Immobilienwirtschaft 1/2024

KLARA GEYWITZ Ein Arbeitsbesuch bei der Bundesbauministerin IMMOBILIENBEWERTUNG Etabliert sich KI, wird die klassische Wertermittlung ganz anders ENERGETISCHE SANIERUNG Mangelnde Energieeffzienz erzeugt Schrottimmobilien – was zu tun ist IMMOBILIEN WIRTSCHAFT NEUE PERSPEKTIVEN BAUEN · 01 / 2024 Mat.-Nr. 06228-5264 EINFACH EINEN DRAUF SETZENWÄRE SCHÖN – DOCH IN DER PRAXIS IST AUFSTOCKEN PROBLEMATISCH PLUS REGIONREPORT BERLIN

„AUCH EINE FACHREDAKTION KANN JETZT NICHT MEHR VÖLLIG UNPOLITISCH SEIN. NOCH FINDET DIE DEMOKRATIEDEBATTE NUR ONLINE STATT. DOCH SIE KÖNNTE BALD INS HEFT SCHWAPPEN." Liebe Leserinnen, liebe Leser, ein Fachmagazin ist ein Fachmagazin ist ein Fachmagazin. Es beschreibt und erklärt, ist in der Regel nicht investigativ, polarisiert nicht. Politisieren ist nicht sein Job. Und doch sind wir alle politisch, ringen damit, wie wir die Demokratiedebatte medial begleiten. Auch bei anderen Immobilienzeitschriften, in sozialen Medien, in Fachredaktionen der Haufe Group findet diese Diskussion statt. Bauträger, denen die Aufträge wegbrechen, Wohnungsgesellschaften, die keine Wohnungen mehr bauen können, Makler, die kaum mehr noch Transaktionen tätigen, Vermieter, die aus der Speed-Förderung bei der Heizungsmodernisierung gefallen sind, hadern und zögern. Im Job warten viele ab. Doch die Immobilienbranche ist ein Abbild der Gesellschaft. Jedenfalls politisch werden einige Branchenmitglieder aktiv, engagieren sich hier und dort, auch für die AfD, wie zu hören ist. Die Hoffnung scheint zu sein, dass die Partei etwa alle hemmenden Vorschriften zu energetischer Sanierung & Co. abschaffen wird. Schon möglich, leugnet sie ja die Existenz einer Klimakrise. Die EU wäre dann auch nicht mehr wichtig, denn die will man ja modifizieren oder am besten ganz verlassen. Ein Fachmagazin ist ein Fachmagazin. Aber gänzlich unpolitisch kann es in dieser Zeit nicht sein. Die politische Diskussion werden wir auf L’Immo beginnen. Und – da bin ich ganz sicher: Sie wird hineinschwappen in dieses Heft. Ich meine, die Zeit erfordert, die Definition eines Fachmagazins zu überdenken. Hören Sie rein in L'Immo (S.38), sprechen Sie mich an, auf LinkedIn oder per Mail. Ihr Dirk Labusch dirk.labusch@immobilienwirtschaft.de Hier geht‘s zur Immobilienwirtschaft digital 3 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 Editorial

03 EDITORIAL 04 INHALT 08 KALEIDOSKOP 12 Menschen & Märkte 12 RETAIL & MIXED USE Was alles geht bei den Einzelhändlern 18 CORE OLDENBURG Ein Leuchtturm in der Innenstadt 40 Schwerpunkt Thema 40 MIPIM 2024 – EINE VORSCHAU Die Themen deutscher Branchenunternehmen und ihre Diskussionsorte 46 TITELTHEMA: AUFSTOCKUNG Einfach einen drauf setzen – ist nicht so leicht. Der Praxischeck 54 PARIS 2024 Das olympische Dorf als Klimamodell 58 BÜROIMMOBILIEN Der Wettbewerb um die Office-­ Mieter nimmt merklich zu 62 REAL ESTATE DEPT FUNDS Wenn die gängigen Geldquellen versiegen ... 20 NEUE MODELLQUARTIERE State of the Art – vier Muster- wohnviertel im DACH-Raum 24 KLARA GEYWITZ Dirk Labusch war zum Arbeitsgespräch bei der Bundesbauministerin 26 CAMPUS & YOUNG LEADERS Immobilien-Azubis & Arbeitswelt, Young Talents & Mipim und mehr 32 KOLUMNE EIKE BECKER Willkommensstädte 34 PORTRAIT ALEXANDRE GRELLIER „Aufgeben gilt nicht“, so das Credo des Drooms-Gründers 38 L'IMMO AKTUELL Brandenburger Hof Gespräch, neue Marktideen, Branchenhoffnungen ... S C H W E R P U N K T MIPIM VORSCHAU 40 20 4 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 Inhalt Ausgabe 01/2024

68 WIEDERSEHEN MACHT FREUDE Fachkräftemangel: Wachsende Bumerang-Effekte beim Personal 72 STADTENTWICKLUNG Das einzigartige Val d’Europe ist viel mehr als bloß Disneyland 76 INFOGRAFIK Wohnungsmarkt – die Leerstandsquote tendiert vielerorts gegen Null 78 Regionreport Berlin 78 IMMOBILIENMARKT BERLIN 2024 – das Jahr der Chancen 82 BERLINER UNTERNEHMERRUNDE Die Stadt braucht Wohnungen – denn ohne sie gibt es auch keine Büros 88 FACHMEDIENTIPPS Bauwende, Immo-BWL, Quartiers- bildung, Kreislaufwirtschaft & mehr 90 Verwaltung & Vermarktung 90 PROPERTY MANAGEMENT Im Trend: Verwaltung light 96 IMMOBILIENBEWERTUNG Etabliert sich KI, wird die klassische Wertermittlung ganz anders 101 AUTOMATED VALUATION Die Bewertungsqualität per Klick wird besser – doch sie hat Grenzen 102 RECHTSPRECHUNG Beleidigung, Lügen, Vorkenntnis und mehr 108 VERTICAL WORLD Timber Pioneer & Empire State Building 78 72 110 Nachhaltigkeit & Technologie 110 KÜNSTLICHE INTELLIGENZ Power für die Branchensoftware 118 ENERGETISCHE SANIERUNG Vorsicht, Schrottimmobilien! 122 KUNST AM BAU Glasarbeiten im Familienministerium 126 DENK ICH AN IMMO ... Tobias Freudenbergs Juristensicht 128 VORSCHAU/ IMPRESSUM 130 CULTURE CLUB Sabine Georgis „Ode an das Schicksal“ 6 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 Inhalt Ausgabe 01/2024

