PERSONALquarterly 4/2019

20 PERSONALquarterly 04/19 SCHWERPUNKT _CORPORATE ENTREPRENEURSHIP in einer erhöhten Arbeitsbelastung und Unzufriedenheit der verbliebenen Kollegen. Dies zeigt, dass die Mitwirkung von Mitarbeitern sowohl von ihnen selbst als auch von ihren Vor- gesetzten kritisch aufgenommen werden könnte. Um dieser Problematik zu begegnen und die Motivation für die Aufnahme derartiger Tätigkeiten zu erhöhen, sollten alternative Karriere- pfade und Belohnungssysteme für partizipierende Mitarbeiter und deren Führungskräfte implementiert werden. So kann si- chergestellt werden, dass eine innovationsorientierte Tätigkeit keine Karrierenachteile, sondern neue Perspektiven bietet. Implementierung und Business Lab Die Weiterentwicklung eines Innovationsprojekts mittels agi- ler Methoden wie Lean Startup, Design Thinking und Scrum stellt Projektteams vor Herausforderungen. Zunächst muss ein Wertversprechen (Value Proposition) für den Kunden for- muliert werden. Dieses Wertversprechen sollte mithilfe eines kostengünstigen Prototyps umgesetzt werden, damit es durch Kundenfeedback validiert werden kann. Im Projektverlauf ist es zudem wichtig, kontinuierlich die technische Umsetzbar- keit und Funktionsfähigkeit der anvisierten Lösung sicherzu- stellen. Die Validierung erfolgt dabei in schnellen Lernzyklen anhand sog. Minimal Viable Products und wird durch Kun- dentests erprobt. Die Tests liefern quantifizierbare Ergebnisse, welche Funktionalitäten Nutzer von einer Lösung erwarten. Diese Herangehensweise ermöglicht es den Projektteams, belastbare Entscheidungen auf Basis empirischer Ergebnisse anstelle eines subjektiven Bauchgefühls zu treffen. Um zeitlich ambitionierte Ziele zu erreichen und regelmäßiges Feedback zu Prototypen zu erhalten, greifen die Projektteams auf Scrum zurück. Die Scrum-Methode sieht vor, in wöchentlichen oder monatlichen Arbeitszyklen, sog. Sprints, zu arbeiten. Die organisatorische Umsetzung von Innovationsprojekten wird dadurch erschwert, dass diese Projekte parallel zum Tagesgeschäft durchgeführt werden müssen. An dieser Stel- le sollten die Vorteile von Ambidextrie genutzt werden. Die Erkenntnisse aus durchgeführten Projekten am „TecUP“ und der einschlägigen Innovationsliteratur sind, dass strukturell und örtlich klar vom Tagesgeschäft abgegrenzte Freiräume eine wichtige Voraussetzung für das freie, kreative und fehler­ tolerierende Experimentieren von Projektteams darstellen (Pisano, 2019; Sharma/Chrisman, 1999). Hilfreich hinsicht- lich der Umsetzung von Tests ist die Einrichtung von örtlich wie auch strukturell abgetrennten Business Labs. In Business Labs gelten organisatorische Regeln des Tagesgeschäfts nur eingeschränkt. Bürokratisch hemmende Richtlinien kön- nen umgangen werden, um das unternehmerische Handeln von Mitarbeitern zu fördern. Temporäres Abschalten von Kommunikationskanälen wie E-Mail, Telefon und Messenger- Diensten stärkt Fokussierung und Kreativität. Hierzu sind nicht zwangsläufig hohe Investitionssummen notwendig. Be- reits mit geringen Mitteln können bestehende Räumlichkeiten abgegrenzt und umfunktioniert werden. In einem Business Lab können ein oder mehrere Innovationsprojekte parallel in Richtung eines funktionsfähigen Geschäftsmodells entwickelt werden. Ein angeschlossener Co-Working-Bereich erleichtert den Austausch der Mitarbeiter verschiedener Projekte und för- dert den gegenseitigen Lernprozess. Integration und potenzielle Ergebnisse Der letzte Prozessschritt behandelt offene Fragen, wie nach der Entwicklung der Geschäftsmöglichkeiten verfahren werden soll. Im Rahmen dieser Integrationsphase wird das Potenzi- al der Geschäftsmöglichkeiten anhand diverser Kriterien wie z. B. Skalierbarkeit evaluiert. Dieses Vorgehen erleichtert die Entscheidungsfindung, ob die explorierten Projekte aus dem Business Lab weitergeführt werden sollen, und wenn ja, in welcher Organisationsstruktur. Grundlegend für die Wei- terführung der Innovationsprojekte ist die Entscheidung, inwieweit die Projektergebnisse in das bestehende Produkt- portfolio integrierbar sind. Es bedarf einer vorausschauenden Unternehmenskommunikation, um rechtzeitig alle Mitglieder der Geschäftsführung bzw. des Topmanagements einzubinden. Unzureichende oder zu späte Kommunikation der Projektinhalte an relevante Entscheidungsträger kann erhebliche organisato- rische Widerstände erzeugen. Im schlimmsten Fall führen diese mikropolitischen Gegebenheiten sogar zum Abbruch eigentlich Erfolg versprechender Innovationsprojekte. Bei der organisatorischen Umsetzung von Innovationspro- jekten ergeben sich drei grundlegende strategische Optionen: Reintegration, Spin-off und Explorationsstopp. Die erste Option ist, das Innovationsprojekt in die bestehende Organisation zu reintegrieren. Die Gefahr hinsichtlich einer Reintegration ist allerdings, dass bestehende Strukturen der Muttergesellschaft Widerstände erzeugen, die ein Wachstum verlangsamen oder gar verhindern. Die zweite Option sind Spin-offs. Unter Spin- offs werden ausgegründete Organisationseinheiten verstanden, in der Mitarbeiter der Muttergesellschaft zum Einsatz kom- men. Kernvorteil ist, dass eine solche autonome Einheit mit hoher Geschwindigkeit und mit geringerem Widerstand abseits hemmender Strukturen der Muttergesellschaft wachsen kann. Zudem könnten abweichende arbeitsvertragliche Konditionen zu Kostenvorteilen gegenüber der Muttergesellschaft führen. Zuletzt besteht die Möglichkeit eines Explorationsstopps, der eine Beendigung des Innovationsprojekts vorsieht. Dies sollte nicht negativ konnotiert sein. Ziel agiler Innovationsprojekte ist es, neue Ideen schnell und kostengünstig auf ihre Realisier- barkeit zu überprüfen. Wenn Wege in Sackgassen führen, ist dieser Erkenntnisgewinn ein entscheidender Startpunkt für weitere Explorationsmaßnahmen. Ein Explorationsstopp kann jedoch auch temporär ausgelegt sein, z. B. wenn die gewon- nenen Erkenntnisse darauf hindeuten, dass entweder personelle

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