Immobilienwirtschaft 1/2024

65 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 zu überdenken. „Real Estate Debt Funds übernehmen immer öfter die Funktion des Single-Loan-Partners, indem sie Senior- und Nachrangbaustein von Finanzierungen übernehmen“, so Karrer. Viele Immobilienbanken hätten ihre Kreditvergaberegularien verschärft. So sei der Beleihungsauslauf (LTV) im Schnitt von maximal 60 bis 65 Prozent deutlich gesenkt worden. „Bei Whole-Loan-Finanzierungen von Kreditfonds sind dagegen, je nach deren Qualität, weiterhin wesentlich höhere LTVs realisierbar.“ Kreditfonds können Köppel zufolge häufig Marktwerte als Beleihungswertmaßstab heranziehen, die aber auch deutlich gesunken sind. „Auch die wenigen Transaktionen, die es zurzeit am Markt gibt, erfolgen zu weit niedrigeren Preisen als vor zwei Jahren“, betont er. Das Rendite-Risiko-Verhältnis bei Finanzierungen sei daher im Neugeschäft sehr günstig. Köppel: „Bei Senior-Stretched- oder WholeLoan-Konstruktionen sind hohe einstellige Renditen trotz niedrigerer Beleihungsausläufe problemlos durchsetzbar.“ COMMERCIAL UND PRIVATE REAL ESTATE DEBT Commercial- und Private-Real-Estate-Debt-Welt sind ohnehin nicht so strikt voneinander getrennt, wie es den Anschein haben mag. „Bei der Syndizierung von gewerblichen Immobilienfinanzierungen haben wir schon mehrmals Kreditfonds unserer Fondstochter Helaba Invest mit eingebunden“, sagt Helaba-Banker Annecke. Es handele sich stets um erstrangig besicherte Darlehen. Selbst die Deutsche Bank nutzt längst die Kooperation mit Kreditfonds. Herr Dülden, warum haben Immobilienfinanzierer immer wieder Probleme, Kreditrisiken adäquat einzuschätzen? Gegenwärtig ist es schwierig, die Werthaltigkeit beliehener Immobilien zu beurteilen, da es kaum verlässliche Marktdaten gibt. Gleichzeitig werden Kredite fällig, aber eine Refinanzierung der ursprünglichen Darlehenshöhe ist wegen niedriger Immobilienwerte kaum möglich. Kreditnehmern fehlt jedoch oft das Kapital, um Finanzierungslücken auszugleichen. Prolongationen sind ein heißes Thema. Auf welcher Basis sind sie realisierbar? Reicht der Cashflow der Objekte, um den höheren Kapitaldienst zu leisten? Niedrigere Zinsen würden doch helfen, die Situation zu entspannen. Problematisch ist nicht die Höhe, sondern das Tempo des Anstiegs nach der langen Nullzinsphase. Das aktuelle Niveau ist historisch gesehen nicht sehr hoch. Niedrigere Zinsen würden die Lage verbessern. Aber nur wenn sie drastisch fielen, könnten sich die Immobilienwerte ausreichend erholen. Worauf muss man sich einstellen? Derzeit nehmen viele Immobilienbanken ihre Kreditportfolien penibel unter die Lupe. Notverkäufe sind noch selten, da Banken bei auslaufenden Darlehen meist bereit sind, diese zu prolongieren – falls nötig sogar indem die Tilgung ausgesetzt oder Zinsen gestundet werden. Aber das werden sie dauerhaft kaum durchhalten. Was sollten Banken tun, wenn es für Finanzierungen eng wird? Sie sollten schnell und zielgerichtet handeln und nicht erst sechs Monate bevor ein Kredit oder Mietverträge auslaufen. Dann besteht die Chance, Alternativlösungen durchzuspielen, eventuell unterstützt durch versierte Berater, um Chancen ausloten zu können. Sind diese nicht realisierbar, ist es besser, – eher früher als später – zu erwägen, Distressed Loans zu verkaufen. Prolongationen können gerade in Zeiten hoher Zinsen und angespannter Immobilienmärkte zum Problem werden. Jan Dülden, Mitglied der Geschäftsführung des Immobilien-­ investmentberaters Arcida Advisors, erläutert, warum Alternativlösungen früh erwogen werden sollten. I N T E R V I E W JAN DÜLDEN 65 Laut einer Studie der Empira Group, die mehrere Kreditfonds managt, wuchs der Darlehensbestand der Private Real Estate Debt Funds in Deutschland von 2017 bis 2022 jährlich um 65 Prozent.

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