Kaleidoskop Meldungen 8 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 NEUE TRENDS RUND UM DIE WELT 80 Prozent der Wärmeerzeugung in Deutschland entfallen auf fossile Brennstoffe wie Gas und Öl, so der Dena-Gebäudereport 2024. Lichtblick: Bei Neubauten dominiert seit 2021 die Wärmepumpe. Von beispielhaften Gebäuden in den wichtigsten Anlageklassen der Immobilienbranche bis hin zu gemischt genutzten und Stadterneuerungsprogrammen werden die Gewinner der MIPIM Awards 2024 eines gemeinsam haben: ein ganzheitliches Engagement für Nachhaltigkeit. Die Jury wird sich in diesem Jahr auf Projekte konzentrieren, die darauf abzielen, die Aussichten der gebauten Umwelt im Einklang mit ESG-Zielen zu verbessern. Von der Betrachtung des Bau- und Betriebskohlenstoffs bis hin zu Klima- und Lebenszyklusaspekten gehen die Preise hauptsächlich an Projekte, die ihren Endnutzern und größeren Gemeinden am besten dienen und gleichzeitig einen Beitrag zur Wirtschaft leisten. In der Kategorie „Bestes Konvertierungsprojekt“ wurde das Gebäude Werk 4 im Werksviertel-Mitte in München des Unternehmens OTEC (Architekt: steidle architekten, Entwickler: OTEC GmbH & Co. KG) nominiert. Als „Bestes Industrie- und Logistikprojekt“ (im Bild) geht unter anderem die Logistikimmobilie „Positiver Fußabdruck Wearhouse“ auf einem revitalisierten Bergbaustandort in Dorsten ins Rennen, die nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip gebaut wurde (Architekten: Quadrant4, Phase5, Entwickler: Delta Development). Und in der Kategorie „Bestes Büro- und Geschäftsprojekt“ tritt das neue Bürogebäude Area an der Darwinstraße in Berlin an (Architekt: Grüntuch Ernst Architects, Entwickler: PE Darwin 1 GmbH). Die endgültigen Gewinner werden bei der Preisverleihung bekannt gegeben, die am 14. März 2024 während der MIPIM im Palais des Festivals in Cannes stattfinden wird. MIPIM Awards 2024 Drei deutsche Projekte unter den Finalisten „Hallo Nachbar“ ist Deutschlands beste Mieterzeitung Dass ein Mietermagazin so gut gemacht sein kann wie die großen Geschwister am Kiosk, beweist „Hallo Nachbar“, das Magazin der Gesobau Berlin. „Hallo Nachbar“ wurde am im November 2023 im Rahmen des Tages der Wohnungswirtschaft vom Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW als Deutschlands beste Mieterzeitung ausgezeichnet. Die achtköpfige Fachjury wählte aus rund 180 Bewerbungen die beste Zeitung in den Kategorien kleine, mittelgroße und große Wohnungsunternehmen. Bewertet wurden unter anderem Themenauswahl und -vielfalt, Layout und Gesamtkonzept. Das Mietermagazin der Gesobau entschied den Wettbewerb in der Kategorie „Große Unternehmen mit mehr als 10.000 Wohneinheiten“ für sich. Das Mietermagazin der GESOBAU erscheint seit 1992 vier Mal im Jahr mit einer Auflage von 48.000 Exemplaren und wird den Mietern kostenlos zugestellt.

9 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 Mainz ist Super-Stadt 2023 Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln den jährlichen Großstadtvergleich aller deutschen Städte mit über 100.000 Einwohnern erhoben. Der Vergleich setzt sich aus drei Rankings zusammen: Dem Niveauranking (Arbeitsmarkt, Wirtschaftsstruktur, Lebensqualität und Immobilienmarkt), dem Dynamikranking und dem Nachhaltigkeitsindex, der 22 Indikatoren aus den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales umfasst. Die Ergebnisse: Mainz (im Bild) bleibt dynamischste Stadt Deutschlands und klettert auf Platz zwei im Niveauranking, das weiterhin vom langjährigen Spitzenreiter München angeführt wird. Heidelberg siegt bei der Nachhaltigkeit und verdrängt Wolfsburg von Platz eins. Die hinteren Plätze gehen unverändert an Herne, Duisburg und Gelsenkirchen. Die Metropolen zeigen eine besondere Dynamik: Hamburg ist der Aufsteiger des Jahres. Sechs von sieben Metropolen liegen in den Top-15. Nur Stuttgart schneidet auf Platz 57 deutlich schwächer ab. Berlin bleibt Schlusslicht der Metropolen. Datum: 3. – 8. März 2024 Ort: Messe Frankfurt, Halle 9.0, Building Plaza Die Light+Building in Frankfurt am Main zeigt vom 3. bis 8. März 2024 Systeme für eine höhere Energieeffizienz in Gebäuden. Erstmals findet hier zudem der Kongress Energiewendebauen statt. Auf der Light+Building wird auch die 12. Internationale Konferenz (6. + 7. März) zur Verbesserung der Energieeffizienz in Gewerbegebäuden und intelligenten Gemeinschaften (IEECB&SC'24) und Europäische ESCO-Konferenz abgehalten. TERMINE Auch das Forum neue Energiesysteme zur E-world hat die Energieeffizienz von Gebäuden zum Schwerpunkt. Datum: 20. - 22. Februar 2024 Ort: Messe Essen Rückenwind für Mieterstrom Das Haushaltsloch der Bundesregierung wirkt sich auch auf die Kosten für die Energieversorgung in Deutschland aus. Die Betreiber der Stromübertragungsnetze verdoppeln die Entgelte seit Jahresbeginn von 3,12 Cent auf 6,43 Cent pro Kilowattstunde. Das Netzentgelt ist die Gebühr, die alle Netznutzer an den Netzbetreiber zahlen müssen, die Strom durch das Versorgungsnetz leiten. Für Haushaltskunden ist es ihr jeweiliger Stromlieferant. Er stellt den Endverbrauchern diese Kosten in Rechnung. Nicht so beim Mieterstrom, denn dabei wird der Solarstrom vom Dach des Mietshauses ohne Umwege in das hauseigene Netz eingespeist. Und im Gegensatz zum öffentlichen Netz entfallen beim Mieterstrom Netzentgelte, Umlagen, Stromsteuer und Konzessionsabgaben. Dass sich die Strompreise 2024 erhöhen, liegt auch an fehlenden Subventionen. Die Regierung hatte vor der Haushaltskrise geplant, die Netze mit 5,5 Milliarden Euro zu unterstützen; diese Subvention entfällt nun.

Kaleidoskop Meldungen 10 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 Siegfried erkundet die Erdbebengefahr Tiefe Geothermie kann zuverlässig, bezahlbar und nachhaltig Wärme für Kommunen und Industrie liefern. In der Vergangenheit kam es beim Betrieb von geothermischen Anlagen jedoch immer wieder zu menschlich verursachten Erdbeben. Das Verbundvorhaben „Siegfried“ will nun dabei helfen, die Erdbebengefahr besser abzuschätzen. Das Vorhaben der Projektpartner Fraunhofer IEG, Ruhr-Universität Bochum, RWE Power und RWTH Aachen wird mit zwei Millionen Euro vom Wirtschaftsministerium gefördert. Das Verbundvorhaben will noch vor der Inbetriebnahme die Standortwahl verbessern und Unternehmen sowie Stadtwerken Daten zur Verfügung stellen. Das Projekt konzentriert sich auf die Niederrheinische Bucht, ein tektonisch und seismisch aktives Gebiet mit vielversprechendem geothermischem Reservoir. Dänemark hat mit dem Projekt „Basecamp Lyngby“ den Green Cities Europe Award 2023 gewonnen. Frankreich und die Niederlande belegten den zweiten und dritten Platz. Insgesamt hatten sich 13 Projekte aus ebenso vielen europäischen Ländern beworben. Das Siegerprojekt in einem Kopenhagener Vorort ist eine ungewöhnlich gestaltete Wohnanlage für Studierende und Senioren. Die internationale Fachjury lobte die Kohärenz in der Architektur des Gebäudes und seiner Umgebung. Der soziale Zusammenhalt wurde hoch bewertet, da die Bewohner viel (Außen-) Raum haben, um sich zu treffen. Nahezu alle Juroren lobten auch den Ansatz der biologischen Vielfalt mit der Verwendung einheimischer Bepflanzung. „Green Cities Europe Award“ 2023 Dänemark gewinnt Immobilien wurden 2023 im Wert von insgesamt 3,87 Milliarden Euro zwangsversteigert, eine leichte Erhöhung zum Vorjahr (12.077 Einheiten). Zu diesem Ergebnis kommt die Ratinger Argetra, die regelmäßig die Daten des Zwangsversteigerungsmarktes in Deutschland erfasst. 12.332

11 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 Illustration: Thomas Plaßmann PLASSMANNS BAUSTELLE

