PERSONALquarterly 4/2019

64 SERVICE _FORSCHERPORTRÄT PERSONALquarterly 04/19 Moden und Maschen mit Fakten widerlegen Uwe P. Kanning forscht und lehrt an der Hochschule Osnabrück zur Personaldiagnostik. Der Wirtschaftspsychologe kämpft für eine seriöse Personalarbeit. Ruth Lemmer, Freie Wirtschaftsjournalistin in Duisburg S eine Buchtitel signalisieren Meinungsfreude, aber auch wissenschaftlich fundierte Hilfsbereitschaft: 2017 erschien „50 Strategien, die falschen Mitarbei- ter zu finden und wie Sie es besser machen können“, zwei Jahre zuvor „Personalauswahl zwischen Anspruch und Wirklichkeit – Eine wirtschaftspsychologische Analyse“ und schon 2013 „Wenn Manager auf Bäume klettern: Mythen der Personalentwicklung und Weiterbildung“. Uwe P. Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osna- brück, will Wirkung erzielen: bei Personalpraktikern, bei Stu- dierenden und natürlich auch als Forscher. Personalauswahl, Leistungsbeurteilung, soziale Kompetenzen, Motivation und Arbeitszufriedenheit sind seine Forschungsgebiete. Unseriöse Methoden der Personalarbeit von der Graphologie bis zu den Powerversprechen der Motivationsgurus gehören dazu. „Personaldiagnostik ist mein Dauerbrenner“, sagt Kanning. „In die Eignungsdiagnostik wird zu wenig investiert.“ Damit meint der Forscher Know-how, Zeit und Geld, wendet sich aber auch gegen verbreitete Vorurteile: „Wer glaubt, er könne sich seine Mitarbeiter nach der Einstellung zurechtbiegen, liegt falsch.“ Seit über 20 Jahren kämpft der Wirtschaftspsychologe dagegen an, dass sich in Konzernen Recruiter und Fachvor- gesetzte oder in mittelständischen Unternehmen Geschäfts- führer und Eigentümer mit einer ausgesprochen geringen Validität bei Einstellungs- und Aufstiegsverfahren zufrieden geben. „Das Bauchgefühl hat zu viel Einfluss auf Entschei- dungen und wenig zu tun mit der Leistung, die einer im be- ruflichen Umfeld erbringt“, skizziert Kanning die Ursache für viele Frustrationen von Führungskräften, die sie – ganz klas- sisches Drama – mit einer Fehlentscheidung am Anfang des ersten Aktes selbst verschulden. Denn welche Hobbys einer hat oder ob sein Lebenslauf Lücken aufweist, dass hübsche Menschen intelligenter sind oder die Erfahrung den Recruiter schlauer macht, das sind alles gängige Einschätzungen, aber keineswegs nachgewiesene Zusammenhänge. „Wer zehn Jahre lang unstrukturierte Interviews führt, wird auch im elften Jahr keine fundierten Entscheidungen treffen“, so der Personaldiag­ nostiker, der als Berater strukturierte Einstellungsinterviews, Leistungsbeurteilungssysteme und Assessment Center entwi- ckelt. „Es gibt die Chance, aus Fehlern zu lernen, aber wenn einer die nicht nutzt, ist er im Recruiting auch nicht besser als ein Neuling.“ Professor Kanning setzt auf wissenschaftlich abgesicherte Tests. Sein „Inventar sozialer Kompetenzen“ aus dem Jahr 2009 misst mit 108 Items im Fragebogen in rund 20 Minuten 17 Facetten sozialer Kompetenz. 2016 brachte er das „Inventar zur Erfassung von Arbeitsmotivation“ heraus. Jetzt arbeitet der Forscher an einem Fragebogen zur Arbeitszufriedenheit, der voraussichtlich 2020 erscheinen wird. 15 Einzelstudien sind schon absolviert, auch als Bachelorarbeiten, denn der Hoch- schullehrer besteht darauf, dass seine Studierenden empirisch arbeiten, statt aus Literaturbergen aufwendige Zusammenstel- lungen zu generieren. Der Dozent will kritische theorie- und evidenzgestählte Studierende in die Berufspraxis entlassen. Damit langweilt er seine jungen Zuhörer offensichtlich nicht. Kanning erhielt schon mehrmals den Preis der Studierenden für die beste Vorlesung in Psychologie und wurde 2016 Profes- sor des Jahres imMagazin Unicum Beruf. Wer bei ihm studiert, erfährt vom Nutzen und Erfolg fundierter Auswahlmethoden und entwickelt ein Gefühl für Geschäftemacher, wie Uwe P. Kanning sie in seinem Buch „Von Schädeldeutern und ande- ren Scharlatanen: Unseriöse Methoden der Psychodiagnostik“ 2010 beschrieb. Führungskräftetrainings mit Pferden sind so wenig wirksam wie Tipps vom Motivationsguru Reizthemen sind für Professor Kanning all die neumodischen Drehungen und Wendungen des Personalwesens. Etwa die Duzerei in Firmen, die aktuell als Signal des Kulturwandels favorisiert wird. In Deutschland finden nur 41 Prozent das Duzen der Kollegen und Chefs besser. Und, so Kannings klei- ne Studie, auch jüngere Menschen machen an der Frage nach dem Duzen keine durchweg positive Kultur fest – immerhin ist diese Pflicht so verklemmt wie die, alle zu siezen. Auch Führungstraining mit Pferden sieht Uwe Kanning skeptisch: „Anders als Menschen reden Tiere nicht schlecht über andere, mobben nicht und agieren in ihrem Arbeitsleben auch sonst nicht so komplex.“ In immer neuen Studien beschäftigt ihn die Auswirkung von Moden und Maschen. „Das begann mit Jürgen Höller“, erinnert sich der Hochschullehrer. Als Motivations

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==