DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 8/2019
62 8|2019 RECHT WEG § 10 Abs. 2 Satz 3 Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung mit sog. „Geburtsfehlern“ Ein Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG setzt nicht voraus, dass sich tatsächliche oder rechtliche Umstände nachträglich verändert haben; er kommt auch in Betracht, wenn Regelungen der Gemeinschaftsordnung von Anfang an verfehlt oder sonst unbillig waren (sog. „Geburtsfehler“). BGH, Urteil vom 22.3.2019, V ZR 298/16 Bedeutung für die Praxis Wenn die Auslegung der Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung – die vor einer Anpassung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG zu versuchen ist – nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt, kommt jetzt selbst bei ursprünglich verunglückten unangemessenen notariellen Regelungen ein Anpassungsanspruch des einzelnen (benachteiligten) Wohnungseigentü- mers in Betracht. Dies gilt für ungerechte Kostenregelungen, die nicht schon einfacher über § 16 Abs.3 WEG durch Mehrheitsbeschluss geändert werden können, und für die angestrebte umfassendere Nutzung eines mit hohen Kostenanteilen verbundenen Sondernutzungsrechts. So etwa, wenn die nach der beste- henden Zweckbestimmung zulässige Nutzung zu einer erheblichen Ein- schränkung der wirtschaftlichen Verwertung der betroffenen Einheit führt, die durch die Änderung der Zweckbestimmung behoben werden kann. Beachte: Nicht möglich über § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG ist weiterhin eine Neuregelung der sachenrechtlichen Zuordnung zu Sondereigentum oder gemeinschaftlichem Eigentum. RIAG Dr. Olaf Riecke, Hamburg WEG-RECHT innerhalb der in Innenstadtlagen üblichen Grenzen hält, keinen zur Min- derung berechtigenden Mangel der vermieteten Wohnung darstellt, steht dem nicht entgegen, denn für Baulärm gilt diese Rechtsprechung nach Auffassung des Landgerichts nicht. Die Rechtsprechung zu Verkehrslärm ist auf Baulärm nicht übertragbar. In Großstadtlagen ist nicht generell mit Baulärm zu rechnen, im Gegensatz zu Straßenlärm, der dort regelmäßig auftritt. Eine Revision gegen dieses mieterfreundliche Urteil hat das Landgericht nicht zugelassen. RA Heiko Ormanschick, Hamburg BGB § 320 Zurückbehaltungsrecht und Zahlungsverzugskündigung Wann entfällt das Zurückbehaltungsrecht des Mieters? BGH, Urteil vom 10.4.2019, VIII ZR 39/18 Bedeutung für die Praxis Das Zurückbehaltungsrecht des Mieters an der laufenden Miete erfüllt den Zweck, den Vermieter durch den dadurch ausgeübten Druck zur Mangel- beseitigung anzuhalten. Redlicherweise kann das Zurückbehaltungsrecht nicht mehr ausgeübt werden und entfällt, wenn dieser Zweck verfehlt wird oder nicht mehr erreicht werden kann. Deshalb endet das Zurückbe- haltungsrecht nicht nur bei der Beseitigung des Mangels, sondern auch bei Beendigung des Mietverhältnisses sowie dann, wenn der Mieter dem Vermieter bzw. den von ihm mit der Prüfung und Beseitigung der Mängel beauftragten Personen den Zutritt der Wohnung nicht gewährt oder sonst die Duldung der Mangelbeseitigung verweigert. In all diesen Fällen kann das Zurückbehaltungsrecht die Funktion, den Vermieter zur Mängelbe- seitigung anzuhalten, offensichtlich nicht mehr erfüllen und werden die zurückbehaltenen Beträge in ihrer Gesamtheit grundsätzlich sofort zur Zahlung fällig. Anders verhält es sich hingegen, wenn der Vermieter lediglich behaup- tet, er habe den Mangel schon beseitigt. Eine solche Behauptung ist jedenfalls für sich genommen nicht geeignet, den Zweck des ausgeübten Zurückbehaltungsrechts als verfehlt anzusehen. Mit einer gegenteiligen Beurteilung wird verkannt, dass damit das Zurückbehaltungsrecht als Druckmittel des Mieters völlig entwertet würde, denn es stünde dann letztlich in dem Belieben des Vermieters, das Zurückbehaltungsrecht des Mieters (allein) durch Bestreiten des Bestehens oder des Fortbestehens eines Mangels zu unterlaufen. Außerdem bringt ein Vermieter, der sich im Prozess auf eine Mangelbeseitigung beruft, regelmäßig nicht zum Aus- druck, dass er eine Mangelbehebung auch für den Fall ablehnt, dass sich seine Behauptung im Rahmen der Beweisaufnahme nicht bestätigt. RA Heiko Ormanschick, Hamburg
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