DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 8/2019

ENERGIE UND TECHNIK 32 8|2019 Fensterbereiche innerhalb einer Sekunde auto- matisch zu erfassen; und das mit einer Flächen- abweichung von weniger als 2%. Bis es so weit war, musste das System – wie der Mensch – jedoch erst einmal knapp zwei Jahre lang üben. Dazuwurde es mit tausenden von kommen- tierten Gebäudebildern als Trainingsdatensätze „gefüttert“, auf denen die verschiedenen Bautei- le von vier extra dafür angestellten Ingenieuren gekennzeichnet worden waren. Mittels dieser Beispielbilder eignete es sich die Merkmale der Bauteile an, die es benötigte, um diese auch auf ihmunbekannten Fotos wiederzuerkennen. Dabei markiert es das jeweilige Bauteil mit einer für sei- ne Kategorie vergebenen Farbe. Planmaterial vom Rechner Auf dieser Grundlage leitet das System nicht nur für jedes Element seinen prozentualen Anteil an der Fassade sowie dessen Fläche in Quadratme- tern ab, sondern zeichnet diese Flächen auch nach. Zunächst grob, in Form von Polygonen, dann er- halten die Fenster und weitere Elemente durch eine eigens dafür programmierte Software über Eckerkennung rechte Winkel. So entsteht wei- testgehend automatisiert ein vereinfachter 2D- Fassadenplan mit Öffnungen, an dem im Rahmen des Planentwurfs bloß noch wenige Korrekturen durch einen Architekten vorgenommen werden müssen. Für das Projekt in Nürnberg reichte die Massen- bestimmung in dieser Form jedoch nicht aus. Denn bei dem Objekt der wbg Nürnberg handelt es sich um eine Wohnanlage, die Anfang des 20. Jahrhunderts im Stil des Historismus erbaut wurde und aufgrund ihrer städtebaulichen und architektonischen Qualität denkmalgeschützt ist. Deshalb galt es, einen CAD-Plan zu erstel- len, der alle Details der Fassade enthält; von den Dekorationen über sämtliche Fallrohre bis hin zu den Brüstungen und Sprossen der Fenster. Um diesen höheren Detaillierungsgrad des Planma- terials zu realisieren, war allerdings ein erhöhter Aufwand nötig. Fazit Durch die Innovation wird das, was bisher un- wirtschaftlich war, endlich leistbar: nämlich Pläne für den Bestand vorzuhalten. Denn so- wohl Fassadeansichten als auch 2D-Pläne der Innenräume lassen sich mit diesem Verfahren deutlich schneller und kostengünstiger erstel- len als mit klassischen Vermessungsmethoden. Dies zeigt, dass es sich bei künstlicher Intelligenz keineswegs um irgendeine abgehobene Spiele- rei handelt. Vielmehr kann sie schon jetzt von Wohnungsunternehmen sinnvoll in der Praxis eingesetzt werden. Natürlich können auf diese Weise ebenso 3D-Mo- delle für bestehende Gebäude erzeugt werden. Aber mit den Mitteln, die für nur einen digitalen Zwilling aufgewendet werden müssen, ist die An- fertigung sehr vieler 2D-Pläne möglich. Anstatt also durch ein einzelnes Leuchtturmprojekt in- novativ zu scheinen, macht es mehr Sinn, skalier- bare Innovationen möglichst flächendeckend zu nutzen, um das Bestandsmanagement insgesamt zu optimieren. Detaillierte Fassadenansicht des für die wbg Nürnberg erfassten Objekts Das künstliche neuronale Netz erkennt auf dem Bild (links) die einzelnen Bauteile, klassifiziert diese anhand der entsprechenden Farbe (unten) und markiert ihre Fläche (rechts)

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