PERSONALquarterly 4/2019
31 04/19 PERSONALquarterly keiten und Einstellungen im Fokus, die später eine schnelle Integration der neuen Kollegen ins Unternehmen und einen langfristigen Beitrag zu kapitalisierbaren Innovationen leisten. Doch lässt sich die Liste an förderlichen Eigenschaften aus der Entrepreneurship-Forschung auf die Angestellten größerer Unternehmen und Konzerne übertragen? Wenn die Unternehmenskultur auf das unternehmerische Denken und Handeln des Einzelnen ausgerichtet ist und die strategische Orientierung ebenfalls auf Corporate Entrepreneur- ship basiert, sollten für Mitarbeiter dieser Unternehmen diesel- ben Anforderungen angelegt werden, wie sie im Start-up- und KMU-Umfeld gelten. Allerdings basieren die meisten Ergebnisse aus der Entrepreneurship-Forschung auf einer Betrachtung der CEOs bzw. des Topmanagements, welche definitionsgemäß al- lein verantwortlich handeln und entscheiden. Auf Angestellten ebene hingegen müssen die Persönlichkeitsprofile nicht ebenso hohe Ausprägungen auf den relevanten Dimensionen zeigen, sofern durch eine geschickte Teamzusammenstellung Schwä- chen kompensiert werden können und sich Eigenschaften (z. B. Kreativität), Wissen (z. B. Expertenwissen oder Netzwerke) und Motive (z. B. Leistungsmotivation) ergänzen. Aus den drei Dimensionen unternehmerischer Ausrichtung – Risikoneigung, Innovationspotenzial und Proaktivität – las- sen sich für die Personalauswahl direkt individuelle Anforde- rungen ableiten (vgl. Abb. 2). Demgemäß sollten neue Mitarbeiter über eine gewisse Risi- koneigung verfügen. Hiermit ist jedoch nicht prinzipiell riskantes Verhalten gemeint, sondern es wird vielmehr darauf abgehoben, die Mitarbeiter zu ermutigen, auch einmal gewohnte Pfade zu verlassen und Neues auszuprobieren sowie sich von Rückschlä- gen nicht entmutigen zu lassen. Beides stellt zugleich wichtige Voraussetzungen für individuelle Kreativität dar, welche wie- derum zum Innovationspotenzial auf organisationaler Ebene beiträgt (Palmer/Cesinger/Gelléri/Putsch/Winzen, 2015). Krea- tivität geht mit Neugier, Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen und Extraversion einher. Alle drei sind Eigenschaften, die nicht nur Kreativität begünstigen, sondern auch eine schnelle Vernet- zung zwischen Personen und Informationen ermöglichen und so- mit die Arbeit in agilen Teams erleichtern. Proaktivität zeigt sich bei Mitarbeitern darin, dass sie Chancen erkennen und darauf basierend Initiative zeigen und Maßnahmen ergreifen um diese Chancen zu realisieren, auch wenn sie hierbei ihre Umgebung beeinflussen müssen und es gegebenenfalls länger durchzuhal- ten gilt, bis bedeutende Veränderungen eintreten. Im Gegenzug hierzu sind nichtproaktive Personen passiv und reaktiv. Weder erkennen sie Möglichkeiten, noch versuchen sie, Situationen oder Dinge zu ändern und ziehen es vor, sich den Umständen anzupassen (Bateman/Crant, 1993). Durchsetzungsstärke (häu- fig: Dominanz) und wahrgenommene Handlungskontrolle sind Persönlichkeitseigenschaften, die proaktives Verhalten fördern und zum Unternehmenserfolg beitragen (Palmer et al., 2019). Eine weitere wichtige, übergeordnete Fähigkeit, die Unter- nehmertum begünstigt, ist die Lernfähigkeit. Wie Riess (2011) beschreibt, ist „Validated Learning“ die wichtigste Fähigkeit, die ein Start-up entwickeln muss, das heißt, im Sinne eines „Fail Fast“ vieles auszuprobieren und aus den Erfahrungen neue Ideen generieren zu können. Für alle genannten Anforderungen liegen geprüfte und ge- eignete diagnostische Verfahren vor. So lässt sich Kreativitäts- potenzial bspw. anhand eines Leistungstests (Palmer, 2016) oder Proaktivität im Selbstbericht (Bateman/Crant, 1993) erfassen. Um eine möglichst genaue Vorhersage späterer be- ruflicher Leistung zu ermöglichen und zugleich einen breiten Eindruck von Bewerbern zu erlangen, empfiehlt sich der Ein- satz verschiedener, komplementärer Verfahrensklassen (z. B. mündliches Interview, messtheoretisch fundierte Fragebogen oder Tests, Verfahren zur Verhaltensbeobachtung und -beurtei- lung) (Kersting, 2010; Palmer/Kersting, 2017). Unterstützung bei der Auswahl von Verfahren bietet die Balanced Scorecard der Eignungsdiagnostik (Palmer/Kersting, 2017), welche in Abbildung 3 dargestellt ist. Sie ermöglicht den jeweiligen An- wendungshintergrund zu berücksichtigen und Verfahren nach ihren psychometrischen Hauptgutekriterien, ihrer Passung zum Kunden, ihrer Nützlichkeit und Effizienz sowie ihrer Pas- sung zur Organisation umfassend zu bewerten. Personalentwicklung und Corporate Entrepreneurship Corporate Entrepreneurship erfordert die kontinuierliche Reflexion von Prozessen und Produkten und eine hohe Ver- änderungsbereitschaft seitens der Mitarbeiter. HR sollte die Angestellten (aber auch externe Berater, Leiharbeiter und Praktikanten) wie auch das Management dabei begleiten. Um unternehmerisches Denken und Handeln zu fördern, sind ins- besondere zwei Faktoren entscheidend. Zunächst ist Arbeit so zu gestalten, dass sie die Fähigkeiten derMitarbeiter optimal zur Geltung kommen lassen kann und damit fortlaufend zu innova- tiven Beiträgen motiviert. Autonome und eigenverantwortlich handelnde Teams ohne klassische hierarchische Führung, wie sie derzeit unter dem Oberbegriff „New Work“ Einzug halten, sind hierbei prinzipiell ebenso geeignet wie herkömmliche hie- rarchisch organisierte Abteilungen, sofern die Führungskräfte auch hier eigenverantwortliches Arbeiten fordern und fördern. Welche Form der (Zusammen-)Arbeit gewählt wird, sollte nicht per se entschieden werden (etwa um einem aktuellen Trend zu folgen), sondern muss auf die Aufgaben und Teammitglieder ab- gestimmt sein. Und vor allem müssen sich Arbeitsformen über die Zeit auch wieder verändern dürfen. Denn: Agilität erbringt Flexibilität, erfordert diese aber auch. Der zweite entscheidende Faktor für Corporate Entrepreneur- ship umfasst motivationale Aspekte, die aus der Identifizierung mit den Unternehmenszielen entstehen. Waren frühere Karrie- ren noch von einer Entwicklung von Arbeitnehmern innerhalb
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