PERSONALquarterly 4/2019
33 04/19 PERSONALquarterly ter von „Arbeit-Nehmern“ zu verantwortungsvollen Corporate Entrepreneuren zu entwickeln. Unternehmerisches Denken und Handeln kann entstehen, wenn Mitarbeitern ausreichend Autonomie und Ressourcen (neben Budget vor allem auch In- formationen) zur Verfügung stehen. Der Wandel von Führung Gelebte Diversity und moderne Arbeitsmodelle erfordern die Identifikation veränderter Führungsanforderungen. Gerade in dynamischen Geschäftsumfeldern und bei hohem Innovations- druck sollte HR die Etablierung einer Intrapreneurship Culture begleiten. Wichtigster Ansatzpunkt für die Entstehung dieser Kultur sind die Führungskräfte des Unternehmens. Angefan- gen mit dem Topmanagement bzw. der Unternehmensleitung müssen diese zum einen von der Notwendigkeit eines Kultur- wandels überzeugt sein und ihn zum anderen vorleben. Nur zu häufig lassen sich in Unternehmenswerten Sätze finden wie „Wir sind innovativ und agil“, aber sowohl die Strukturen des Unternehmens als auch das Verhalten der Führungskräfte behindern Unternehmertum eher, als dass sie es fördern. Und vielfach begrenzt sich die Einführung von Agilität in Unterneh- men auf das Übernehmen von Versatzstücken aus der Start- up-Kultur (der fast schon obligatorische Tischkicker, keine Krawatten, Duzen im Unternehmen), ohne dass sich das Ver- halten der Führungskräfte ändert. Die Führungskräfte müs- sen den Mitarbeitern durch ihr gelebtes Führungsverhalten demonstrieren, dass sie bereit sind, Entscheidungsverantwor- tung abzugeben („Empowerment“), und dass das Eingehen von Risiken und das Scheitern (mit dem entsprechenden Lernen aus dem Misserfolg) positiv sanktioniert und die Eigenver- antwortung der Mitarbeiter gefördert wird. Auf der Ebene der Zusammenarbeit im Team müssen HR und Führungskräfte an dem Entstehen einer Kultur der offenen Kommunikation und gegenseitigen Verlässlichkeit arbeiten: Wie Google (Rozovsky, 2015) in einer internen Untersuchung herausgefunden hat, ist „Psychological Safety“ die wichtigste Voraussetzung für inno- vative, unternehmerisch agierende Teams. Unter Psychological Safety wird verstanden, dass Teammitglieder sich sicher füh- len, Risiken einzugehen, und keine Angst vor negativen Kon- sequenzen für ihr Selbstbild, ihren Status oder ihre Karriere fürchten. Diese Sicherheit herzustellen, ist eine Kernaufgabe der Personalentwicklung. Grenzen und Risiken der Corporate Entrepreneurship Müssen nun alle Unternehmen(-sbereiche) eine Start-up-Kul- tur haben? Müssen alle Führungskräfte die Krawatten ablegen, sich alle duzen und Meetings an den Tischkicker verlegen? Sicherlich nicht. Aber jedes Unternehmen steht unter dem al- ternativlosen Zwang, sich permanent erneuern zu müssen und innovativ zu sein. Gemäß Schumpeters Prinzip der „schöpfe- rischen Zerstörung“ besteht die Ökonomie aus einem perma- nenten Wettkampf von Ideen und Innovationen, neue Ideen verdrängen alte und Unternehmen, die sich nicht verändern, werden von denjenigen verdrängt, die innovativer sind. Die Förderung des Unternehmertums imUnternehmen ist eine Art Überlebensstrategie für Unternehmen. Hinzu kommt, dass die Start-up-Kultur nicht nur ein Spiegel der veränderten Bedürfnisse der jungen Generation ist, son- dern umgekehrt auch die Erwartungen von Mitarbeitern an das Unternehmen verändert. Viele Beschäftigte erwarten heu- te ein größeres Maß an Autonomie und Sinnhaftigkeit bei der Arbeit. Dabei besteht ein Unternehmen nicht nur aus jungen Mitarbeitern, sondern beschäftigt auch ältere Leistungsträger, die es gewohnt sind, in einem hierarchischen Umfeld mit ei- ner klassischen Top-down-Entscheidungshierarchie gemäß des Management-by-Objectives-Ansatzes erfolgreich zu arbeiten. Hier ist die schwierige Aufgabe für Führungskräfte und HR, ei- ne neue Kultur zu fördern und gleichzeitig die Fähigkeiten und Erfahrungen aller Mitarbeiter in die neue Kultur mitzuneh- men. Das ist in großen Unternehmen sicherlich eine schwie- rige Aufgabe, da es dort viele Mitarbeiter und Bereiche gibt, die auf den ersten Blick wenig geeignet scheinen, unternehme- risches Denken und Handeln zu entwickeln, und in denen es heute aus nachvollziehbarem Grund klare Verantwortungen, Aufgaben und Prozesse gibt – etwa im Gebäudemanagement, der Kantine oder der Buchhaltung. Bei genauer Betrachtung können aber auch in diesen Bereichen durch Ideen und stär- kere Eigenverantwortung der Mitarbeiter die Qualität und Effi- zienz der Produkte bzw. der Dienstleitung verbessert werden. Als Analogie mag der Ansatz der „Lean Production“ (Womack et al., 1990) dienen – der ursprünglich nur auf produzierende Bereiche angewendet wurde, heute jedoch in allen Bereichen des Unternehmens Anwendung findet. Ein wenig Erfolg versprechender Ansatz, den manche Un- ternehmen beschreiten, um die Kultur einer Corporate En- trepreneurship zu fördern, besteht darin, Mitarbeiter aus erfolgreichen Start-ups in das Unternehmen zu holen – in der Hoffnung, dass diese die Kultur des Unternehmens verändern. In der Regel ist die vorhandene Kultur aber bei Weitem mäch- tiger, als dass die strategisch motivierte Einstellung einzel- ner Personen diese ändern könnte – oder mit den Worten von Schein: „Culture eats strategy for breakfast“(Schein, 2010). Ein aktuelles Beispiel ist die Einstellung von Johann Jungwirth (ehemals Google) bei Volkswagen als „Chief Digital Officer“ und Hoffnungsträger, der das Unternehmen kürzlich wieder verlassen hat und in die Start-up-Welt zurückgekehrt ist. Eine bisher wenig beachtete unerwünschte Nebenwirkung einer Start-up-Kultur im Unternehmen ist, dass Unternehmer- tum auch Risiken der psychischen und physischen Überlastung in sich trägt. Hohe Identifikation mit der Aufgabe, eigenver- antwortliches Treffen von Entscheidungen, der Umgang mit Risiken und hoher zeitlicher Arbeitsbelastung können zwar die
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