12 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 Nichts ist unmöglich – dieser Slogan, mit dem vor vielen Jahren ein japanischer Autohersteller geworben hat, gilt aktuell für das Thema MIXED-USE-IMMOBILIEN der Einzelhändler. Ob Wohnungen, Kindertagesstätte oder eine Sportanlage auf dem Dach – stimmt der Standort für das Handelskonzept, suchen die Handelsriesen nach der bestmöglichen und wirtschaftlichsten Lösung für ihre Immobilien. Die Herangehensweise und die Transparenz, mit der Aldi, Lidl, Rewe und Kaufland agieren, ist dabei sehr unterschiedlich. TEXT Holger Hartwig 1 Menschen & Märkte Mixed Use ENTSCHEIDEND IST DAS STANDORTUMFELD

13 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 von sozial gefördertem Wohnraum gewünscht, wird auch das umgesetzt, wenn für uns das Gesamtpaket des Standortes passt.“ Flexibel ist Aldi Süd auch bei der Frage, ob selbst investiert oder mit Partnern agiert wird. Riemann, der seit 2013 für die Immobiliensparte tätig ist, erläutert: „Wir bevorzugen es eher, als Eigentümer zu agieren, aber auch alle anderen Konstellationen sind denkbar.“ Derzeit habe das Unternehmen etwa zwei Drittel aller genutzten Immobilien im Eigentum. Mit Blick auf die Mixed-Use-Objekte ergänzt er: „Für uns ist jedes Szenario denkbar. Wir agieren als Vermieter mit professioneller Verwaltung oder verkaufen Wohnungen und sonstige Nutzungsformen bei Interesse an Dritte.“ Bei Wohnraum werde auch marktgerecht agiert. „Es gibt keine speziellen Konditionen für Mitarbeitende“, so Riemann. WEITERE PROJEKTE IN DER PIPELINE Als Garant für den Erfolg bei der Realisierung von Standorten sieht Riemann die Zuverlässigkeit. „Wir werden immer mehr als Partner gesehen, der nicht nur seine Handelsflächen realisiert, sondern zuverlässig maßgeschneiderte Konzepte und Grundrisse für die Standorte entwickelt und umsetzt.“ So würden in diesem Jahr drei Projekte mit Wohnungen und Apartments in Waldbronn, Nürnberg und Pforzheim umgesetzt beziehungsweise abgeschlossen. „Weitere spannende Kombinationen werden folgen“, ist sich Riemann sicher. Unter der Mitwirkung von Jan Riemann ist bei Aldi Süd eine Organisationseinheit aufgebaut worden, die von der Projektentwicklung bis hin zum Facility Management das gesamte Spektrum abdeckt. Riemann, Group Director der Immobilien-Sparte: „Wir haben heute etwa 500 Mitarbeitende und bewegen jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag, wenn es um die laufende Instandhaltung und Modernisierung unserer aktuell etwa 2.000 Standorte oder Neubauten geht.“ Durch die Struktur mit insgesamt 24 Regionalbüros sei man zudem sehr breit aufgestellt. „Für uns ist es wichtig, dass wir bei allen Aktivitäten, die unsere Standorte betreffen, nah an den Menschen und im Austausch mit den regionalen Verantwortlichen sind“, so Riemann. AGIEREN WIE JEDER ANDERE AKTEUR DES IMMOBILIENSEKTORS Die Herangehensweise bei Aldi Süd kennt vier Grundtypen für die Standortgestaltung: Urban, Center, Standard, Außergewöhnlich und außerdem Mixed Use. Riemann: „Welches Konzept wo umgesetzt wird, richtet sich nach den örtlichen Gegebenheiten und Anforderungen. Das reicht vom rein funktionalen Bau auf der grünen Wiese bis zur Liegenschaft mit individuellem Schwerpunkt. Im Kern sind und bleiben wir ein Handelsunternehmen. Unser Ziel ist es, einen Standort so auszugestalten, dass er sich optimal an das Umfeld anpasst.“ So habe man beispielsweise bereits an Standorten Wohnungen, Studierendenheime oder Kindertagesstätten mit gebaut oder Flächen für andere Handelsbranchen integriert. Entscheidend sei bei der Frage, was projektiert und realisiert wird, am Ende die Wirtschaftlichkeit. „Da agieren wir wie jeder andere Akteur des Immobilien- und Handelssektors.“ Gebaut werde mit einer ressourcen- und flächenschonenden, zur Region passenden Bauweise; in der Regel ohne zusätzliche Flächenversiegelung. Auch Ladestationen für Elektroautos – über 700 Filialen werden Ende 2024 damit ausgestattet sein – gehörten heute in den Konzepten dazu. Könnten bei Investitionen Fördermittel in Anspruch genommen werden, werde diese Möglichkeit geprüft und auch genutzt. „Ist an einem Standort beispielsweise die Schaffung ALDI SÜD: NEU AUFGESTELLT MIT 500 MITARBEITENDEN Völlig neu ausgerichtet hat sich seit etwa drei Jahren die Aldi Süd Immobilienverwaltungs-GmbH & Co. oHG. Wenn es um die Handelsstandorte geht, gilt das Motto „Alles aus einer Hand“. 1 KÖLN GRÜNE HÖFE Über 100 Wohnungen sowie eine Kita befinden sich über einer Aldi-Süd-Filiale 2 ANNWEILERSTRASSE 17 Wohnungen für Studierende sind über einer Filiale in Landau entstanden 3 HAAR- JUGEND- STILPARK Gemeinsam mit der Oberbayerischen Heimstätte wurde in München eine Mischimmobilie mit Aldi-Filale, Büros und Wohnungen realisiert 3 2

Menschen & Märkte Mixed Use punkte. „Insbesondere in Metropolen ist Raum aber eben auch ein rares Gut. Wir konzentrieren uns mit Projektpartnern darauf, Gebäude und Grundstücke zu entwickeln, die einen modernen Markt vorsehen und gleichzeitig weitere Nutzungen ermöglichen“, schreibt Torsten Janke, Geschäftsführer Immobilien & Expansion. Man schaffe oft einen städtebaulichen Mehrwert mit gemischt genutzten Objekten. „Damit können wir den zum Teil akuten städtebaulichen Anforderungen gerecht werden und gleichzeitig ausreichend große Filialen in interessanten Lagen umsetzen. Das ist allerdings nicht die Regel und wird erst als Kompromisslösung in Betracht gezogen, wenn andere Optionen ausgeschöpft sind“, so Janke. Verantwortlich für die Entwicklung der Standorte zeichnen sich Immobilienexpertinnen und -experten an den drei Standorten Essen, Hamburg und Berlin. 130 BIS 150 NEUE PROJEKTE PRO JAHR Bei Mixed-Use-Projekten sei das Essener Unternehmen nicht auf eine bestimmte Branche oder Nutzung festgelegt. „Neben Wohnraum oder Kindergärten können auf Grundstücken von gemischt genutzten Immobilien auch beispielsweise Büro- und Hotelflächen oder Arztpraxen entstehen.“ Als Beispiele für realisierte Projekte nennt der Konzern Objekte in der Recklinghäuser Innenstadt, der Hamburger HafenCity oder in Wuppertal und Essen. Wichtig sei, dass sich die Immobilie in die Umgebung einfüge und auf die Anforderungen vor Ort eingehe. Man bringe die Expertise für die Einzelhandelsimmobilie ein und lege den Fokus auf eine schnelle und reibungslose Umsetzung der etwa 130 bis 150 Projekte im Jahr. Dabei seien erneut gemischt genutzte Objekte in den Metropolen Berlin und Hamburg vorgesehen; aber auch in hochverdichteten Lagen, wie beispielsweise in Bochum und Oldenburg, würde projektiert. Bei den Vorhaben trete das Unternehmen als Mieter oder Teileigentümer auf. Neben den Neubauaktivitäten werde zudem in die energetische Sanierung der Filialen investiert und der bedarfsgerechte Aufbau von Ladestationen für Elektrofahrzeuge auf den FilialParkplätzen realisiert. Dass Aldi Nord und Aldi Süd verschiedene Strategien verfolgen, ist bekannt. Wie sieht es bei der Immobiliensparte aus? Aus der Unternehmenskommunikation von Aldi Nord hieß es auf Anfrage schriftlich: „Ergeben sich mit Blick auf die dortige Kundenstruktur sowie auf die Voraussetzungen am Standort keine Möglichkeiten für eine solche Filiale, realisieren wir ebenso gemischt genutzte Objekte.“ Bei der Expansionsstrategie richte sich der Blick auf verändernde Einkaufsgewohnheiten in Innenstadtlagen und auf städtische VerkehrsknotenALDI NORD WEITER AUF STAND ALONE FOKUSSIERT Die Aldi Nord Deutschland Stiftung & Co. KG richtet hingegen den Fokus weiterhin bei Projekten stark auf Stand-alone-Filialen. 1 RECKLINGHAUSEN Mischnutzung in Innenstadtlage: Aldi Nord hat eine neue Filiale mit Wohnungen kombiniert 2 ALDI WUPPERTAL Aldi Nord hat eine Kita mit Außenspielfläche rund um eine Filiale realisiert Bildquelle? Bildquelle? 1 2

