114 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 Nachhaltigkeit & Technologie Künstliche Intelligenz jenseits der 80 Prozent nach ein bis zwei Jahren, auch bei komplexeren Dokumenten wie mehrseitigen Rechnungen. Eine Beschleunigung und bessere Werte gibt es oft bei OCR-Interpretationen über die Cloud, wo etwa Rechnungen von vielen tausend Unternehmen aller Branchen anonymisiert durch einen externen Service analysiert und die Werte dann nach 10 bis 60 Sekunden zurückgespielt werden. Da lassen sich im Tausch gegen Datenabgabe externe Lernkurveneffekte nutzen.“ Fazit: „Etwas Geduld für den Weg dorthin muss man aber aufbringen – sowohl das Management als auch die Arbeitsebene.“ DER NUTZEN RECHTFERTIGT DEN AUFWAND Oft liegt ein Hindernis in der mangelnden Verfügbarkeit oder Qualität der Daten. Zunächst hat dieser Zustand seine Wurzeln in der geringen Bereitschaft von Unternehmen, genügend Datenmaterial bereitzustellen. Dabei würde der Nutzen den Aufwand rechtfertigen, argumentiert Dr. Christian Westphal, CEO von Crem Solutions: „Da die Macht der Künstlichen Intelligenz ganz von Qualität und Anzahl von Daten abhängig ist, bietet sich gerade kleinen und mittleren Unternehmen hier die Chance zu einem digitalen Quantensprung: Statt nur jeweils die notwendigsten Daten zu verarbeiten, sollten sie, im Rahmen der DSGVO, so viele wie möglich erheben und digital verwertbar archivieren. Neben den Informationen aus dem eigenen Geschäft empfiehlt es sich auch, externe Daten wie im Internet verfügbare Geo-, Einkommens- oder Fluktuationsdaten einzubeziehen und entsprechend aufzubereiten. So ließe sich etwa für eine Region die Entwicklung der Leerstandsquoten sowie der Mietpreise verlässlicher vorhersagen als nur über ein Bauchgefühl. Die tatsächliche Entwicklung wird wieder in die KI-Software gefüttert, womit der Lernprozess des Systems voranschreitet.“ fizierter KI-Experte bei Grant Thornton: „Im Zuge der Grundsteuerreform haben wir auch große Wohnungsunternehmen mit unserem KI-Roboter unterstützt: Dieser erfasst Daten aus verschiedenen ERP- und vorgelagerten Systemen, ruft Bodenrichtwerte automatisch ab, füllt die Erklärungen automatisch aus, leistet auch den Abgleich mit eingehenden Bescheiden und erstellt automatisiert einen Einspruch.“ ALSO LAUTET EIN BESCHLUSS, DASS KI ERST LERNEN MUSS Egal wie gut die KI-Lösungen theoretisch funktionieren, um ihr Potenzial ausschöpfen zu können, muss die Software zunächst einmal anhand adäquater Daten angelernt werden. Das bedeutet: Realistische Daten müssen in ausreichender Menge vorhanden sein, und die Systeme müssen damit in ebenso realistischen Szenarien ihre Trefferrate unter Beweis stellen. Wie das praktisch aussieht, schildert Marko Broschinski, Head of Sales bei Inteal Solutions: „Im Prinzip lernt eine KI ebenso wie ein Mensch: durch Wiederholung und Verbesserung. Die Software erhält beispielsweise ein Dokument und analysiert es zunächst allgemein mit dem Ergebnis: ‚Das ist ein Mietvertrag.‘ Am Anfang überprüft ein Mensch das Resultat, bestätigt oder verwirft den Befund und spiegelt das Urteil ins System zurück. Auf diese Weise führt der Lernprozess zu immer besseren Ergebnissen und wachsender Zuverlässigkeit.“ Doch dieser Weg ist nicht im Handumdrehen zurückgelegt, wie Prof. Jonas Hahn anmerkt: „Aus OCR-Einführungsprojekten* kann ich sagen: Die Lernkurve startet subjektiv enttäuschend niedrig, nimmt aber bei regelmäßigem Einsatz nach einigen Wochen Fahrt auf und steigert sich über Monate auf zufriedenstellendere Werte. Einzelne Unternehmen berichten sogar von fehlerfreien Erkennungsraten GEBÄUDETECHNIK Durch eine zeitliche Analyse der Rohdaten aus der Gebäudetechnik lassen sich Trends identifizieren. Damit wiederum lassen sich Vorhersagen ableiten, die rechtzeitiges, oft sogar automatisiertes Handeln ermöglichen. Es können zeitabhängige Prognosen für Wartungsaufwände, Sanierungsbedarf, Gebäudeauslastung, Personalbedarf und viele andere Parameter ermittelt werden. FACILITY MANAGEMENT KI-Systeme bieten dem Facility Management die Möglichkeit, mittels digitaler Assistenten eingehende Schadensmeldungen von Mietern oder Eigentümern beschleunigt zu bearbeiten. Die zur Schadensbehebung nötigen Informationen und Maßnahmen werden automatisiert zusammengestellt und an die Handwerkspartner übermittelt. TRANSAKTIONEN Zielgerichtet angereicherte Daten erlauben es zudem Käufern und Verkäufern von Immobilien den jeweils optimalen Partner zu finden. Mit KI versehene Chatbots sind hierbei besonders hilfreich. Sie können durch Nutzung interner und externer Daten Fragen beantworten und Interessenten mit einem Immobilienmakler in Verbindung bringen. Aus entsprechend gut gepflegten Verhaltensdatenbanken prognostiziert die Software Wahrscheinlichkeiten dafür, wann, wo, zu welchem Kaufpreis und bei welchen Immobilien potenzielle Käufer tätig werden. BEWERTUNG Die Bewertung und Bepreisung von Immobilien ist ein weiterer wichtiger Einsatzzweig für die KI-Technologie. Dazu benötigen die Tools eine möglichst umfassende Basis aus historischen Daten, um daraus Prognosen zur künftigen Preisentwicklung und zum Verkaufspotenzial abzuleiten. Dabei können auch Daten zum Infrastrukturumfeld oder zu Bevölkerungsentwicklung, Kaufkraftverteilung und Freizeitangebot in der Umgebung einbezogen werden. KI UND ... *OCR (engl). steht für „Optical Character Recognition“, also die automatische Erkennung von Text in digitalen Dokumenten.
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