DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 9/2019
nungswirtschaft und Wärmelieferanten nutzen, um den Klimazielen im Gebäudebereich schnell näher zu kommen. Wie stellen Sie sich das vor? Der EuGH hat entschieden, dass die deutsche För- derung von Stromaus erneuerbaren Energien und die Begrenzung der EEG-Umlage keine Beihilfe darstellen. Die Europäische Kommission führt in einer Mitteilung zum Begriff der staatlichen Beihilfe einige Punkte an, die zumindest Zweifel entstehen lassen, ob die Förderung der energeti- schen Gebäudesanierung überhaupt als Beihilfe zu qualifizieren ist. Die dem Urteil zur EEG-Umlage und der Mitteilung der Kommission zugrundelie- genden beihilferechtlichen Grundsätze sollte der Fördergeber genauer unter die Lupe nehmen. Was heißt das für die Wohnungswirtschaft? Ich komme im Rahmen einer gutachterlichen Stellungnahme zum Ergebnis, dass die Förderung der energetischen Gebäudesanierung bereits in ihrer aktuellen Ausgestaltung keine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) ist. Damit ist eine Beschränkung der Förderhöhe nach AGVO oder die bisher angewendete De-minimis-Rege- lungmeines Erachtens obsolet. Das Kurzgutachen ist unter www.herma-consulting.de ab rufbar. Kurzum: Die Förderung der energetischen Ge- bäudesanierung kann meines Erachtens in allen Förderprogrammen als beihilfefrei angesehen werden. Klimaziele erreicht man eben nicht mit Bürokratie, sondern mit nachhaltiger Energie- politik. Sie gehen also davon aus, dass die Förde- rung im kommenden Jahr überarbeitet wird. Welche Auswirkungen wird das für die Wohnungswirtschaft haben? Befristet ist die aktuelle Förderrichtlinie ist bis zum 31. Dezember 2020. Die Entscheidung über Änderungen oder eine Verlängerung obliegt dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Ich nehme Signale wahr, dass die Förderung für Effizienzmaßnahmen im Bereich Heizung beibe- halten werden soll. Ein Wegfall der Förderung für den hydraulischen Abgleich und damit verbun- dene Techniken wie Pufferspeicher, Entgasungs- anlagen, Ventile oder Hocheffizienzpumpen ist aus meiner Sicht undenkbar. Man muss sich vor Augen führen, dass wir in Deutschland für die Erzeugung von warmem Wasser 800 TWh ver- brauchen. Die deutschen Haushalte verbrauchen aber nur rund 130 TWh Strom pro Jahr. Der Hei- zungssektor ist also ein wichtiger Faktor bei der Erreichung der Klimaziele. Heute neu verbaute Heizungen werden die nächsten 15 bis 20 Jahre im Betrieb sein. Der Stand der Technik muss also auch die versprochene Effizienz liefern. Und das geht nur in Verbindung mit dem hydraulischen Abgleich. Im Bereich des Kesseltausches wird die Förde- rung voraussichtlich mehr auf erneuerbare Ener- gien und hybride Systeme setzen. Eine Förderung könnte dann durch die Installation eines Puffer- speichers ermöglicht werden – die Anlage wäre sozusagen „renewable-ready“. Die Förderung der Brennwerttechnologie könnte mit diesem Annex dann ein wichtiger Bestandteil des Förderregimes bleiben. Was wäre noch zu tun? Oftmals liegt der Fehler im Detail. So wird re- gelmäßig vergessen, den hydraulischen Abgleich beim Austausch der Heizungsanlage durchzu- führen. Moderne Brennwertkessel kommen dann überhaupt nicht in den Bereich der Kondensation. Die Anlage ist zwar neu, verbraucht aber die glei- che Energiemenge wie die alte. Dies ist ärgerlich und vermeidbar, gerade weil der hydraulische Abgleich und viele damit verbundene Maßnah- men durch das BAFA ja grundsätzlich gefördert werden. Der Gedanke, die Heizung als Gesamt- system zu verstehen, muss sich an dieser Stelle noch durchsetzen. Eine Abwrackprämie lediglich auf den Tausch des Wärmeerzeugers ist daher nicht das Mittel der erstenWahl. Die Heizungmuss endlich als System verstanden werden. Vielen Dank für das Gespräch. Das Interview führte Olaf Berger. „Die Klimaziele erreicht man nicht mit Bürokratie, sondern mit nachhaltiger Energiepolitik“
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