Immobilienwirtschaft 9/2019

56 VERMARKTUNG & MANAGEMENT I RECHT Mietrecht Aktuelle Urteile Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung desMietverhältnisses ver- langen, wenn die Beendigung des Miet- verhältnisses für ihn, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten würde. Vorliegend kamen als Härtegrün- de in Betracht: das hohe Lebensalter der Mieterin, die lange Wohndauer, eine al- tersbedingte Erkrankung (Demenz), das in Berlin bestehende unzureichendeWoh- nungsangebot. Alle Gründe sind am Ein- zelfall auszurichten. Eine Erkrankung des Mieters kann in Verbindung mit dessen hohem Lebensalter und langer Wohnzeit in der Gesamtschau zu einer Härte führen, wenn im Falle eines Wohnungswechsels die ernsthafte Gefahr einer erheblichen FAKTEN: Die Entscheidung betrifft ein Mietverhältnis über eine 73Quadratmeter große Drei-Zimmer-Wohnung in Berlin zu einer Monatsmiete von 482 Euro. Das Mietverhältnis wurde im Jahre 1937 be- gründet. Die Mieterin ist mittlerweile 79 Jahre alt. Die Wohnung wurde im August 2015 veräußert. Der Erwerber hat das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs ge- kündigt. Die Mieterin hat der Kündigung widersprochen. Das Landgericht hat das Mietverhältnis auf Grund des Kündi- gungswiderspruchs auf unbestimmte Zeit fortgesetzt. Auf die Revision des Vermie- ters hat der BGH das Urteil aufgehoben. ENTSCHEIDUNG: Nach § 574 Abs.1 Satz 1 BGB kann der Mieter der Kündigung des Urteil des Monats: Grundsatzentscheidung des BGH zur Anwendung der Sozialklausel Hohes Alter eines Mieters und/oder lange Mietdauer alleine stellen ohne weitere Feststellungen noch keine Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Kommen noch Erkrankungen hinzu, aufgrund deren beim Mieter eine Ver- schlechterung seines gesundheitlichen Zustands zu erwarten ist, kann dies in der Gesamtschau zu einer Härte führen. BGH, Urteil v. 22.05.2019, VIII ZR 180/18 FAKTEN: Die Vermieterin einerWohnung verlangt vomMieter die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Siemeint, sie könne die Zustimmung zu einerMieterhöhung bis zur obe- ren Grenze der ortsüblichen Vergleichsmiete beanspruchen. Der BGH verneint dieses Recht. Gelangt ein Sachverständiger zu einer großen Streubreite der gezahlten Mieten, könne nicht ohne Weiteres der obere Wert als ortsübliche Vergleichsmiete zugrunde gelegt werden. Stets müssten qualitative Unterschiede der Vergleichswohnungen zu der zu beurteilendenWohnung berücksichtigt werden, etwa durch Zu- und Abschläge oder ein Punktesystem. Soweit sich danach eine breiteMarktstreuung ergibt, dürfe die ortsüb- liche Vergleichsmiete nicht mit dem oberen Wert der Streubreite gleichgesetzt werden. FAZIT: Es kann grundsätzlich gerechtfertigt sein, den arithmetischen Durchschnitts- wert anzusetzen. Kommt es jedoch zu einer auffälligen Häufung der Vergleichsmieten um einen kleinen Wert herum, kann die dadurch repräsentierte kleine Bandbreite die ortsübliche Vergleichsmiete darstellen, sodass der Vermieter die Zustimmung zu einer Mieterhöhung bis zum höchsten Wert dieser kleinen Bandbreite verlangen kann. ORTSÜBLICHE VERGLEICHSMIETE Breite Streuung der Miethöhe Stellt ein Sachverständiger im Miet erhöhungsprozess eine breite Streu- ung der Miethöhe von Vergleichswoh- nungen fest, darf das Gericht nicht ohne Weiteres den höchsten Wert als ortsübliche Vergleichsmiete ansetzen. BGH, Urteil v. 24.04.2019, VIII ZR 82/18 Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des erkrankten Mieters besteht. Bei der Bewertung und Gewichtung der widerstreitenden Interessen haben die Richter jedoch auch den Belangen des Vermieters, der die Mietwohnung zum Zwecke der Selbstnutzung erworben hat, eine angemessene Bedeutung zuzumes- sen. Daran hat es hier gefehlt. FAZIT: Der Mieter hat ein fachärztliches Attest vorzulegen. Das Gericht hat ggf. von Amts wegen ein Sachverständigen- gutachten zu Art, Umfang und den kon- kreten Auswirkungen der beschriebenen Erkrankung auf die Lebensführung des betroffenen Mieters und den Verlust der vertrauten Umgebung einzuholen.

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