PERSONALquarterly 4/2019

40 PERSONALquarterly 04/19 NEUE FORSCHUNG _GESUNDHEITSMANAGEMENT D as Thema Arbeitsstress findet in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit in politischen und medialen Debatten. Auch für Unternehmen ist es von hoher Relevanz, da psychische Erkrankungen eine der häufigsten Ursachen für Krankschreibungen sind, die zudem durchschnittlich länger ausfallen als solche, die auf andere Ursachen zurückzuführen sind (vgl. Bundesanstalt für Arbeits- schutz und Arbeitsmedizin, 2018, S. 45). Zudem sind sie die häufigste Ursache für Frühverrentungen (vgl. Meyer/Böttcher/ Glushanok, 2015, S. 370). Neben den negativen Konsequenzen, die aus dem Ausfall von Mitarbeitern resultieren, kann Stress auch zu einem Motivations- und Leistungsrückgang führen und somit Produktions- bzw. Vertriebseinbußen nach sich zie- hen (vgl. LePine/Podsakoff/LePine, 2005). Der subjektiv empfundene Stress nimmt zwar für die meis­ ten Berufsfelder zu, allerdings gibt es Berufe, die besonders von Stress betroffen sind. Dazu zählen insbesondere pflegende Berufe, die eine überdurchschnittliche Zahl an Krankheits- tagen aufgrund psychischer Erkrankungen aufweisen (vgl. Meyer/Böttcher/Glushanok, 2015, S. 389). Dies lässt sich u. a. darauf zurückführen, dass pflegende Berufe regelmäßig einer Vielzahl von Stressoren ausgesetzt sind. Darunter versteht man Reize, die die Gefahr erhöhen, Stressreaktionen, also das tatsächliche Erleben von Stress z. B. in Form von Anspannung, zu erfahren. Typische Stressoren in pflegenden Berufen sind z. B. ein hohes Arbeitspensum, Rollenkonflikte oder Aggressi- onen durch Patienten (vgl. Lim/Bogossian/Ahern, 2010). Die Zunahme stressbedingter Erkrankungen in dieser Be- rufsgruppe ist aus mehrerlei Gründen problematisch. Erstens sind in Pflegeberufen in Deutschland ca. 700.000 Personen in stationären Einrichtungen beschäftigt (vgl. Statistisches Bundesamt, 2019). Daher sind relativ viele Arbeitnehmer von den potenziellen Folgen des Stresses betroffen. Zweitens kann der Bedarf an Pflegekräften in vielen Regionen bereits heute aufgrund eines bestehenden Fachkräftemangels nicht mehr gedeckt werden (vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2019, S. 14-15). Durch die langen Ausfallzeiten und Frühverrentungen nimmt die Belastung für Pflegekräfte zu, da sie die Ausfälle kompen- sieren müssen. Drittens leisten Pflegekräfte ihren Beitrag zur Aufrechterhaltung der Gesundheit von anderen Personen. Stressbewältigung in pflegenden Berufen: eine empirisch basierte Typologie Von Ingo Klingenberg und Univ.-Prof. Dr. Stefan Süß (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) Psychische Beeinträchtigungen bei Pflegepersonal können die Fehlerquote erhöhen und somit Risiken für Patienten nach sich ziehen (vgl. Gärtner et al., 2010). Die Bedeutung von Coping und Resilienz im Rahmen der Stressbewältigung Arbeitsstress in der Pflege liegt auch im Fokus der Forschung. Dabei steht neben den Ursachen für und den Auswirkungen von Arbeitsstress in pflegenden Berufen auch die Stressbewäl- tigung von Pflegepersonal im Vordergrund. Für die Stressbe- wältigung ist besonders die Frage relevant, was Pflegekräfte gesund hält und warum einige besser in einem belastenden Umfeld bestehen können als andere. Hier bieten insbesondere die Konzepte Coping und Resilienz Erklärungen, um zu verstehen, warum einige Pflegekräfte an dem herausfordernden Umfeld scheitern, gesundheitliche Prob­ leme erleiden oder das Berufsfeld verlassen, während andere an den Anforderungen wachsen und in diesem Umfeld bestehen. Resilienz bezeichnet die Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen wie Stress und beschreibt dabei eine aus der Inter- aktion zwischen Mensch und Umwelt resultierende Fähigkeit, die durch die erfolgreiche Bewältigung von Krisen gestärkt wird (vgl. Soucek et al., 2015, S. 14). Resilienz funktioniert wie eine Art Schutzschild, das Menschen vor Stress schützen und dafür sorgen kann, dass sie sich schneller von Krisen erholen (vgl. Bengel/Lyssenko, 2012, S. 25). Sie kann dabei als Sam- meleigenschaft betrachtet werden, die sich aus verschiedenen Eigenschaften, sog. Schutzfaktoren, zusammensetzt. Dazu wer- den z. B. Achtsamkeit, Hoffnung und Optimismus gezählt (vgl. Soucek et al., 2015, S. 14). Unter Coping werden kognitive Prozesse und Handlungen mit dem Ziel, Stress zu bewältigen, verstanden (vgl. Dewe/ O’Discroll/Cooper, 2010, S. 153-154). Coping ist dabei indivi- duell und kann sehr unterschiedlich ausfallen. Grundsätzlich wird zwischen Coping-Strategien und Coping-Stil unterschie- den. Während sich Coping-Strategien durch Kurzfristigkeit aus- zeichnen und lediglich ein einmaliges Verhalten beschreiben, bezeichnet der Coping-Stil langfristige, immer wiederkehrende Verhaltensmuster eines Individuums. Individuen können da- her bei Stress auf unterschiedliche Coping-Strategien zurück-

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==