PERSONALquarterly 4/2019

8 SCHWERPUNKT _INTERVIEW PERSONALquarterly 04/19 Perspektive, zu vermitteln. Wenn es gut gemacht wird, kann ein Training auch das Gefühl bei Mitarbeitern vermitteln, dass das Unternehmen sich um sie kümmert – das erhöht die Mitarbeitermotivation. Ein Training ist jedoch immer nur ein Katalysator, der nichts ohne den dazugehörigen Motor be- wirkt. Spezifischer Kompetenzaufbau ist nur möglich, wenn die geforderten methodischen Kompetenzen auch tatsächlich zur Anwendung kommen – nur so können Fähigkeiten wirklich entwickelt werden. Dafür muss eine Methode aber organisato- risch integriert sein: Mitarbeitende müssen das Gefühl bekom- men, dass das Management sie aktiv in die Lage versetzt, diese neuen Methoden auch anzuwenden. Das kann auch bedeuten, dass sich Arbeitsprozesse ändern und Teamstrukturen über eintägige Workshops hinaus etabliert werden müssen. Wenn ein Workshop mit der Forderung endet, „Entwickelt mal eine neue Idee!“, dann tauchen so viele Fragen auf, dass es ohne or- ganisatorische Integration überhaupt keinWeiterkommen gibt. PERSONALquarterly: Wie können Unternehmen das Entwickeln neuer Ideen organisatorisch integrieren? Welche Faktoren sind hierfür entscheidend? Matthias Baum: Grundsätzlich ist dafür das Zusammenspiel von drei Faktoren wichtig: Erstens muss das Topmanagement voll und ganz dahinterstehen. Zweitens braucht es einen integrier- ten Personalprozess zur Unterstützung und eine strategische Partnerschaft von Personalmanagement und Topmanagement, denn die Neugestaltung von Organisationsprozessen, von Mit- arbeiterführung und von Hierarchien erfordert grundlegende Eingriffe – die das Personalmanagement unterstützen muss. Und drittens sollte der CFO bzw. Finance und Controlling in- volviert werden, denn unternehmerische Prozesse setzen eher an „Exploration“ statt an der „Exploitation“ bestehender Res- sourcen an, und dies kann natürlich unmittelbare finanzielle Auswirkungen haben. Es braucht also auch ein vernünftiges Finanzmanagement hinter einer unternehmerischen (Neu-) Orientierung. Auch für die Legitimität einer solchen Initiative kann es nicht schaden, Finance/Controlling mit an Bord zu ha- ben. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass sich nahezu jedes Unternehmen mehr unternehmerische Orientierung und ent- sprechende Maßnahmen zur Neugestaltung von Prozessen und Strukturen leisten kann. Klug eingesetzt kostet dies jedenfalls wenig imVergleich dazu, was es langfristig kostet, nichts zu tun. PERSONALquarterly: Ausgehend von diesen drei Stakeholdern – das heißt Topmanagement, Personalmanagement und Finance/ Controlling: Was muss sich konkret in Unternehmen ändern? Vorhin hatten Sie von Anreizsystemen gesprochen. Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur? Matthias Baum: Das eine geht mit dem anderen einher – ein Anreizsystem spiegelt die Unternehmenskultur wider (Was ist wichtig im Unternehmen?) und die Unternehmenskultur unterstützt und legitimiert das Anreizsystem. Dennoch ist die Frage, was Unternehmen bei einer Transformation hin zu mehr unternehmerischer Orientierung zuerst adressieren sollten, nicht irrelevant. Jedenfalls sind es zwei verschiedene Baustellen. Ob es jedoch nur den einen „richtigen“ Ansatz gibt oder viele Wege nach Rom führen, das ist nicht in Gänze klar. Wirklich starke Evidenz gibt es nur für die Bedeutsamkeit der Rolle des Topmanagements bei solchen Innovationsprozessen. Zwar kann die Initiative auch aus dem mittleren Management heraus entstehen – schließlich fungiert in etablierten Unter- nehmen das mittlere Management als Gatekeeper. Aber auch dann muss letztlich das Topmanagement hinter der Initiative stehen. Ansonsten bleibt es bei Insellösungen. PERSONALquarterly: Was muss ich mir unter diesen Insellösungen vorstellen? Und wie sollte das Topmanagement idealerweise unterstützen, damit es eben nicht bei Insellösungen bleibt? Matthias Baum: Viele Unternehmen haben Corporate-Venturing- Programme; viele haben mittlerweile Acceleratoren, Com- pany Builder, Inkubatoren – teilweise sogar Inhouse. Diese Programme sind wichtig, davon bin ich überzeugt. Im Gegen- satz zu ein- bis zweitägigen Trainings und Workshops erlaubt es bspw. eine sechsmonatige Entsendung in einen Accelerator, in dessen Rahmen eine Idee in Vollzeit (weiter-)entwickelt wird, durchaus, gewisse unternehmerische Prozesse und Routinen zu etablieren. Das heißt: Wie Ideen entwickelt und schnell wei- terbearbeitet werden über das Experimentieren mit Prototypen. Dennoch bin ich vom Erfolg dieser Programme meist wenig beeindruckt. Das sind die Insellösungen, von denen ich gespro- chen hatte. Ja, es wird etwas gemacht – aber richtig gelebt, und zwar auch und gerade vom Topmanagement, wird es nicht. Topmanagement-Support kann eben sehr divers sein: Ein „Ja, ja, das ist ganz wichtig, das sollten wir tun!“ kann den Stein ins Rollen bringen, aber eine echte Transformation er- fordert, dass das Topmanagement selbst entsprechend tickt und unternehmerisches Handeln vorlebt. Hier kommen wieder die Anreizsysteme ins Spiel. Das Topmanagement entscheidet nämlich nicht nur über die Ressourcen, die in Innovationspro- zesse einfließen können, das heißt das Geld, die Menschen, die Zeit, die Mitarbeiter in solche Prozesse investieren dür- fen, sowie das Netzwerk, das Mitarbeiter mit komplementären Ideen oder Produkten zusammenbringt. Das Topmanagement entscheidet auch darüber, welche Anreize aus Mitarbeitersicht bestehen, zu explorieren: Wie wird mit Fehlern umgegangen? Werden Fehler in einer gewissen Form auch akzeptiert? Wird von Fehlern gelernt? PERSONALquarterly: Wenn Corporate-Venturing-Programme oft nicht mehr als ein Lippenbekenntnis des Topmanagements dar­ stellen: Handelt es sich dann bei dem Trend hin zu mehr Start- up-Mentalität in etablierten Unternehmen nur um einen Hype?

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