33 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 langen, wollen einfach ein besseres Leben. Ihre Integration gelingt nicht ohne bedeutende Anstrengungen. Erst nach fünf bis sechs Jahren sind 50 Prozent der Migrantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt integriert. Von den etwa vier Millionen Menschen, die Bürgergeld bekommen, haben 2,5 Millionen keinen deutschen Pass. Das kostet den Staat 40 Milliarden Euro pro Jahr. Eine enorme Summe, die von vielen als Bürde, als Krise wahrgenommen wird. Und so trostlos sehen dann die MUFs, die Modularen Flüchtlingsunterkünfte, aus, die kaum ein Anwohner in seiner Nachbarschaft begrüßt. Aber wie wäre es ohne die vielen Millionen Personen, die bereits nach Deutschland gekommen sind und hier arbeiten? Das wäre zum Beispiel für mein Büro das totale Desaster. Weil wir zurzeit gerade etwa 15 unterschiedliche Herkünfte haben und eine völlig andere und kleinere Gruppe wären, wenn alle aus diesem Land kommen müssten. Und so wie bei uns sieht es in fast allen Branchen aus. Deshalb führt an kontinuierlicher Einwanderung und Integration kein Weg vorbei. Wie würde die denn aussehen, wenn wir nicht Getriebene wären, die immer nur das gezwungen Nötigste tun? Wenn wir diesen Prozess als eine rundherum richtige und wichtige Aufgabe ansehen würden? Auch als Chance, den alltäglichen und strukturellen Rassismus zu überwinden? Wenn Deutschland ein Willkommensland würde, dessen Bevölkerung sich über jeden freut und mit den Worten begrüßt: „Schön, dass Du da bist, lass uns gemeinsam die Welt besser machen“? Was wäre, wenn alle, die ins Land kommen, sofort anfangen könnten, mitzuhelfen und zu arbeiten, wie in Dänemark? Denn über die gemeinsame Arbeit sind Sprache, Anerkennung und Teilhabe viel leichter zu erreichen. Was wäre, wenn Geflüchtete nicht in temporären, gesichtslosen Massenunterkünften zu Tausenden auf Rollfeldern von ehemaligen Flughäfen, sondern in dauerhaften und gemischten Quartieren wohnen könnten? Was wäre, wenn Migranten, Planer, Handwerker und Anwohner zusammenarbeiten würden, um diese Quartiere zu sanieren oder zu errichten? Was wäre, wenn die Standards in diesen Quartieren neu definiert würden und stärker Wert auf Orte der Begegnung, des Selbermachens und des Miteinanders gelegt würde? Und Gebäude als Eigenbauten zugelassen wären? Was wäre, wenn aus Flüchtlingslagern Willkommensstädte würden, Arrival Cities, wie sie Doug Saunders nennt? Ja, es geht um ein Dach über dem Kopf. Aber auch um gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung. Für die, die ankommen. Aber auch für die, die schon da sind und keine Wohnung finden. Und die Kreativen, die keine Produktions- und Ausstellungsflächen finden. Am besten für alle und mit allen gemeinsam. Mit ghettoartigen Provisorien wird das nichts. Deshalb müssen die Strukturen aufgebaut werden, die aus Versprechen Wirklichkeit werden lassen. Mit Best-Practice-Netzwerken, Kuratorien und ambitionierten Beiräten, die diese Quartiere von der Auswahl der diversen Beteiligten bis hin zur Fertigstellung vor Ort begleiten. Mir geht es um die verbindenden Visionen einer Gesellschaft, die Bilder von sich und ihrer Zukunft entwickelt und nach deren Realisierung strebt. Diese Willkommensstädte könnten zum Symbol für diese Gesellschaft werden. Was kann die Immobilienwirtschaft dazu beitragen? „WENN ALSO MASSIVER SCHADEN DURCH SCHRUMPFUNG DER WIRTSCHAFTSLEISTUNG ABGEWENDET WERDEN SOLL, MUSS DAS ÜBER ZUWANDERUNG GELÖST WERDEN.“ Eike Becker, Architekt EIKE BECKER leitet seit 1999 zusammen mit Helge Schmidt das Büro Eike Becker_ Architekten in Berlin. Internationale Projekte und Preise be- stätigen seitdem den Rang unter den erfolgreichen Architekturbüros in Europa.
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