15 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 „Für unser Unternehmen steht das Einkaufserlebnis unserer Kunden an erster Stelle. Auf dem Land, in kleineren Städten und weniger dicht bebauten Stadtteilen, auch in den Metropolen, benötigen wir nach wie vor eingeschossige Filialen mit großzügigen, ebenerdigen und kundenfreundlichen Parkflächen, um den Kundenwünschen dort gerecht zu werden“, so die Antwort aus der Unternehmenspressestelle. Lage und Sichtbarkeit der Filialen gehörten zu den wichtigsten Kriterien für die Auswahl der Standorte. In sehr dicht besiedelten Gebieten der Metropolen seien Flächen und vor allem Wohnraum allerdings knappe Güter. „Wir haben daher schon vor vielen Jahren begonnen, dort Immobilien für die kombinierte Nutzung aus Filiale und Wohnen zu bauen. Mittlerweile wurden so bereits über zehn Objekte realisiert“, schreibt Lidl. Je nach Standort seien die Anforderungen an Wohnungsgröße und Ausstattung unterschiedlich. „Daher entscheiden wir darüber individuell. Auch im Hinblick auf förderfähige Wohnungen oder besondere Wohnformen entscheiden wir je nach Bedarf am Standort.“ Die Vermarktung und Vermietung sowie die Betreuung der Wohnungen würden in der Regel spezialisierte Immobilienverwalter übernehmen. WEITERE PROJEKTE MIT MIXED USE IN UMSETZUNG Grundsätzlich würden in hochverdichteten Stadtteilen auch weitere Nutzungen – beispielsweise Kindertagesstätten – realisiert. Weitere Projekte dieser Art seien in mehreren Metropolregionen in der Vorbereitung oder im Bau. Die jeweiligen Objekte würden individuell auf die Standortbedingungen zugeschnitten. „Wir passen uns bei der Gestaltung des Baukörpers sowie bei der geplanten Energieversorgung dem Bedarf und den Gegebenheiten vor Ort an. Dabei spielt die Nachhaltigkeit immer eine wichtige Rolle.“ Seit 2018 sei die Baubeschreibung der Filialen von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zertifiziert. BEI LIDL BLEIBT MIXED USE EIN SONDERFALL Nur wenige und ausgewählte Filialstandorte eignen sich für die Lidl Immobilien Dienstleistung GmbH & Co. KG als Mixed-Use-Konzepte. 3 HOLZBAUWEISE Favorit bei Lidl: Filialen ohne Sondernutzung – dafür in nachhaltiger Holzbauweise 4 BIETIGHEIMBISSINGEN Spielende Kinder auf der zweiten Etage – das hat Lidl durch den Bau einer Kita auf der Filiale ermöglicht 3 4

16 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 Das reicht von der kompletten Eigenregie bis zu Modellen mit regionalen Partnern, die mit uns Mietverträge für die Geschäftsflächen schließen“, so Koof. Entscheidend sei, dass die Handelsfläche attraktiv ist, weil sie für die Kunden gut erreichbar und mit ausreichend Parkflächen ausgestattet ist. IM FOKUS: ATTRAKTIVE HANDELSFLÄCHEN In welchen Größenordnungen und an welchen Standorten künftig Mixed Use umgesetzt werde, lasse sich nicht sagen. Koof: „Da gibt es keine gezielten Planungsgrößen unsererseits.“ Aktuell seien viele Projekte, vor allem in den Ballungsgebieten, in der Umsetzung. Die Akquisitionsverantwortung liege hauptsächlich in den Regionen und sei ausgerichtet auf Versorgungslücken, die erkannt wurden. Koof: „Unser Engagement an Standorten ist immer marktgetrieben. Das gilt dann auch für die Art des gegebenenfalls zu bauenden Wohnraums oder andere Nutzungsformen.“ GREEN-BUILDING-STANDARDS UND REGIONALE BAUPARTNER Fest stehe, dass die Nachhaltigkeit bei allen Projekten eine wesentliche Rolle spielt. Koof: „Wir haben bei unseren Märkten einheitliche, zertifizierte GreenBuilding-Standards. Wo es möglich ist, binden wir regenerative Energieformen mit ein.“ PV-Anlagen und Elektro-Ladestationen für Pkw seien wie auch die Ergänzung vorhandener Standorte um Mixed- Use-Anteile durch beispielsweise Aufstockung von vorhandenen Gebäuden ebenfalls möglich und würden immer geprüft. Auch bei der Ausstattung der Märkte, die vorzugsweise mit regionalen Baufirmen realisiert werden, werde alles genutzt, was aus energetischen Gesichtspunkten möglich ist. „Wir wollen in den nächsten Jahren unsere Schlagzahl hinsichtlich neuer Standorte beibehalten“, so Koof. Dabei würden Filialen für die gesamte Bandbreite der Rewe- und Penny-Marktkonzepte von der urbanen Kleinfläche ab 500 Quadratmetern bis hin zum größten Sortimenter mit bis zu 5.000 Quadratmeter Filialfläche infrage kommen. 1927 wurde erstmals ein innerstädtisches Konzept mit multifunktionaler Nutzung umgesetzt. Der „Kaufmann um die Ecke“ war Standard. Heute werden Wohnungen, Büros, Praxen, Pflegezentren, Kindertagesstätten oder Bibliotheken oberhalb der Verkaufsfläche oder angrenzend gebaut. Dennoch hätten solitäre Standorte – also Handelsflächen ohne Oberbebauung – bis heute einen Anteil von rund 80 Prozent im Portfolio, so die Rewe Group. VIER VON ZEHN PROJEKTEN MIT MIXED USE Seit etwa zehn Jahren realisiert das Unternehmen Projekte mit Mischnutzung auch als Investor bzw. Bauherr. Stephan Koof, Geschäftsführer Immobilien/ Expansion Rewe Group Deutschland: „Fest steht: Wir sind und bleiben in erster Linie Händler. Bei der Standortwahl steht die wohnortnahe Versorgung unserer Kunden weiterhin absolut im Fokus.“ Bei neuen Standorten würden – vor allem in verdichteten Gebieten – zunehmend auch die Kommunen die Rahmenbedingungen vorgeben. Koof: „Immer öfter ist dann die Schaffung von Wohnungen gefragt.“ Über 40 Prozent der neuen Projekte seien als Mixed-UseImmobilien vorgesehen, davon mehr als die Hälfte mit der Schaffung von Wohnraum. Rewe ist bei der Realisierung neuer Filialen flexibel. „Wir setzen neue Standorte in allen denkbaren Konstellationen um. REWE: MULTIFUNKTIONAL SEIT FAST 100 JAHREN Während sich andere Handelsriesen erst seit wenigen Jahren mit Mixed Use auseinandersetzen, verfügt die Rewe Group Deutschland seit fast 100 Jahren über Expertise in diesem Bereich. 1 DRESDEN Ein alter Hut, der funktioniert: Rewe hat schon immer auf Nahversorgungskonzepte mit Mischnutzung gesetzt 1

