Immobilienwirtschaft 9/2019

49 www.haufe.de/immobilien 0 9.2019 Virtuelle WEG-Versammlungen sind technisch längst möglich. Software-Hersteller arbeiten bereits an entsprechenden Tools (siehe Seite 46). Rechtlich indes wird die Technologie ausge- bremst. Wohnungseigentümer und Verwalter agieren mit Notlösungen. Das muss sich ändern. Rechtspolitisch spricht einiges für die Zulassung virtueller Eigentümer- versammlungen: Sie können ein Mittel sein, um die Beschlussträgheit der Woh- nungseigentümer und den damit verbun- denen nachgewiesenen Sanierungsstau deutscher Eigentümergemeinschaften im Vergleich mit anderen Immobilieneigen- tümern abzubauen. Bereits wegen der Rechtsunsicherheit muss der Gesetzgeber handeln Auch das Berufsbild des gewerblichen Verwalters könnte durch sie gestärkt wer- den, da Eigentümerversammlungen wäh- rend der üblichenGeschäftszeiten stattfin- den könnten. Beschlussanträge und sons­ tige Informationen können problemlos in der Versammlung online angezeigt und zur Abstimmung gestellt werden. Die Rechtsunsicherheit und das Haf- tungsrisiko für den Verwalter bei der Herbeiführung formell mangelhafter oder sogar nichtiger Beschlüsse (§ 49 Abs. 2 WEG) machen jedoch ein gesetzgebe- risches Handeln erforderlich. deutlich näher ist als die Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren. Die Präsenzversammlung lebt von fol- genden Eigenschaften: › freie Zugänglichkeit für jeden Woh- nungseigentümer unter Schutz der Nichtöffentlichkeit, › freier Austausch der Meinungen, › freie Rede, Abstimmung über einen Beschlussantrag mit Feststellung des Abstimmungs- und Verkündung des Beschlussergebnisses durch den Ver- sammlungsleiter, › jederzeitige Prüfbarkeit von Beschluss- fähigkeit und Mehrheitserfordernissen. Die Erfüllung dieser Eigenschaften und Funktionen muss auch bei einer On- lineteilnahme gewährleistet sein. Ein Ver- walter, der sich entsprechende Software anschafft und die erforderliche Modera- tionstechnik beherrscht, kann Versamm- lungen real und virtuell stattfinden lassen. Wo eine Eigentümerversammlung stattfindet, unterliegt dem Einladungs­ ermessen des Verwalters. Ermessensgren- zen ergeben sich aus der Funktion der Ver- sammlung als dem Ort der gemeinsamen Willensbildung. Nach ganz h.M. muss der Ort daher verkehrsüblich und zumutbar sein. Diese Aussage muss entsprechend auf eine virtuelle Versammlung bzw. vir- tuelle Teilnahme übertragen werden: Wer als Wohnungseigentümer bereit ist, sich die technische Ausrüstung anzuschaffen oder bei einemMiteigentümer oder beim Verwalter in Anspruch zu nehmen, wird in seinenMitgliedschaftsrechten nicht be- einträchtigt. Nach alldem ist anzunehmen, dass das WEG keinen Versammlungsbegriff definiert, sondern dieser vielmehr aus den Funktionen der Mitgliederversamm- lung und dem Kernbereich der Mitglied- schaftsrechte abzuleiten ist. Zum mitgliedschaftlichen Kernbe- reich der Eigentümerversammlung gehört es, dassWohnungseigentümer eingeladen werden, sich rechtzeitig informieren und vorbereiten können, in der Versammlung aktiv teilnehmen können, etwa durch Ausübung des Rede-, Antrags- und – vor allem – des Stimmrechts. Unterzieht man die diversen Erscheinungsformen der Beschlussfassung einem qualitativen Vergleich, zeigt sich, dass die Onlineteil- nahme an der Eigentümerversammlung den Funktionen der Präsenzversammlung « Dr. Jan-Hendrik Schmidt, Hamburg Dr. Jan-Hendrik Schmidt, W.I.R Breiholdt Nierhaus Schmidt Rechtsan- wälte PartG mbB, www.wir-breiholdt.de AUTOR Virtuelle Konferenzen sind in allen Lebensbereichen an der Tagesordnung. Bei der Eigentümerversamm- lung gibt es noch rechtliche Vorbehalte.

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