Immobilienwirtschaft 1/2024

101 · Immobilienwirtschaft · 01 / 2024 Ein Hindernis, das einfach nicht durch den technologischen Fortschritt gelöst werden kann, ist die Verfügbarkeit von Daten. In transparenteren Märkten, wie beispielsweise Großbritannien, den USA oder den Niederlanden, gibt es mehr Datenpunkte, die leichter verfügbar sind. Das „mehr“ ist hierbei im Verhältnis zur Datenverfügbarkeit in Deutschland zu sehen. Im Vergleich zu anderen Anlageklassen, wie Aktien oder Staatsanleihen, gibt es einfach zu wenig Handel und damit auch zu wenig Datenpunkte, die zudem über eine wesentlich höhere Komplexität verfügen, was Vergleiche und Projektionen ungleich schwieriger macht. Der Gesetzgeber und unsere Kultur sind ein, aber bei Weitem nicht das größte Hindernis für den beschriebenen Widerstand – es ist die Natur der Sache. DAS GESETZ DER GROSSEN ZAHLEN Für einige Anwendungsbereiche haben sich AVMs schon in der Vergangenheit, teilweise unter einem anderen Namen, bewährt. AVMs kommen schon seit Jahren erfolgreich bei Grobschätzungen der Finanzierungsrahmen für kleine Wohneinheiten zum Einsatz. Selbst in den innovationsfreudigen USA wird die Grenze für eine formelle Anerkennung von automatisierten Bewertungen je nach Situation aber bei 250.000 bis einer Million Dollar gesetzt. Am anderen Ende der Skala kommt das „Gesetz der großen Zahlen“ den AVMs zugute und für meist interne Gewichtungen größerer Wohnportfolien können gute Lösungen geliefert werden. Der Ansatz, schnell und über eine große Anzahl hinweg Analysen Alle Kapitalanlagen lassen sich heute in Sekundenschnelle automatisiert bewerten. Alle? Nein – eine Klasse leistet noch Widerstand: die Immobilie. Unter dem Stichwort „AVM“ (AUTOMATED VALUATION MODELING) steht heute eine Reihe von Tools bereit, die den Wert einer Immobilie automatisiert ermitteln. Die Qualität dieser ermittelten „Werte“ wird immer besser. Aber es gibt auch Grenzen. DOMINIK BRUNNER FRICS, VORSTANDSMITGLIED RICS DEUTSCHLAND, GESCHÄFTSFÜHRER ARELIO GMBH – REAL ESTATE SYSTEMS, DIGITALIZATION AND BEYOND zu erstellen, ist – besonders im Finanzierungsbereich – sehr interessant und im Einsatz. Andererseits erweisen sich beispielsweise Gewerbeimmobilien mit ihren wesentlich höheren Varietäten einer automatisierten Bewertung gegenüber als schwierig. Der neu errichtete U-Bahn-Aufgang neben der Ladenzeile, die Attraktivität eines Bürohochhauses oder der Charme eines Altbaus – die Inaugenscheinnahme und die Expertenmeinung sind aus formellen und aus praktischen Gründen heute und auch in Zukunft ein wichtiger Bestandteil einer Bewertung. Hier kann AVM als Tool zur Zweitmeinung sehr gute Dienste leisten. In diesem Zusammenhang sei auf das RICS Insight Paper „Automated valuation models: implications for the profession“ verwiesen. Zu beachten ist auch die Problematik der Intransparenz. Eine bessere Kalkulation ist komplexer, damit aber schwerer nachvollziehbar – genau dies ist aber oft gefordert. Ebenso unterliegt ein rein algorithmischer Ansatz schnell einem selbstverstärkenden Effekt, bei dem Marktteilnehmer nach den eilig erhaltenen Werten agieren und damit exponentiell trendverstärkende Inputs liefern. Algorithmen haben Börsencrashs verursacht. Ohne Vorsicht ist die Gefahr auch für Immobilienmärkte gegeben. AVMs können dennoch von großem Nutzen sein – unter anderem bringen sie auch die Immobilie näher an den Kapitalmarkt. Wir sollten uns aber der Grenzen bewusst sein – eben damit diese Anlage interessant bleibt. Zusammen mit der gif e.V. arbeitet die RICS an einer Publikation, um die Brücke zwischen der klassischen Bewertung und den AVM-Lösungen zu schlagen. DIE INAUGENSCHEINNAHME UND DIE EXPERTENMEINUNG SIND AUCH IN ZUKUNFT WICHTIGER BESTANDTEIL DER BEWERTUNG. Menschen & Märkte Verbandsinformation AUTOMATISIERTE IMMOBILIEN- BEWERTUNG: ES GIBT GRENZEN Whitepaper zum Thema „AVM“ im Download.

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