17 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 Quadratmeter Verkaufsfläche zuzüglich Nebenflächen.“ Die Standard-Bauweise sei dabei, ebenerdig Parkflächen neben dem Markt zu schaffen oder alternativ einen auf dem Parkraum aufgeständerten Markt. Bernreuther: „Was die weiteren Nutzungsformen in die Höhe betrifft, sind wir absolut flexibel und richten uns nach der Nachfrage am jeweiligen Standort.“ Als ein Beispiel nennt er den Standort Bialystok in Polen: Dort seien über der Kaufland-Filiale 333 Wohnungen in 14 Stockwerken entstanden. TENDENZ ZUR VERDICHTUNG MIT VORTEILEN FÜR KAUFLAND In den vergangenen Jahren seien vor allem in den Metropolen zwei Tendenzen erkennbar: „Die Grundstücksverfügbarkeit für die für uns geeigneten Lagen nimmt mit entsprechender Preisentwicklung überall ab. In der Stadtplanung gibt es eine Tendenz zu mehr Verdichtung und damit Bauen in die Höhe.“ Wenn Kaufland dann einen Standort ins Visier nimmt, werde auch der Vorteil gesehen, dass „wir als Lebensmittelanbieter für Frequenz sorgen“. Was dann in den Obergeschossen passiere, ergebe sich. „Alles, was die Statik und die jeweiligen Bebauungspläne erlauben, ist möglich. Manchmal ist es ein Wohntower, ein Hotel oder es sind Büros. Da sind wir absolut flexibel. Die Entscheidung, was gebaut wird, treffen der Markt bzw. unsere potenziellen Partner.“ Apropos Partner. Die Expansion – Kaufland hat seit 2020 etwa 190 Standorte eröffnet und zirka 1,5 Millionen Quadratmeter Verkaufs- und Nebenflächen in Betrieb genommen – erfolgt in kompletter Verantwortung als Bauherr und Investor oder auch in Zusammenarbeit mit Dritten als Teileigentümern oder Mietern. Wie hoch dabei die jährliche Investitionssumme ist, dazu macht das Unternehmen keine Angaben. Die Perspektiven für die kommenden Jahre sieht Bernreuther positiv: „Wir können mit unserem Konzept nahezu alle Lagen bespielen, die die erforderliche Grundfläche bieten. Über unseren Flächen können dann die gewünschten Mixed-UseMöglichkeiten realisiert werden.“ So habe man beispielsweise in Göttingen in Innenstadtlage am Anfang der Fußgängerzone einen Markt mit der entsprechenden Größe eröffnet, über dem dann Eigentumswohnungen entstanden sind. Bernreuther: „Faktisch haben wir heute auch innenstadtnah mehr Auswahl, weil viele Flächen umgenutzt oder revitalisiert werden sollen. Wir agieren sehr expansiv und wollen das auch in den kommenden Jahren bleiben.“ Kaufland, das wie Lidl zur Schwarz-Gruppe aus Neckarsulm gehört, hat in Erfurt-Herrenberg den Bau einer Sportanlage auf dem Dach und in Teplice (Tschechien) den eines Kletterparks realisiert. Für Angelus Bernreuther, Investor Relationship Management bei Kaufland, steht fest: „Wir sind mit unseren Aktivitäten ein ganz normaler Marktteilnehmer des Immobiliengeschäfts, das heißt, wir haben immer die Brille des Eigentümers oder Nutzers auf. Jede Investition beziehungsweise jede Mixed-Use-Nutzungsform wird für sich betrachtet und gerechnet.“ Die Aktivitäten von Kaufland in Deutschland und sieben weiteren europäischen Ländern unterscheiden sich vor allem in einem Punkt von den übrigen Handelsunternehmen: der Größe der Verkaufs- inklusive der notwendigen Nebenflächen. „Unsere Supermärkte beginnen in der Regel ab 2.500 KAUFLAND: MISCHNUTZUNG MIT SPORTPLATZ UND KLETTERPARK Bei den anderen Handelsriesen kennt die Mischnutzung der Immobilien in der Regel Wohnungen, Büros oder ab und an eine Kindertagesstätte. Kaufland liefert Beispiele, dass außerhalb der Verkaufs- und Nebenflächen noch ganz andere Nutzungen denkbar sind. 2 SPORTPLATZ ERFURT Ungewöhnlich: Auf dem Dach einer KauflandFiliale wird Sport getrieben Menschen & Märkte Mixed Use 2

18 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 Menschen & Märkte Verbandsinformation Herr Angelis, Einzelhandel spielt für das Konzept eine untergeordnete Rolle. Was ist das Erfolgsgeheimnis Ihrer Nutzungsmischung? Ein hybrides Konzept für einen Standort zu entwickeln, der vorher von einer Monofunktion beziehungsweise dann von Leerstand geprägt war, ist der Schlüssel zu dessen erfolgreicher Neuprogrammierung. Das CORE wurde für den konkreten Ort entwickelt. Der Erfolgsfaktor für diesen Begegnungsort ist die öffentliche Wirksamkeit des hybriden Gesamtkonzeptes als Knotenpunkt für die innovative Stadtgesellschaft mit Markthalle, Eventbereichen und Coworking. Die Finanzierung erfolgte ohne öffentliche Gelder. Wie ist es Ihnen trotzdem gelungen, gemeinwesenorientierte Nutzungen zu integrieren? Für öffentliche Förderungen waren wir mit unserem Konzept zu früh. So mussten wir den anspruchsvollen Weg gehen und ein auf Dauer wirtschaftliches Konzept entwickeln. Wichtig war hier das Zusammendenken von Immobilie – als ein für die Bank belastbares Element – und Betreibungskonzept. Die Immobilie subventioniert die gemeinwesenorientierte Schlüsselnutzung und profitiert im nächsten Step von der Aufwertung und neuen Frequenz des Standortes, sodass sich die Teile in ihrer Summe rechnen. Also zusammengefasst: Erst für eine Aufwertung des Umfeldes sorgen, um dann darin nachhaltig etwas aufbauen zu können. Welche Auswirkungen hat die Nutzungsmischung auf die Innenstadt von Oldenburg? In den zwei Jahren des Bestehens ist die Plattform zu einem Bezugspunkt in der Stadt Oldenburg geworden und hat lokal und überregional sehr hohe Aufmerksamkeit bekommen. Es ist ein Treffpunkt für die regionale Innovations- und Gründerszene, die Hochschulen und für die etablierte Wirtschaft. Als Plattform stärkt es die existenten Kräfte der Region und gibt ihnen eine Bühne. In Oldenburg wirkt das CORE als Leuchtturm: Es macht ein neues Bild von Innenstadt erlebbar und hat für neue Geschäftsansiedlungen in der direkten Umgebung gesorgt. LEUCHTTURM IN DER INNENSTADT Wie können ehemalige Kaufhäuser so nachgenutzt werden, dass sie wirtschaftlich funktionieren und die Innenstadt attraktiver machen? Gelungen ist ein solcher Mix im CORE Oldenburg: 2021 hat es als neuer „Kern“ der Stadt auf dem Gelände eines einstigen Hertie-Kaufhauses seine Pforten geöffnet. ALEXIS ANGELIS, Oldenburger Architekt und Gründer des CORE, erklärt das Konzept. I N T E R V I E W ALEXIS ANGELIS CORE OLDENBURG „Gemeinsam für das Quartier“ wird unterstützt vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik. Für die Umsetzung zeichnen der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung und Prof. Reiner Schmidt verantwortlich. Weitere Infos unter www.netzwerkquartier.de oder www.core-oldenburg.de. 1 ALEXIS ANGELIS, Architekt und Mitbegründer von CORE, ist davon überzeugt, dass Knotenpunkte für die Stadtgesellschaft die Innenstädte nachhaltig aufwerten 2 PLATTFORM Hier treffen sich Menschen zum Arbeiten, Essen oder für Events 2 1 TEXT Heike Mages

