Duldungsverfügungen gegenüber den einzelnen Eigentümern. Der einzelne Eigentümer kann die Gemeinschaft nicht unter Berufung auf die fehlende Beschlussfassung hindern, ihren öffentlich-rechtlichen Pflichten aus der Verfügung nachzukommen. OVG Lüneburg, Beschluss v. 16.11.2022, 1 ME 106/22 Fakten: Die Baubehörde überprüft eine Wohnungseigentumsanlage. Es handelt sich um ein zwölfgeschossiges Hochhaus. In dem im Jahr 1970 errichteten, mehr als 30 m hohen Gebäude gibt es 48 Wohnungen. Die Außenwände sind mit Faserzementplatten verkleidet. Die Baubehörde gibt der Gemeinschaft auf, diese Fassadenverkleidung zu entfernen. Dem kommt sie nicht nach. Die Baubehörde setzt daher ein zuvor angedrohtes Zwangsgeld in Höhe von 100.000 Euro fest und droht bei Nichtbefolgung weitere Zwangsgelder an. Die Gemeinschaft legt Widerspruch ein und beantragt vorläufigen Rechtsschutz. Diesen Antrag lehnt das VG mit ab. Dagegen wendet sich die Gemeinschaft. Entscheidung: Ohne Erfolg! Richtiger Adressat einer bauaufsichtlichen Verfügung gem. § 85 Abs. 2 NBauO sei die Gemeinschaft der Eigentümer, weil diese die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte ausübe und die entsprechenden Pflichten der Eigentümer wahrnehme. Demzufolge müsse auch die Vollstreckung gegenüber der Gemeinschaft erfolgen. Fazit: Die Behörden haben früher häufig angenommen, eine Verfügung in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum könne gegenüber dem Verwalter ergehen. Diese Möglichkeit ist jedenfalls seit dem 1.12.2020 vom Tisch. UNBILLIGER NACHTEIL DURCH MAUER? Eine 70 cm hohe Gabionenwand, verkleidet mit einer 1,80 m hohen Wand aus Holz, stellt in der Regel keinen unbilligen Nachteil dar. LG München I, Urteil v. 22.9.22, 36 S 613/22 WEG Fakten: Ein Eigentümer errichtet auf der einen Terrasse (Sondernutzungsrecht) eine über die Frontbreite (ca. 6,60 m) verlaufende Mauer. Die Eigentümer gestatten dies nachträglich. Dagegen geht Eigentümer K vor. Entscheidung: Ohne Erfolg! Der Beschluss entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Der Eingriff in die äußere Gestalt der Wohnanlage ist nicht so krass, dass er das charakteristische Aussehen der Wohnungseigentumsanlage verändere. zu ändern, ist grundsätzlich nur für künftige Wirtschaftspläne und darauf beruhende Jahresabrechnungen ordnungsmäßig. Etwas anderes gilt, wenn besondere Umstände vorliegen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der bisherige Umlageschlüssel unbrauchbar oder in hohem Maße unpraktikabel ist oder dessen Anwendung zu grob unbilligen Ergebnissen führt. ANFECHTUNGSKLAGE: KLÄGER GIBT FALSCHE ADRESSE AN Eine ordnungsmäßige Klageerhebung setzt grundsätzlich die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers voraus. Es reicht nicht aus, die Adresse eines Postdienstleisters anzugeben, der lediglich mit der Weiterleitung der an den Kläger gerichteten Post beauftragt ist. BGH, Urteil v. 7.7.2023, V ZR 210/22 Fakten: Eigentümerin K erhebt eine Anfechtungsklage. Dort ist als ihre Adresse die Adresse eines in Deutschland ansässigen Postdienstleisters angegeben. Diesen hat K, die nicht in Deutschland wohnt, vertraglich verpflichtet, Post an sie weiterzuleiten. Ihre Wohnanschrift teilt K nicht mit. Mit der Anfechtungsklage will K verschiedene in einer Versammlung im April 2021 gefasste Beschlüsse für ungültig erklären lassen. Entscheidung: Ohne Erfolg! Eine Klageschrift müsse den Wohnort des Klägers enthalten. Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift diene der Identifizierung des Klägers. Gleichzeitig dokumentiere dieser mit der Angabe seine Bereitschaft, sich möglichen nachteiligen Folgen des Prozesses, insbesondere einer Kostentragungspflicht, zu stellen und damit den Prozess nicht aus dem Verborgenen heraus zu führen. Fazit: Gibt die klagende Partei keine Adresse an und nennt auch keine triftigen Gründe für die Vorenthaltung, gibt sie zu erkennen, dass sie den Prozess aus dem Verborgenen führen will, um sich einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen. Dieses Verhalten sieht der BGH in ständiger Rechtsprechung als rechtsmissbräuchlich an. Die Verwaltung sollte stets bemüht sein, die aktuellen Wohnanschriften der Eigentümerinnen und Eigentümer zu kennen. Sie kann die Eigentümer aber nicht dazu zwingen. VOLLSTRECKUNG: DULDUNGSVERFÜGUNGEN? Vollstreckt die Bauaufsichtsbehörde gegen die Gemeinschaft der Eigentümer eine bauaufsichtliche Verfügung, die ausschließlich das gemeinschaftliche Eigentum (§ 1 Abs. 5 WEG) betrifft, bedarf es keiner 104 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 Verwaltung & Vermarktung Recht
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