PERSONAL quarterly 1/2020
16 PERSONALquarterly 01/20 SCHWERPUNKT _FREIWILLIGENARBEIT V eränderungen sind in der heutigen Berufs- und Le- benswelt allgegenwärtig und gehören vor allem in der Arbeitswelt zu den Topthemen. Doch gesamtge- sellschaftliche Entwicklungen, wie steigende Mobi- lität und Flexibilität, demografischer Wandel, Digitalisierung und Individualisierung, haben nicht nur große Auswirkungen auf die Erwerbsarbeit, sondern auch Konsequenzen für die Ausübung von freiwilligem Engagement, welches auch als Frei- willigenarbeit bezeichnet wird (Wehner/Güntert/Neufeind/ Mieg, 2015). Dies stellt Organisationen, die sich auf freiwilliges Engagement stützen, vor die Herausforderung, sich an solche Entwicklungen anzupassen und sich zu verändern. InWirtschaftsunternehmen hat Change Management und die Forschung dazu bereits eine lange Tradition und ist Gegenstand zahlreicher Studien (zum Überblick z. B. Oreg/Vakola/Armena- kis, 2011). Anders verhält es sich mit Organisationen, deren Ar- beit hauptsächlich oder zu Teilen auf Freiwilligen und damit auf Freiwilligenarbeit basiert, wie Vereine, Verbände, Stiftungen, Kirchen oder Nichtregierungsorganisationen: Das theoretisch und empirisch fundierte Wissen, wie organisationale Verän- derungen in diesem Bereich erfolgreich verlaufen können, ist äußerst gering – und das, obwohl alleine in Deutschland über 25 Millionen Personen in solchen Freiwilligenverbänden tätig sind (Simonson/Vogel/Tesch-Römer, 2017). Da die Freiwilligen zumeist die Basis und größte Ressource dieser Organisationen sind, ist ihre Unterstützung bei organi- sationalen Veränderungen unabdingbar. Doch wie kommt die Bereitschaft Ehrenamtlicher zustande, Veränderungen in der Organisation, in der sie sich engagieren, mitzutragen? Kenntnisse dazu sind unverzichtbar, um gezielt an den re- levanten Einflussfaktoren anzusetzen und oftmals nötige Reformen unter Zustimmung der Mitglieder einzuführen. Zu- gleich ist es für die weitere Arbeit und oft sogar für das Bestehen von Freiwilligenorganisationen essenziell, dass die Mitglieder sich einbringen. Denn im Gegensatz zu bezahlter Arbeit erfolgt freiwillige Arbeit per definitionem „freiwillig“ und unbezahlt. Ein Aufgeben dieser Tätigkeit ist somit nicht an wirtschaftliche Überlegungen und Abhängigkeiten geknüpft. Deshalb wird die zusätzliche Frage untersucht, welche Auswirkungen organisa- tionale Veränderungen auf das Engagement haben. Veränderungsbereitschaft im Ehrenamt im Vergleich zur Erwerbsarbeit Von Dr. Susanne Freund und Prof. Dr. Elisabeth Kals (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt) Beide Fragen, das Zustandekommen der Bereitschaft sowie die Auswirkungen organisationaler Veränderungen, werden nachfolgend am Beispiel eines Veränderungsprozesses in ei- ner traditionellen Freiwilligenorganisation, der Freiwilligen Feuerwehr, beantwortet. Denn traditionelle Freiwilligenorgani- sationen sind am stärksten vom derzeitigen Wandel des Ehren- amts betroffen (Beher/Liebig/Rauschenbach, 2000): Bei ihnen überwiegen Engagementformen, die sich durch Langfristigkeit, Regelmäßigkeit, oft hierarchische Struktur und enge Identifi- kation mit der lokalen Gruppe auszeichnen. Solches Engage- ment wird durch Trends wie Individualisierung und Mobilität zunehmend seltener. Das erschwert es diesen Organisationen, genügend Freiwillige für ihre Aufgaben zu rekrutieren. Sie ste- hen deshalb vor der Herausforderung, ihre Arbeitsweisen und -strukturen zu verändern, um weiterhin attraktiv für aktuelle und potenzielle Engagierte zu sein. Veränderungsbereitschaft bezahlt und freiwillig Tätiger Freiwillige und bezahlte Arbeit teilen einige Gemeinsamkeiten 1 , jedoch bestehen auch bedeutsame Unterschiede zwischen den beiden (Neufeind/Jiranek/Wehner, 2012; Wehner et al., 2015): So findet klassische Freiwilligenarbeit, wie auch ein Großteil der Erwerbsarbeit, zumeist innerhalb von Organisationen statt. Oft ähneln sich zudem die Tätigkeiten von bezahlt und freiwillig Tätigen. Dies ist ganz besonders im Bevölkerungs- und Katastro- phenschutz sowie im sozialen Bereich der Fall. Entsprechend leisten organisations- und arbeitspsychologische Theorien und Befunde aus der Erwerbsarbeit oftmals gute Dienste, um den weniger intensiv erforschten Bereich der Freiwilligenarbeit zu verstehen. Bspw. ließen sich aus Befunden zu organisationaler Gerechtigkeit hilfreiche Erkenntnisse zur Gestaltung von guter Freiwilligenarbeit ziehen (Kurth/Otto, 2012). Dennoch können beide Tätigkeitsfelder nicht gleichgesetzt werden, da nicht nur in den formalen Rahmenbedingungen, sondern vor allem auch hinsichtlich der psychologischen Qualität dieser Tätigkeiten be- deutsame Unterschiede bestehen. Sie betreffen insbesondere die motivationalen Grundlagen beider Tätigkeiten und die Verbun- 1 Vgl. auch Konzepte wie Organizational-Citizenship-Behavior und freiwilliges Arbeitsengagement, die Arbeitsleistungen beinhalten, die Mitarbeitende freiwillig ohne vertragliche Vereinbarung zum Wohl der Organisation ausführen.
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