20 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 Quartiere, die von ihren Entwicklern als autoarm oder gar autofrei bezeichnet werden, gibt es viele. Doch nur selten wird dieser Ansatz so konsequent durchgehalten wie im Hunziker Areal in Zürich. Wer eine Chance auf eine der begehrten Wohnungen in diesem genossenschaftlichen Wohnprojekt im Norden der Schweizer Metropole haben will, darf nämlich kein Auto haben. „Die Vermietung einer Wohnung“, heißt es klipp und klar im „Parkierungsreglement“ der „Baugenossenschaft mehr als wohnen“, „erfolgt ausschließlich an Haushalte, die auf ein Auto verzichten und eine Verzichtserklärung unterzeichnen.“ Das Hunziker Areal, das bereits 2015 auf dem Gelände einer ehemaligen Betonfabrik gleichen Namens fertiggestellt wurde, ist damit Vorreiter von Quartieren oder ganzen Stadtteilen, wie sie auch in Deutschland immer häufiger geplant werden: Quartiere, die innovative Mobilitätskonzepte beinhalten und den motorisierten Individualverkehr zurückdrängen; Quartiere, die nicht nur auf eine hohe Energieeffizienz der einzelnen Gebäude achten, sondern auch übergreifende Nachhaltigkeit anstreben; Quartiere, die mit Dachbegrünung und Schwammstadtkonzept den Herausforderungen des Klimawandels begegnen. TEXT Christian Hunziker DAS ZUKUNFTS- WEISENDE QUARTIER Wer heute ein neues Wohnviertel konzipiert, darf sich nicht darauf beschränken, eine Ansammlung von Wohnhäusern zu realisieren. Um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden, braucht es mehr: intelligente Mobilitätskonzepte, Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und energieeffiziente Lösungen. Ein Blick auf vier MODELLPROJEKTE in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Menschen & Märkte Modellprojekte 1 1 GRÜNE FASSADEN gehören zum Konzept des Hunziker Areals in Zürich

FAVORIT IN FAVORITEN Sehr dicht bebaut und trotzdem grün: die Biotope City im Wiener Stadtteil Favoriten

Menschen & Märkte Modellprojekte abgeschlossenen Raum von rund 30 Quadratmeter Größe, in dem Fahrräder, Anhänger und Lastenräder untergebracht sind, welche die Genossenschaftsmitglieder zu günstigen Konditionen mieten können. Zudem ist der Zürcher Hauptbahnhof mit Bus und S-Bahn in nur etwa 15 Minuten erreichbar. OBERBILLWERDER IN HAMBURG: MOBILITY HUBS GEPLANT Ein autoarmes Viertel, das optimal an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden ist, soll auch der neue Stadtteil Oberbillwerder in Hamburg werden. Während im Hunziker Areal in Zürich schon längst gewohnt wird, werden im 105. Hamburger Stadtteil voraussichtlich erst 2029 die ersten der insgesamt wohl 14.000 Bewohner einziehen. Sie müssen dann zwar nicht auf das eigene Auto verzichten, können aber auch nicht direkt vor der Wohnung parken. Denn im 118 Hektar großen Gebiet von Oberbillwerder setzen die Planer auf so genannte Mobility Hubs, die maximal 250 Meter von den Wohnstandorten entfernt sind. Das sind mehrgeschossige Gebäude, die Stellplätze mit sozialen, kulturellen und gewerblichen Einrichtungen im Erdgeschoss verbinden. Gedacht wird dabei zum Beispiel an Supermärkte, Paketstationen, Jugendzentren und Tagespflegeeinrichtungen. Die Mobility Hubs ermöglichen es nach den Vorstellungen der Planer, die Straßen vom ruhenden Verkehr zu befreien und den entsprechenden Platz den Menschen zur Verfügung zu stellen. „Hamburg“, heißt es bei der mit der Planung beauftragten 1 DER GRÜNE LOOP ist das Herzstück von Oberbillwerder. Er dient als Park, fängt aber bei Starkregen auch Wasser auf 2 GARTENSTADT Zahlreiche Bäume und Dachbegrünung gehören zum Projekt 6-Seen-Wedau 3 MOBILITY HUBS spielen eine zentrale Rolle im Verkehrskonzept von Oberbillwerder 1 2 3 HUNZIKER AREAL IN ZÜRICH: EIN QUARTIER MIT AUTOVERBOT Auch das Mobilitätskonzept des Hunziker Areals steht nicht für sich alleine, sondern ist Teil eines übergeordneten Ganzen. Geplant wurde das Quartier nämlich nach den Zielsetzungen der 2.000-WattGesellschaft. Dieses Zertifikat (das 2023 durch zwei andere Labels ersetzt worden ist) zeichnet Siedlungsgebiete aus, die anhand eines umfangreichen Kriterienkatalogs einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen nachweisen können. Dazu gehören nicht nur Angebote für einen emissionsarmen Verkehr, sondern unter anderem auch eine hohe Energieeffizienz, eine 100-prozentige Versorgung mit erneuerbaren Energien und eine klimaangepasste Gestaltung des Außenraums. Besonders bemerkenswert ist dabei das Verkehrskonzept. Dass die rund 1.250 Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers im Prinzip kein Auto besitzen dürfen, bedeutet nicht, dass es gar keine Autostellplätze gibt. Vielmehr stehen in einer Tiefgarage 106 Parkplätze zur Verfügung, die auch von Wohnungsmietern genutzt werden können – denn Bewohner, die aus gesundheitlichen oder beruflichen Gründen auf ein eigenes Auto angewiesen sind, können für jeweils zwei Jahre eine Ausnahmebewilligung vom allgemeinen Autoverbot beantragen. Derzeit haben laut Michael Loss, dem Kommunikationsverantwortlichen der „Baugenossenschaft mehr als wohnen“, 24 Haushalte eine solche Bewilligung. Die Frage, was mit einem Mieter passiert, der sich ohne Erlaubnis ein Auto anschafft, bezeichnet Loss als „zu theoretisch“, da die Genossenschaft, so seine Vermutung, von einem solchen Verstoß wohl gar nichts erfahren würde. Einen wichtigen Teil des Mobilitätskonzepts stellt zudem die Mobilitätsstation dar. Dabei handelt es sich um einen

