PERSONALquarterly 4/2019

9 04/19 PERSONALquarterly Matthias Baum: Wahrscheinlich ist es teilweise ein Hype – aber es ist ein wichtiger Hype. Wenn dieser Hype nicht wäre, dann würde es vielen Organisationen schwerer fallen, sich dorthin zu entwickeln. Es verhält sich genauso wie mit der Agilität. Gerade ist alles „agil“ und oft stecken nur Buzzwords dahinter. Aber das kann durchaus helfen. Dadurch werden Konzepte wie Agilität und Corporate Entrepreneurship wenigstens etwas ventiliert und bekommen mehr Aufmerksamkeit vom Management, so- dass zumindest mehr passiert, als wenn dies nicht der Fall wäre. PERSONALquarterly: Was kann das Personalmanagement tun, um den Aufwind zu nutzen, den dieser Hype erzeugt? Matthias Baum: Neben den bereits erwähnten internen Verän- derungen, die mit einer Transformation hin zu einer stärker unternehmerisch orientierten Organisation einhergehen müs- sen, ist es beim Thema Unternehmertum unglaublich wichtig, dass Unternehmen auch über die Organisationsgrenzen hinaus arbeiten. Und das ist eine Herausforderung für das Personal- management, welches klassischerweise doch eher nach innen gerichtet ist. Es gibt mittlerweile Organisationen, die nur noch einen kleinen Kern an Stammbelegschaft haben, aber ein großes Netzwerk an Crowdworkern. Es kann immer wieder passieren, dass für ein Team jemand mit Expertise gebraucht wird, die nicht im Unternehmen zu finden ist – das kann Marktwissen für den Eintritt in einen neuen Markt sein oder Fachwissen, dass sich Unternehmen z. B. von einem Doktoranden, der dazu forscht, von extern dazuholen können. In dieser Hinsicht kann das Personalmanagement einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Innovationsprozesse möglichst reibungsfrei funktionieren. Zudem sollte sich das Personalmanagement auch Gedanken darüber machen, welche Implikationen eine Transformation hin zu einer stärker unternehmerisch orientierten Organisation für die Position als Arbeitgeber nach außen hat. Dies betrifft auch das Recruiting. Möchte das Unternehmen nach außen hin kommunizieren, dass es unternehmerisch orientierte Mitar- beiter haben möchte? In diesem Falle kann das Unternehmen Mitarbeiter rekrutieren, die bereits das entsprechende Mindset mitbringen – Mitarbeiter, die nicht noch erst in diese Richtung hin „erzogen“ werden müssen. Die Forschung zum sog. Person- Organization-Fit ist hier eindeutig: Wenn eine Organisation „Jedes Unternehmen kann sich mehr unternehmerische Orientierung leisten. Jedenfalls kostet es wenig im Ver- gleich dazu, was es kostet, nichts zu tun.“ Prof. Dr. Matthias Baum überzeugend nach außen hin kommunizieren kann, dass es Proaktivität und Innovativität wertschätzt und es legitim ist, kalkulierbare Risiken einzugehen, dann werden sich auch eher Kandidaten bewerben, die sich entsprechend verhalten werden. PERSONALquarterly: Was im Umkehrschluss aber auch bedeutet, dass Unternehmen nicht lügen sollten, wenn sie versuchen, ihre Employee Value Proposition zu kommunizieren? Matthias Baum: Das ist ein wichtiger Punkt. Natürlich können Un- ternehmen vieles erzählen, aber wenn das Blaue vom Himmel versprochen wird und die Wirklichkeit ist grauer Stahlbeton und 60er-Jahre-Großraumbüro-Mentalität, dann lässt die Kün- digung nicht lange auf sich warten. Das berühmte „You got to walk the talk“, das gilt beim Aufbau einer Employer Brand und der Kommunikation der Employee Value Proposition wie überall sonst auch. PERSONALquarterly: Könnte es nicht in ähnlicher Form zum Prob­ lem für die Mitarbeiterbindung werden, wenn Mitarbeiter für mehrere Monate zu externen Acceleratoren entsendet werden? Matthias Baum: Wenn diese Mitarbeiter vom externen Accelerator in ihre frühere Abteilung zurückkehren, dann ist es natürlich wichtig, dass sie in ihrem Arbeitsalltag in die Lage versetzt wer- den, das neue Wissen, die neuen Fertigkeiten und Fähigkeiten auch anzuwenden – und wenn es nur in Teilen ist. Wenn das nicht der Fall ist, entsteht hier wahrscheinlich eine Sollbruch- stelle. Es gibt hierzu leider noch keine endgültigen Antworten aus der Forschung. Allerdings könnte es sich ähnlich wie bei den Herausforderungen für das Personalmanagement im Rah- men von „Expatriation“ und „Repatriation“ verhalten. Aus Sicht des Personalmanagements ist es sehr wichtig, welche Mitar- beiter sich proaktiv für eine Entsendung in einen Accelerator bewerben: Sind es diejenigen Mitarbeiter, die sich mit der „Repa- triation“ gerne wieder in die bequemeren bürokratischen Struk- turen in der Muttergesellschaft einfügen werden? Oder doch eher diejenigen Mitarbeiter, die einmal den süßen Honig des Unternehmertums gekostet haben und denen der Arbeitsalltag in der Muttergesellschaft wie Knäckebrot undWasser schmeckt? Deshalb ist es so wichtig, den „Expatriates“ die Chance zu geben, das Erlernte in ihrem Arbeitsalltag inkludieren zu können.

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