PERSONALquarterly 4/2019

PERSONALquarterly 04/19 66 SERVICE _EVIDENZ ÜBER DEN TELLERRAND K ulinarisch das Passende zu finden, ist weder auf Rei- sen noch am eigenen Wohnort leicht. Das Internet hat die frühere Mund-zu-Mund-Propaganda abge- löst. Die Suche nach dem Restaurant, das hervor- ragend kocht und gleichzeitig die Service-Erwartung erfüllt, beginnt heute auf Google. Auch die Fragen nach einem an- sprechenden Ambiente und, wo bei schönem Wetter der Tisch im Freien gedeckt wird, soll dort beantwortet werden. Wer „Hummer, Düsseldorf, Restaurant“ eingibt, den führt Google im ersten werbefreien Link scheinbar über Speisekarte.de zum Restaurant Artiste – beim Anklicken jedoch zum Lido. Mit dem nächsten Link geht es via Tripadvisor.de „zum besten Hummer der Stadt“ nach Kaiserswerth ins Sternerestaurant „Im Schiff- chen“. An dritter Stelle folgt ein Prinz.de-Link zum seit 2012 geschlossenen Gourmet-Restaurant „Hummer-Stübchen“. Suche über Restaurantführer In Deutschland gibt es derzeit etwa 70.000 Restaurants (mit Bedienung). Unter diesen fanden professionelle Restaurant- kritiker im Auftrag der Restaurantführer für die Buchausga- ben 2019 insgesamt 3.725 empfehlenswerte Adressen, an die sie Löffel, Punkte und Sterne verteilten. Da Geschmack jedoch anders als ein 100-Meter-Lauf nicht eindeutig messbar ist, kommen Michelin, Gusto, Gault & Millau, Der Feinschmecker, Varta, Schlemmer Atlas und Der Große Guide zu recht unter- schiedlichen Ergebnissen. Unisono empfehlen sie nur fünf Prozent der 3.725 Restaurants. Suche über Restaurant-Rankings Mit dem Taschenrechner erstellte Wolf von Hornstein 1981 die erste Restaurant-Bestenliste. Er nahm die Restaurantführer zur Hand und legte fest, dass ein Restaurant mit der Küchen- höchstbewertung in allen fünf Führern maximal 100 Punkte erreichen konnte. 20 Punkte je Führer. Über 20 Jahre fand das nach ihm benannte Hornstein-Ranking viel Beachtung mit der Veröffentlichung in den Wirtschaftsmagazinen Capital und DM sowie auch dem Gastro-Magazin Sternklasse. Ende der 1980er-Jahre entwickelte Informatiker Gustav Volkenborn ein anderes Punktesystem, indem er die Küchenhöchstbewertung von der Häufigkeit der Vergabe abhängig machte und mit 18 bis 20 Punkten gewichtete. Sein System wurde 2006 von Re- staurant-ranglisten.de übernommen und internationalisiert. Wie die Nichtberücksichtigung wesentlicher Faktoren ein Ranking-Ergebnis verfälscht, hat Professor Thomas K. Bauer an dieser Stelle veranschaulicht – und auch wie bedeutsam die Gewichtung einzelner Faktoren ist (PERSONALquarterly 03/19, S. 58). Hornstein wie Volkenborn ließen die Faktoren Service und Ambiente unberücksichtigt, die Sternklasse mit 25 Prozent gewichtet. Auch der bis dahin unberücksichtigte Stellenwert der einzelnen Führer fließt in die seit 2011 jähr- lich veröffentlichte Sternklasse-Bestenliste ein. Um diesen zu ermitteln, wird der Inhaber, Geschäftsführer oder Küchenchef der von den Guides empfohlenen Restaurants gebeten, jeden Führer mit einer Gesamtnote von „sehr gut“ bis „ungenügend“ zu benoten. Mit der Note sollen Kompetenz, Sorgfalt, Unab- hängigkeit, Seriosität, Orientierung an den Bedürfnissen der Gäste, Zuverlässigkeit und der Informationsgehalt bewertet werden. Als Klassenbester macht seit der ersten Umfrage und inzwischen neun Jahre in Folge der Michelin das Rennen. Die Mittelplätze wechseln regelmäßig. Gusto belegt seit nunmehr drei Jahren konstant den zweiten Platz. 2019 entspricht die Höchstbewertung im Michelin 87 Punkten, im Gault & Millau 73 Punkten und 59 Punkten im Der Große Guide. Suche über Online-Portale Weit weniger diffizil geht es bei Online-Portalen zu. Bei Yelp, Tripadvisor und Co kann jeder Restaurantbesucher seine Kritik texten und Punkte verteilen. Experte für Restaurants mit spezieller Küche ist das Bewertungsportal Tripadvisor. de. Unter „thailändische Küche“ findet sich auf Vart a-guide.de kein einziges Restaurant, bei Schlemme r-atlas.de eins und bei Bookatable by Michelin 13. Tripadvisor bietet 28 Restaurants zur Auswahl an. Tonfall, Aussage und Qualität der Bewertung, die anonyme Nutzer aufschreiben, wird von den Gastronomen häufig kritisiert. Festzustellen ist, dass in der Kategorie „ge- hobene Küche“ bis vor drei Jahren vorwiegend unbekannte Restaurants die ersten Plätze belegten. Heute stehen in den Großstädten immer häufiger auch Spitzenrestaurants der Bes- tenliste auf dem Siegerpodest. Tripadvisor spricht von einem sich selbst weiterentwickelnden Algorithmus. Die Zukunft wird zeigen, ob die Profi-Guides dauerhaft bestehen und die enormen Kosten für Testbesuche verkraften können – und vielleicht auch, ob der Tripadvisor-Algorithmus die Restau- rantführer-Bewertungen einbezieht. Quellenkunde bei der Restaurantsuche Uta Bühler, Geschäftsführerin Sternklasse, Medien- und Nachrichtenunternehmen in Essen, www.sternklasse.de

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