23 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 FAKTEN ZU DEN VIER PROJEKTEN HUNZIKER AREAL Zürich-Leutschenbach Fläche: 4,1 Hektar Entwickler: Baugenossenschaft mehr als wohnen Wohneinheiten: 373 Wohneinheiten, 150 Arbeitsplätze Fertigstellung: 2015 BIOTOPE CITY Wien-Favoriten Fläche: 5,4 Hektar Gesamtplanung: IBA Wien 2022; Realisierung durch sieben Bauträger Wohneinheiten: 980 Wohneinheiten, außerdem Hotel, Schule und Kindergarten Fertigstellung: 2021 OBERBILLWERDER Hamburg-Bergedorf Fläche: 118 Hektar Gesamtplanung: IBA Hamburg GmbH; Realisierung durch unterschiedliche Projekt- entwickler Wohneinheiten: ca. 8.000 Wohneinheiten, 4.000 bis 5.000 Arbeitsplätze Geplante Fertigstellung der ersten Wohnungen: 2029 6-SEEN-WEDAU Duisburg-Wedau Fläche: 90 Hektar Gesamtplanung: Gebag; Realisierung durch unterschiedliche Projektentwickler Wohneinheiten: ca. 3.000 Wohneinheiten sowie ein Campusquartier für Forschung und Technologie Geplante Fertigstellung: k.A. ein unkonventionelles Verkehrsmittel zum Einsatz kommen: Die Gebag hat eine Konzeptstudie für eine Seilbahnerschließung in Auftrag gegeben, die zu einer grundsätzlich positiven Einschätzung gekommen ist. WIEN: WENN DAS QUARTIER DICHT UND TROTZDEM GRÜN IST Noch einmal einen anderen Ansatz verfolgt die Biotope City im Wiener Stadtteil Favoriten, die 2021 im Rahmen der IBA Wien fertiggestellt worden ist. Dieses maßgeblich von der Stadtplanerin Helga Fassbinder entwickelte Konzept will beweisen, dass sich urbane Dichte und hoher Grünanteil nicht ausschließen. Von Anfang an pflanzten die Verantwortlichen zwischen den Gebäuden groß gewachsene und damit Schatten spendende Bäume. Alle Dächer und viele Fassaden sind begrünt, die Loggien und Balkone sind mit baulich bereits integrierten Pflanztrögen ausgestattet. Auch in der Biotope City wird das Regenwasser auf dem Gelände zurückgehalten, und Starkregen landet in einem Teich. Insgesamt umfasst das von sieben Bauträgern realisierte Quartier etwas weniger als 1.000 Wohnungen (davon knapp zwei Drittel öffentlich gefördert) sowie rund 20.000 Quadratmeter Gewerbefläche. IBA Hamburg GmbH, „kann mit Oberbillwerder modellhaft zeigen, wie nachhaltige Stadtentwicklung des 21. Jahrhunderts in Europa funktioniert.“ Dazu gehören auch eine kluge Freiraumplanung und ein ausgefeiltes Regenwasserkonzept. Dessen zentraler Bestandteil ist der so genannte Grüne Loop, ein 15 Hektar großer Park, der im Normalfall eine hohe Aufenthalts- und Begegnungsqualität bietet, als tiefste Fläche im Quartier aber auch als Regenwasserrückhaltebecken bei Starkregen dient. 6-SEEN-WEDAU IN DUISBURG: GRÜNDÄCHER UND SEILBAHN Auch die Entwicklung des zukünftig rund 3.000 Wohneinheiten umfassenden Stadtteils 6-Seen-Wedau in Duisburg berücksichtigt das Konzept der wassersensiblen Stadtentwicklung und der Schwammstadt. „Niederschläge werden dabei nicht in Kanäle eingeleitet, sondern an der Oberfläche abgeleitet und zur Bewässerung der Vegetation im öffentlichen Raum verwendet“, erläutert Lisa Melchior, Pressesprecherin der Duisburger Baugesellschaft mbH (Gebag), die das neue Quartier entwickelt. Auch die Anlage von Gründächern, die Nutzung regenerativer Energien und die Förderung der Biodiversität sind Kriterien, die bei der Vergabe der einzelnen Baufelder an Investoren angewandt werden. Zu den bisher feststehenden Projektentwicklern auf dem ehemaligen Rangierbahnhofgelände zählen die BPD Immobilienentwicklung GmbH sowie die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbH. In diesem Frühjahr rechnet die Gebag mit dem Beginn der ersten Hochbauarbeiten. Dabei spielen auch Mobilitätsaspekte eine Rolle. „Pkw-Parkplätze sollen vorwiegend in Tiefgaragen oder gegebenenfalls in oberirdischen Sammelstellanlagen untergebracht werden“, sagt Lisa Melchior. Car- und Bike-Sharing-Angebote, Elektroladesäulen und zentrale Ladezonen für den Lieferverkehr würden ebenfalls mitgeplant. Und was das übergeordnete Verkehrskonzept betrifft, so könnte sogar 4 BIOTOPE CITY In der Wiener Biotope City sind alle Dächer begrünt als Maßnahme für klimafreundliches Wohnen 4

Die Bundesregierung erhält viel Schelte zurzeit. Die Kritik daran, was nicht läuft, verdeckt jedoch bisweilen die immobilienwirtschaftlich relevanten Themenfelder, auf denen die Bundesregierung – immer wieder eher im Hintergrund – aktiv ist. Die wichtigsten Themenfelder eines Audio-Interviews. These: Die AfD wird das Thema Wohnungsknappheit bei den nächsten Landtagswahlen ausschlachten. Die Ministerin antwortete, man solle Politik nicht aus der Motivation machen, die AfD zu verhindern. Wichtig sei, dass der Staat die Aufgabe des Wohnungsbaus für sich wiederentdecke. Im sozialen Wohnungsbau habe die Bundesregierung seit 2022 die Förderung in Milliardenhöhe ausgebaut. Die Länder machten mit. Die 18 Milliarden Euro, die jetzt zusätzlich vom Bund hineinfließen, könnten sich jedoch frühestens in den Statistiken 2024 / 2025 zeigen. These: Das Verhältnis zum GdW ist belastet. Ein Vertreter kam nicht zum Wohnungsgipfel, die Ministerin kam nicht zum Tag der Wohnungswirtschaft. Die Ministerin verneint das. Sie sei regelmäßig beim GdW. Überhaupt sei sie, anders als ihr Vorgänger im Amt, Horst Seehofer, der von einigen Verbandsvertretern als Phantom bezeichnet worden sei, auf vielen Verbandsveranstaltungen gewesen. Die Sorgen hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung, der Zukunft der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft spiegele sich im Gemüt der Verbandsvertreter genauso wider wie in ihrem. These: Das serielle Bauen ist ein Heilsbringer. Die Ministerin sagt, sie unterstütze das Thema sehr. Und auch den GdW, der die zweite Rahmenvereinbarung zum seriellen Bauen verabschiedet habe. Es gelte, Vorurteile abzubauen und Kapazitäten auszuweiten. Deutschland sei attraktiv. Man sehe viele Investoren aus dem Ausland, die hierzulande große Firmen aufmachten in diesem Bereich. Die Herstel- L’IMMO-INTERVIEW MIT KLARA GEYWITZ: DIE KERNINHALTE TEXT Dirk Labusch FOTO Henning Schacht Die AfD, das Verhältnis zum GdW, Typengenehmigung, Wohngemeinnützigkeit & Co.: Das Interview mit der BUNDESBAUMINISTERIN klingt nach. Voilà – die wesentlichen Punkte. 24 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 Menschen & Märkte Nach dem Podcast

