Angesichts der Bedeutung, die Partizipationsmöglichkeiten für die Veränderungsbereitschaft der Engagierten haben, über- rascht der fehlende Einfluss der Information – umso mehr, da diese bei Veränderungen in Wirtschaftsunternehmen als fundamental angesehen wird. In anderen Studien im Non- Profit-Bereich zeigte sich jedoch, dass auch ein Übermaß an Kommunikation bei der oft knappen Zeit der Ehrenamtlichen nachteilig ist (Hay/Beattie/Livingstone/Munro, 2001). In der Erwerbsarbeit gehen Veränderungen oft mit Ängsten vor Ver- lust der eigenen Existenzgrundlage einher, denen mit Informa- tion begegnet werden kann. In der Freiwilligenarbeit hingegen geht es insbesondere um aktive Gestaltung des eigenen Lebens, Autonomie und Ausdruck persönlicher Werte. Dafür sindMitge- staltungsmöglichkeiten auch innerhalb der Organisation zent­ ral. Entsprechend könnte Kommunikation bei Veränderungen in Freiwilligenorganisationen dann zielführend sein, wenn sie über Beteiligungsmöglichkeiten informiert und zugleich den Engagierten die Möglichkeit gibt, sich ein eigenes Urteil über die Angemessenheit der Reformen zu bilden. Darüber hinaus konnte empirisch nachgewiesen werden, dass Werte, bzw. die Wertepassung, einen Einfluss auf Verän- derungsbereitschaft haben. Dies erklärt auch, warum Verände- rungen gerade in traditionellen (Freiwilligen-)Organisationen oftmals schwierig sind. Denn gerade wenn, wie im vorliegenden Fall, konservative und hierarchiebezogene Werte vertreten wer- den, kann dies die Einführung von Neuerungen erschweren. Eine Beeinträchtigung der Werte birgt somit ein doppeltes Ri- siko, sowohl hinsichtlich einer geringeren Veränderungsbereit- schaft als auch für die weitere Verbundenheit der Engagierten mit der Organisation. Jedoch zeichnen sich gerade erfolgreiche Freiwilligenorganisationen dadurch aus, dass sie ihren sinntra- genden Kern bei gleichzeitiger Anpassung an aktuelle Heraus- forderungen bewahren (Wehner/Ostendorp/Ostendorp, 2002). Hierzu kann ein offener Dialog über wichtige Kernwerte, für die die Organisation jetzt und künftig steht bzw. stehen möch- te, hilfreich sein. In der Freiwilligen Feuerwehr geschah dies bspw. durch Diskussionen, wann eine strikte Einhaltung von Hierarchieprinzipen gewünscht und nötig ist, etwa in Einsatz- situationen, und wie ein Umgang unter anderen sozialen Be- dingungen aussehen soll. Wenn eine solche Balance zwischen Veränderung und Bewahren gefunden wird, kann eine OE zur Stärkung der Organisation und des Engagements dort beitra- gen. Der Anstieg der Zufriedenheit der Ehrenamtlichen zeigt, dass dies im vorliegenden Fall gelungen ist, und macht Mut, unter diesen Bedingungen auch in konservativ geprägten Or- ganisationen Veränderungen zu wagen. Fazit In der vorliegenden Untersuchung konnten über eine Kombi- nation von Erklärungsansätzen aus verschiedenen Feldern, die auf die konkrete Organisation angepasst wurden, Erkenntnisse über die Entstehung von Veränderungsbereitschaft ehrenamt- licher Mitglieder gewonnenwerden. Hierbei bietet die Erhebung wichtiger Einflussfaktoren auf die Veränderungsbereitschaft zu Beginn des Veränderungsprozesses zahlreiche Ansatzpunkte für Change-Verantwortliche, den Wandel mit Unterstützung der Mitglieder zu implementieren. Die begleitende Evaluation mithilfe wissenschaftlicher Methoden ermöglichte es, Effekte

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