03 / 13  personalquarterly
            
            
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              ist vereinbar mit der These einer expressiven Funktion des
            
            
              Rechts: Das AGG trägt bei zur Verbreitung von Normen, die die
            
            
              Chancengleichheit fördern. Der Rückgang nichtneutraler For-
            
            
              mulierungen ist dort besonders stark, wo das AGG zum ersten
            
            
              Mal der Norm gesetzlichen Ausdruck verleiht (beim Kriterium
            
            
              Alter), und dort, wo die Norm vermutlich wenig bekannt war
            
            
              (bei den kleineren Unternehmen).
            
            
              Unsere Studie wirft wichtige Folgefragen auf, die in weiter-
            
            
              führenden Studien untersucht werden sollten.
            
            
              Erstens ist fraglich, ob über die Zeit, also von Jahr zu Jahr,
            
            
              Veränderungen festzustellen sind. Durch neue Gerichtsurteile
            
            
              könnten Arbeitgeber sensibilisiert werden. Denkbar ist jedoch
            
            
              auch, dass nach Inkrafttreten des AGG mehr neutrale Stellen-
            
            
              anzeigen formuliert worden sind, dass jedoch nach Ausbleiben
            
            
              der Klagewelle wieder mehr nichtneutrale Anzeigen zu finden
            
            
              waren.
            
            
              Zweitens sollten noch mehr Stellenanzeigen untersucht wer-
            
            
              den, sodass feingliedrigere Analysen ermöglicht werden. In
            
            
              unserer Studie wurden die Unternehmen nur in große und
            
            
              kleine unterteilt und auch nur zwei grobe Berufskategorien
            
            
              unterstellt.
            
            
              Drittens sollte die Rolle von Personalberatungen untersucht
            
            
              werden.
            
            
              In unserer Studie gibt es erste Hinweise darauf, dass Perso-
            
            
              nalberatungen eher häufiger Stellenanzeigen veröffentlichen,
            
            
              die nichtneutral sind. Wenn sich dies erhärten würde, wäre
            
            
              dies ein problematischer Befund, weil unter Umständen die
            
            
              auftraggebenden Arbeitgeber für solche Stellenanzeigen be-
            
            
              langt werden können.
            
            
              Immer noch muss beinahe jede vierte Stellenanzeige im
            
            
              Jahr 2010 als nichtneutral im Sinne des AGG gelten, und die
            
            
              meisten nichtneutralen Formulierungen beziehen sich auf das
            
            
              Geschlecht. Das heißt, es werden in beinahe jeder vierten Stel-
            
            
              lenanzeige entweder nur Frauen oder nur Männer angespro-
            
            
              chen. Dieser Anteil ist deutlich höher als in der Studie von Kern
            
            
              (2009), der jedoch eine andere Methodik verwendet.
            
            
              
                AGG: Noch kein großer Erfolg
              
            
            
              Auch wenn die Diskussionen um das AGG weitgehend ver-
            
            
              stummt sind, ist es in jedem Fall verfrüht, von einem großen
            
            
              Erfolg des AGG zu sprechen. Warum sich nichtneutrale Formu-
            
            
              lierungen gerade im Hinblick auf das Geschlecht weiterhin so
            
            
              hartnäckig halten, muss in dieser Studie offen bleiben.
            
            
              Zu vermuten ist, dass die faktische Berufssegregation nach
            
            
              Geschlecht, also die Tatsache, dass es viele typische Männer-
            
            
              und viele typische Frauenberufe gibt (Beblo/Heinze/Wolf,
            
            
              2008), in den Köpfen der Arbeitgeber immer noch stark veran-
            
            
              kert ist. Daher werden bewusst oder unbewusst für eine Stelle
            
            
              Beschäftigte eines bestimmten Geschlechtes gesucht oder je-
            
            
              denfalls mit der Formulierung in der Stellenanzeige angespro-
            
            
              chen. Das ist problematisch. Denn nichtneutral formulierte
            
            
              Stellenanzeigen schrecken mit hoher Wahrscheinlichkeit eines
            
            
              der Geschlechter allein durch die Formulierung in der Anzeige
            
            
              von einer Bewerbung ab. Damit entgehen den Unternehmen
            
            
              jedoch Beschäftigte, die womöglich fachlich am besten auf die
            
            
              ausgeschriebene Stelle passen würden.
            
            
              Zudem wird damit die Berufssegregation nach Geschlecht
            
            
              fortgeschrieben. Angesichts des demografischen Wandels kön-
            
            
              nen es sich Arbeitgeber jedoch künftig immer weniger leisten,
            
            
              allein durch die Formulierung den Bewerberpool so stark zu
            
            
              begrenzen.
            
            
              
                Nichtneutrale Anzeigen beeinträchtigen das Recruiting
              
            
            
              Unsere Studie hat wichtige praktische Implikationen, denn
            
            
              nichtneutrale Stellenanzeigen können die Personalgewinnung
            
            
              beeinträchtigen, was sich Arbeitgeber angesichts der demogra-
            
            
              fischen Entwicklung nicht leisten können.
            
            
              Nichtneutrale Stellenanzeigen verkleinern den Bewerber-
            
            
              pool direkt, weil bestimmte Gruppen von einer Bewerbung
            
            
              abgeschreckt werden. Unseren Ergebnissen zufolge sind dies
            
            
              entweder Männer oder Frauen, je nach Beruf. Seltener werden
            
            
              ältere Personen von einer Bewerbung abgeschreckt, doch ganz
            
            
              verschwunden sind solche Anzeigen dennoch nicht.
            
            
              Zusätzlich wird die Personalgewinnung indirekt erschwert.
            
            
              Denn wenn immer mehr Arbeitgeber Stellenanzeigen neutral
            
            
              formulieren, fallen Arbeitgeber mit nichtneutralen Stellen
            
            
              anzeigen stärker auf. Das gilt insbesondere für die kleineren
            
            
              
                Abb. 4:
              
            
            
              
                Anteil nichtneutraler Stellenanzeigen
              
            
            
              
                nach Unternehmensgröße
              
            
            
              Quelle: Eigene Darstellung
            
            
              0
            
            
              2005
            
            
              < 250 AN
            
            
              2010
            
            
              10
            
            
              20
            
            
              30
            
            
              50
            
            
              60
            
            
              40
            
            
              70
            
            
              >= 250 AN
            
            
              65
            
            
              22
            
            
              28
            
            
              23
            
            
              Nichtneutral
            
            
              (in %)
            
            
              Jahr