Immobilienwirtschaft 1/2024

URTEIL DES MONATS: BELEIDIGUNG ALS WEG-STREITIGKEIT Nimmt ein Wohnungseigentümer einen anderen Wohnungseigentümer auf Unterlassung oder Schadensersatz wegen einer Äußerung in Anspruch, handelt es sich nur dann um eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG, wenn die Äußerung in einer Eigentümerversammlung oder auf einer Sitzung des Verwaltungsbeirats getätigt wurde. Dies gilt unabhängig von Inhalt und Anlass der Äußerung. BGH, Urteil v. 22.9.2023, V ZR 254/22 Fakten: Zwischen zwei Wohnungseigentümern kommt es seit Langem zu diversen Auseinandersetzungen. Am 6.3.2018 werden Wohnungseigentümer B und seine Ehefrau zur Reinigung von Entwässerungsrinnen verurteilt. Später kommt es zu einem Zusammentreffen der Parteien auf dem Grundstücksvorplatz, bei dem B den K beleidigt. Das AG verurteilt B zur Zahlung von nur 147,56 Euro. Die dagegen gerichtete Berufung verwirft das LG wegen Nichterreichens der erforderlichen Berufungssumme als unzulässig. Auf die Rechtsbeschwerde des K geht es um die Frage, ob es sich hier um eine wohnungseigentumsrechtliche Frage handelt. Entscheidung: Der BGH verneint das. Maßgeblich sei, ob das von einem Eigentümer (oder ihm gleichstehenden Personen) in Anspruch genommene Recht oder die ihn treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit stehe, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Eigentümer erwachsen sei. Daran fehle es hier. Nehme ein Eigentümer einen anderen Eigentümer auf Unterlassung oder Schadensersatz wegen einer Äußerung in Anspruch, handele es sich nur dann um eine eigentumsrechtliche Streitigkeit, wenn die Äußerung in einer Eigentümerversammlung oder Beiratssitzung getätigt worden sei. Fazit: Noch 2017 entschied der BGH, eine WEG-Streitigkeit liege vor, wenn ein Eigentümer von einem anderen Eigentümer auf Unterlassung bzw. auf Widerruf von Äußerungen in Anspruch genommen werde, die er in einer Versammlung getätigt habe, es sei denn, ein Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis der Eigentümer sei offensichtlich nicht gegeben (BGH, Beschluss v. 17.11.2016, V ZB 73/16, Rn. 12). Diese Lösung korrigiert er nun! Er geht über sie hinaus, weil er jetzt auch Sitzungen des Beirats nennt. Außerdem: Jede beleidigende Äußerung in einer Versammlung oder in einer Sitzung des Beirats soll eine WEG-Streitigkeit sein. Ein Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis der Eigentümer muss nicht geprüft werden. ERMESSEN BEI DER VERWALTERBESTELLUNG Steht für die Verwalterwahl nur ein Kandidat zur Auswahl und legt dieser annehmbare Konditionen für den Verwaltervertrag vor, reduziert sich das Ermessen der Wohnungseigentümer im Regelfall auf die Wahl dieses Kandidaten. LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 22.8.2023, 2-13 T 56/23 Fakten: Der Bevollmächtigte des Wohnungseigentümers K lädt zu einer Versammlung. In der Einladung wird mitgeteilt, nur Verwalter X, dessen Name und Sitz mitgeteilt wird, sei bereit, die Kleinst-Wohnungseigentumsanlage (drei Wohnungseigentumsrechte) zu verwalten. Als Honorarvorstellungen werden 55 Euro plus MwSt. pro Monat und Einheit angegeben. Es wird der Entwurf einer Niederschrift übersandt. X soll für fünf Jahre bestellt werden. In der Versammlung wird dieser Beschluss nicht gefasst. Dagegen geht K vor. Entscheidung: Mit Erfolg! Die Ablehnung der Beschlussfassung über die Verwalterbestellung habe keiner ordnungsmäßigen Verwaltung entsprochen. Denn in einer verwalterlosen Gemeinschaft bestehe ein Anspruch jedes Eigentümers auf einen Verwalter. Dieser Anspruch habe hier nur durch die Bestellung des X erfüllt werden können. Zwar seien der Einladung keine Alternativangebote beigefügt worden. Es sei aber auch unstreitig, dass weitere Personen nicht bereit gewesen seien, die Kleinst-Wohnungseigentumsanlage zu verwalten. Gebe es nur einen Kandidaten, der zur Auswahl stehe und annehmbare Konditionen vorlege, reduziere sich das Ermessen der Eigentümerinnen und Eigentümer aber im Regelfall auf die Wahl dieses Kandidaten. Inhaltliche Einwände gegen das Angebot des X seien hier nicht vorgetragen worden. Fazit: Der Entscheidung ist zuzustimmen, wenn die Suchweite ausreichend war. Hier gilt: Bei der Suche nach Alternativ- und Konkurrenzangeboten bestehen grundsätzlich keine geografischen Grenzen. Es kann sowohl regional als auch überregional bzw. auch über die Landesgrenze hinaus nach Angeboten gefragt werden. URTEILE WEG-RECHT 102 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 Verwaltung & Vermarktung Recht

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