Immobilienwirtschaft 9/2019
10 POLITIK, WIRTSCHAFT & PERSONAL I WOHNUNGSUNTERNEHMEN lich), sich zuvorderst Mietern verpflichtet zu fühlen. Schlagzeilenmachten in diesem Zusammenhang zuletzt die Branchenrie- sen: Vonovia kündigte an, ältere Mieter im Zweifel nicht aus ihren Wohnungen vertreiben zu wollen. Außerdem hat das Unternehmen Beteiligungsformen entwi- ckelt, bei denen Mieter in die Gestaltung ihres Umfelds einbezogen werden sollen. Die Deutsche Wohnen erklärte inmitten der erhitzten Debatte über einen Mieten- deckel für Berlin, eine freiwilligeMietober- grenze für ihre Bestände einzuführen: Ab 1. Juli werden künftige Miet erhöhungen so begrenzt, dass ein Haushalt maximal 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Nettokaltmiete aufwenden muss. Fer- ner solle jede vierte neu zu vermietende Wohnung an Mieter mit Wohnberechti- gungsschein vergeben werden. Die Idee sei im Vorstand entstanden, sagt Sprecher Rosteck – und verdeutlicht damit die gestiegene Bedeutung vonKom- munikationsprozessen für die Konzerne: Auch bei Vonovia ist es häufig Firmenchef Buch selbst, der in Interviews Projekte vor- stellt oder Diskussionsbeiträge liefert. Die Geschäftsführung zeigt Gesicht, auch das war früher anders. Für Immobilienmarkt- experte Kofner sind solche angekündigten Maßnahmen allerdings vor allem ein Zei- chen dafür, dass den Unternehmen ange- sichts der angekündigten politischen Vor- haben und der öffentlichen Stimmung der Schreck in die Glieder gefahren ist. Andere Branchenvertreter versuchen sich derweil abzugrenzen. Sie verweisen auf eigene Strategien, mit denen man kontinuierlich auf ein stabiles, gutes Ver- hältnis zu Mietern hinwirke. So plant die LEG einen Kundenbeirat, mit dem Mie- ter „proaktiv in Entscheidungsprozesse“ zu Quartiersentwicklung und Dienstleis tungsangeboten eingebunden werden sollen. Je regionaler ein Unternehmen ausgerichtet ist, desto leichter ist frei- lich die direkte Kommunikation und die Möglichkeit, sich ein profiliertes Image zu geben. Nicht zuletzt werde man so als verlässlicher Partner für Kommunen und Städte vor Ort wahrgenommen, sagt TAG- Sprecherin Mann. Vivawest hat vor zehn Jahren eine eigene Stiftung eingerichtet, mit der beispielsweise Jugendtreffs geför- dert werden. Und von Grand City Pro- perties heißt es, ein intensiver Dialog mit Mietern habe sich schon immer gelohnt. Mieter und Anleger der Wohnungskonzerne haben unterschiedliche Interessen Doch auch wenn die einzelnen Maß- nahmen bei Mietern für gute Stimmung sorgen: Anleger börsennotierter Konzerne finden einen Renditeverzicht in der Regel weniger gut. Die Aktie der DeutscheWoh- nen rutschte im Zuge der Mietendeckel- Diskussion in denKeller. Sprecher Rosteck wiegelt ab: Der aktuelle Kurs zeige zwar, dass die politische Diskussion für Unruhe sorgt. „Für unsere langfristig orientierten Investoren stehen aber die weiterhin starken Fundamentaldaten im Vorder- grund.“ Auch Henckel erklärt: „Unsere größten Aktionäre verfolgen selbst eine nachhaltige Anlagepolitik und erwarten auch von Vonovia, dass unser Geschäfts- modell gesellschaftlich akzeptiert wird.“ Analyst Scharff pflichtet dem im Grundsatz bei. „Ein Wohnungsunterneh- menmit mehreren zehntausend Einheiten hat eine gewisse gesellschaftliche Verant- wortung, das sieht auch die Börse“, sagt er. Seiner Einschätzung nach sind vor allem ausländische Investoren abgesprungen, die die Situation inDeutschland nicht ein- schätzen können. „Sie versuchen es eher auf Märkten, auf denen weniger Wider- spruch zu erwarten ist.“ Scharff erwartet langfristig eine Konsolidierung; wer sich mehr Rendite erhoffe, sollte indes eher auf kleinere Aktien schauen, und zwar auch im Projektentwicklerbereich. „Deren Aktien bieten in der andauernden Nied- rigzinsphase auf jeden Fall ein höheres Upside-Potenzial.“ « Kristina Pezzei, Berlin Experten- stimmen „Allein die Tatsache, dass es Initiativen wie ,Deut- sche Wohnen enteignen‘ gibt, zeigt, dass man in der Kommunikation Fehler gemacht hat.“ Analyst Stefan Scharff, Geschäfts- führer der SRC Research GmbH „Uns stellt sich die Frage, ob die Geschäftsmo- delle börsennotierter Wohnungsunternehmen künftig noch gesellschaft- lich akzeptiert werden und damit auch langfristig erfolgreich umgesetzt werden können.“ Dominique Mann, Head of Investor & Public Relations bei der TAG Immobilien AG „Zum Teil ist die Kritik ein Resultat der strategischen Ausrichtung großer Immo- bilienunternehmen in der Vergangenheit.“ Nina Henckel, Leiterin Konzernpresse bei Vonovia „Das nicht gerade positive Image ist bedauerlich, weil wir eine krasse Diskrepanz wahrnehmen zwischen dem, was wir tun, und wie wir gesehen werden.“ Marko Rosteck, Sprecher der Deutsche Wohnen SE
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