und der Kostensteigerungen auf ein Moratorium bei neuen Bauvorschriften verständigt. So habe man, entgegen den Verabredungen im Koalitionsvertrag, nicht den EH 40 als Neubaustandard eingeführt. These: Es gibt zu viele Kostenfresser im Bau. Immerhin habe sich die Bauministerkonferenz darauf verständigt, die Stellplatzsatzungen abzuschaffen und sie durch Mobilitätskonzepte zu ersetzen. Außerdem verweist die Ministerin auf den Gebäudetyp E, den viele Bundesländer in ihren Bauordnungen berücksichtigen wollten. In dem Bereich werde man auch das Vertragsrecht anpassen, sodass es keinen Mangel darstelle, wenn hier nicht die ganze Palette, sondern nur sicherheitsrelevante DIN-Normen berücksichtigt würden. Das sei eine gute Möglichkeit das Bauen wieder preiswerter und einfacher zu machen. These: Die Digitalisierung im Baubereich kommt nicht voran. Viele Länder sind hier ausgestiegen. Die Ministerin verneint. Über das Baugesetzbuch sei bereits die Bürgerbeteiligung digitalisiert worden. In der Baugesetzbuch-Novelle würden digitale Planungsstandards festgeschrieben werden. Außerdem erarbeite Mecklenburg-Vorpommern derzeit für alle Bundesländer die sogenannte EfA-Anwendung für die digitale Baugenehmigung. Elf Bundesländer hätten sich entschieden sie zu übernehmen. Wenn fünf Bundesländer dies nicht täten, so heiße das nicht, dass sie auf diesem Gebiet nicht tätig seien. So habe etwa Hamburg schon vor Jahren ein eigenes Modell entwickelt, das es weiter entwickeln wolle. Es gebe einen sukzessiven Rollout in vielen Bundesländern. These: Viele Kommunen erschweren das Bauen. Die Ministerin weist auf die kommunale Planungshoheit hin, sowie auf die diversen kommunalen Satzungen. Durch die Baugesetz-Novelle werde in den Kommunen nun zusätzliches Bauland mobilisiert. Das werde sicher dazu führen, dass dann auch einfacher gebaut werden könne als in der Vergangenheit. Wichtig sei, sich auch als Kommune zu öffnen für den seriellen Wohnungsbau. These: Viele Regeln verkomplizieren das Bauen. Die Ministerin stimmt zu. Seit sie im Amt sei, habe sie etwa mit dem Umweltministerium darum gerungen, die TA Lärm zu ändern, weil es in Deutschland zwar unproblematisch möglich sei neben dem Flughafen oder der Autobahn zu wohnen. Wenn aber ein Gewerbebetrieb ein bisschen vor sich hin hämmere, sei das Wohnen neben demselben mit riesigen Problemen verbunden gewesen. Das habe man jetzt aber geändert. Aber es drohe schon die nächste Debatte, die um die Luft. Wie viele Geruchsstunden habe man an einem bestimmten Ort? Die Bevölkerung sei klagefreundlicher als in den sechziger Jahren. Die Ministerin wolle mit daran arbeiten, Gesetze oder technische Anleitungen so zu ändern, dass Beamte künftig stärker in der Lage sein, auch einfacher ihren Ermessensspielraum wahrzunehmen. lungskosten ließen sich sehen. Es fange an bei 2.900 Quadratmetern. Damit könne man wieder finanzierbar bauen. These: Die bundesweite Anerkennung von Typen- genehmigungen wäre ein Gamechanger. Die Ministerin verneint das, fand, das Thema werde noch überschätzt. Im Moment seien es vielleicht 3 Prozent aller Wohnungen, die seriell gebaut würden. Das könne sich jedoch in Zukunft ändern, wenn man davon ausgehe, dass der serielle Wohnungsbau großes Potenzial in der Zukunft habe. These: Das Thema Wohngemeinnützigkeit ruht, da nicht genügend Gelder vorhanden sind. Das sei falsch. Man arbeite sehr intensiv daran. Die Sozialverbände seien durchaus dafür, den gemeinnützigen Sektor in Deutschland um den gemeinnützigen Wohnungsbau zu ergänzen. Allerdings brauche es Jahre und Jahrzehnte, bis in diesem Bereich nennenswerter Wohnungsbestand aufgebaut sei. Zusammen mit dem Bundesfinanzministerium arbeite man an einem Konzept. Es gehe um die steuerliche Beschreibung. Und es werde Investitionskostenzuschüsse geben müssen. Der GdW lehne das Thema zwar ab. Dort gebe es die Befürchtung, dass der eine oder andere Stadtrat einem Wohnungsunternehmen die Gemeinnützigkeit aufzwingen könnte. Man wolle jedoch ein Modell schaffen, bei dem man Teile des Wohnungsbestandes für gemeinnützig erklären könne und nicht zwingend den gesamten Bestand. Das diskutiere man auch mit der Wohnungswirtschaft. These: Die Bundesregierung fördert zu wenig. Nein, meint die Ministerin. Sie sei dafür, punktuell Subventionsprogramme aufzulegen. Das seien etwa die Milliarden für den sozialen Wohnungsbau. Es gebe ein Genossenschaftsförderungsprogramm, das Programm klimafreundlicher Neubau. Und man habe zwei neue Programme in Planung, ein Zinssubventionsprogramm für Umbauten von Gewerbe in Wohnungen. Außerdem ein Programm, das jungen Familien helfen solle, Bestandshäuser zu erwerben. Für neue Ideen sei sie offen. Nicht sinnvoll sei es, dass Steuerzahler Unternehmen subventionierten, die Luxuswohnungsbau betrieben. These: Die Subventionen in den Wohnungsbau werden wieder in größerem Maße fließen. Das verneint die Bundesbauministerin. Sie meint, man sehe jetzt eine Entspannung bei den Grundstücks- und den Kaufpreisen. Die EZB habe die Zinsen hochgesetzt, um damit die Inflation zu bekämpfen. Es wäre absurd, wenn dann aus dem Bundesbauministerium ein Zinssubventionsprogramm entstehe mit den Milliarden der Steuerzahler. These: Es gibt zu viele Bauhemmnisse. Man sei hier auf einem guten Weg, meint die Ministerin. So habe sich die Bauministerkonferenz im letzten November angesichts stagnierender Bauaufträge Das komplette Interview finden Sie hier als L'Immo-Podcast 25 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024

26 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 Campus & Young Leaders Interviews, Meldungen & Co. Zwielichtiges Image, Krisenmeldungen, Fachkräftemangel – wenn es um Arbeitgeberattraktivität geht, hat die Wohnungs- und Immobilienbranche viel Nachholbedarf. Das EBZ (Europäisches Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft) hat dazu kürzlich den Leitfaden „AzubiRekrutierung – Tipps & Trends“ veröffentlicht. Basis dessen ist eine Befragung unter 190 Ausbildungsbetrieben sowie von 634 Schülern und Schülerinnen des EBZ-Berufskollegs. Die Schüler wurden unter anderem gefragt, welche Punkte am wichtigsten bei ihrer Wahl des Ausbildungsberufs waren: Etwa zwei Drittel nannten die vielfältigen Aufgaben (64,6 Prozent) als Anreiz, gut die Hälfte hob die Karrierechancen hervor (54,2 Prozent), ebenfalls häufig genannt wurde der sichere Arbeitsplatz (43,5 Prozent). Für knapp ein Drittel der Umfrageteilnehmer (31,8 Prozent) spielten auch die Verdienstmöglichkeiten eine zentrale Rolle. Die von den Schülern identifizierten Schwerpunkte sollten daher auch im Recruiting entsprechend gewichtet sein. CAMPUS Weil die Anzahl der bei vielen befragten Unternehmen eingehenden Bewerbungen zuletzt deutlich zurückging (40 Prozent), sollte der Bewerbungsprozess so unkompliziert wie möglich gestaltet werden. Dass 94 Prozent der Unternehmen ein persönliches Vorstellungsgespräch und 78 Prozent von ihren Bewerbern nach wie vor ein Anschreiben forderten, sei kontraproduktiv. Ein weiterer Hebel dreht sich um das Thema Social Media: Demnach wünschten sich mehr als zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) mehr Informationen über die Kanäle TikTok, Instagram oder Youtube. Ebenso lohne sich eine ganzjährige Rekrutierung – nur ein Viertel der Azubis gaben an, sich kurzfristig (vier bis weniger als ein Monat vor Beginn der Ausbildung) über Ausbildungsmöglichkeiten zu informieren. Viele planen von langer Hand. Lediglich ein Drittel der Befragten will nach dem Abschluss im Ausbildungsbetrieb bleiben. Dies verdeutlicht die Bedeutung von Entwicklungsperspektiven und Weiterbildungsangeboten. Ebenfalls zu beachten: Etwa neun von zehn EBZ-Azubis haben die Fachoberschulreife oder das Abitur in der Tasche – jeder fünfte hat vor Beginn der Ausbildung ein Studium begonnen. Der Leitfaden geht daher von einem großen unausgeschöpften Potenzial bei Studienabbrechern aus. Der Ratschlag lautet daher: Erschließt neue Zielgruppen! AUFMERKSAM Wenn es um Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen geht, hören die Immobilienprofis von morgen genau hin STUDIE: AZUBIS OPTIMAL REKRUTIEREN

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