PERSONALquarterly 4/2019

42 PERSONALquarterly 04/19 NEUE FORSCHUNG _GESUNDHEITSMANAGEMENT gen können, in einem anderen Kontext ggf. erfolglos bleiben. Ausschlaggebend ist die jeweilige Situation. Ein flexibler Coping-Stil kann hilfreich sein, um eine situationsadäquate Coping-Strategie auszuwählen. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass Resilienz zu- nächst als ein Stresspuffer fungiert. Ist die Resilienz nicht aus- geprägt genug, empfindet das Individuum Stress und wendet Coping an. Erfolgreiches Coping, also die Stressbewältigung, beendet die Stressreaktion und kann zu einer Steigerung der Resilienz führen. Bei nicht erfolgreichem Coping hält die Stressreaktion an und weiteres Coping ist nötig, bis die Situa- tion bewältigt wurde. Abbildung 1 visualisiert den angenom- menen Zusammenhang. Der Bereich im schattierten Rechteck stellt den beschriebenen Zusammenhang zum Zeitpunkt t1 dar, dieser kann sich, je nach Bewältigungserfolg, wiederholen. In der Coping- und Resilienzforschung werden meist va- riablenzentrierte Ansätze verfolgt, die den Zusammenhang einzelner Variablen, losgelöst vom Individuum, analysieren, so- dass persönliche Eigenschaften, individuelle Erfahrungen und Einstellungen keine Berücksichtigung in der Analyse finden. Hierbei wird von einer homogenen Population ausgegangen, die gleiche Merkmale aufweist. Personenzentrierte Ansätze gehen hingegen von heterogenen Populationen aus und ha- ben meist das Ziel, Gruppierungen oder Subpopulationen zu identifizieren. Populationen können somit in Cluster aufgeteilt werden, die typisch bzw. realitätsnah sind. Individuelle Kogni- tionen und Gedanken bei der Stressbewältigung sind meist in- einander verstrickt und somit schwer voneinander zu trennen. Gleiches gilt für die aufgezeigte starke Verflechtung von Co- ping und Resilienz. Daher können personenzentrierte Ansätze helfen, diese Komplexität zu reduzieren. In der Psychologie und den Sozialwissenschaften hat die Methode der Typenbil- dung eine lange Tradition, wenn es darum geht, komplexere Phänomene vereinfacht bzw. durch typische Ausprägungen darzustellen (vgl. Kuckartz, 2010, S. 553). Eine entsprechende Typologie hinsichtlich Stressbewältigungstypen in pflegenden Berufen existiert bisher jedoch noch nicht. Vor diesem Hintergrund ist das Ziel des Beitrags, Coping- Strategien und Resilienz in pflegenden Berufen zu analysie- ren und eine empirisch basierte Typologie zu entwickeln. Der Nutzen für die Praxis liegt in der Gestaltung von verhaltens­ präventiven Maßnahmen für pflegende Berufe, die durch das Verständnis über die individuelle Stressbewältigung zielgrup- pengerecht gestaltet werden können. Beschreibung der empirischen Studie Um die Stressbewältigung des Individuums besser zu verste- hen, wird ein qualitatives Forschungsdesign herangezogen. Es bietet den Vorteil, gezielte Rückfragen zu Gedanken, Gefühlen und Handlungen der Befragten stellen zu können und somit den Stressbewältigungsprozess in der Tiefe zu durchleuchten. Weiterhin kann detaillierter auf die Frage, inwiefern sich Co- ping-Strategien und Resilienz verändern und ggf. gegenseitig beeinflussen, eingegangen werden, da die Befragten von län- geren Entwicklungen berichten können. Zur Generierung der Daten wurde die Methode eines leitfadengestützten Interviews gewählt. Der Leitfaden bestand aus fünf Themenblöcken: (1) Berufsalltag (2) Zeitdruck (3) Konflikte mit Patienten (4) sonstige Stressoren (5) Schlussteil Zum Abschluss wurden noch soziodemografische Angaben er- fasst. (1) Zunächst wurden die Teilnehmer gebeten, ihren beruflichen Alltag zu schildern. Dies hat den Hintergrund, dass sich die Teilnehmer an die Gesprächssituation gewöhnen sollten. Zusätzlich wurden dadurch Informationen über den beruf- lichen Kontext der Teilnehmer generiert. (2) Im zweiten Teil gaben die Teilnehmer eine Einschätzung über ihren empfundenen Zeitdruck ab und wurden aufge- fordert, eine Situation zu beschreiben, in der sie konkret Zeitdruck ausgesetzt waren. Anschließend wurden Fragen zu Gedanken, Emotionen und Handlungen in dieser Situa- tion gestellt. (3) Im dritten Teil schätzten die Teilnehmer ein, wie intensiv sie im Kontakt mit Patienten stehen und wurden gebeten, eine Situation zu beschreiben, in der es zu einem Kon- flikt mit einem Patienten gekommen ist. Auch hier wurden anschließend Fragen zu Gedanken, Emotionen und Hand- lungen gestellt. Weiterhin wurden die Teilnehmer im (2) zweiten und (3) dritten Teil aufgefordert, eine Einschätzung abzugeben, inwiefern sie entsprechende Situationen in der Anfangszeit ihrer Berufstätigkeit erlebt haben und inwie- fern sich ihre heutigen Reaktionen imVergleich dazu unter- scheiden. Hintergrund war es, gängige Stressoren aus dem Pflegebereich konstant zu halten, um Informationen über Coping-Strategien und Resilienz sowie deren Entwicklung im Berufsleben zu erhalten. (4) Im vierten Teil hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, wei- tere Stressoren zu nennen. Zu diesen wurden anschließend Fragen zu Gedanken, Emotionen und Handlungen gestellt. Dieser Teil dient insbesondere der Identifikation weiterer Stressoren aus dem Berufsleben der Befragten. Zudemwur- den Informationen zu Coping und Resilienz der Teilnehmer generiert. (5) Im Schlussteil gaben die Teilnehmer an, was sich ändern müsste, damit sie weniger Stress empfinden würden. Bei Befragten, die im Gespräch angaben, im Laufe ihres Be- rufslebens in eine weniger stressige Einrichtung bzw. Sta- tion gewechselt zu sein, wurde abgefragt, was sich konkret gebessert hat. Dieser Abschnitt diente der Identifikation

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