DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 9/2019
17 9|2019 Wer als Fußballprofi in der 1. Bundesliga spielt, kann nur in den seltensten Fällen auf diesem Ni- veau auch Handball spielen – obwohl doch das zugrundeliegende Spielgerät im Fußball wie im Handball rund ist. Im übertragenen Sinne gilt das auch für das Geschäft mit Wohn- und Gewerbeim- Quelle: immobilienmanager by Axel Schulten mobilien. Oberflächlich betrachtet geht es um ein und dasselbe – um Gebäude und vermietbare Flächen. Doch die Besonderheiten der jeweiligen Nutzungsart sind so ausgeprägt, dass Allrounder, die auf beiden Gebieten sattelfest sind, eine aus- gesprochen seltene Spezies sind. Wenn Wohnungsunternehmen Gewerbeimmobilien bauen Vor allem kommunale Wohnungsunternehmen bringt das in eine ambivalente Situation. Immer wieder und immer häufiger werden sie von ihren Eigentümern in die Pflicht genommen, Nutzun- gen jenseits des Kerngeschäfts Wohnen in ihren Beständen anzubieten. Meist handelt es sich dabei um soziale Infrastruktur: z. B. Kindertagesstätten oder Schulen. Die nächste Stufe ist dann die Anfor- derung, auch wohnungsnahen Dienstleistungen oder sozialen Trägern Flächen vorzuhalten. Und schon ist es nicht mehr weit bis zum vollstän- digen Überschreiten der „roten Linie“ und dem Angebot von klassischen gewerblich genutzten Flächen – Einzelhandel, Gastronomie, Büros mit Publikumsverkehr. Eine solche Vorgehensweise verspricht durchaus eine buntere Nutzungsmischung imQuartier, stei- gert also durch ein breiteres Dienstleistungsange- bot für die Nachbarn die Lebensqualität vor Ort. Was aber auch nicht zu unterschätzen ist: Zwar versprechen Gewerbeflächen in diesen Zeiten immer niedrigerer Mietrenditen im Kerngeschäft Wohnen einen nennenswerten Renditeaufschlag. Doch Vorsicht ist angebracht. Der Grundsatz von Kapitalanlagen lautet nicht von ungefähr: Niedri- ge Rendite, niedriges Risiko – hohe Rendite, hohes Risiko. Wer seinem Wohnungsportfolio gewerb- liche Flächen beimischt, geht auch ein höheres Risiko ein. An dieser einfachen Grundgleichung ist nicht zu rütteln. Für gewerblich genutzte Flä- chenwird ein komplett anderes Risikoverständnis verlangt als für Wohnen. Höhere Risiken Im Alltag zeigt sich, dass drei wesentliche Gefah- renquellen immer wieder unterschätzt werden. Erstens: Die Vermietung ist im gewerblichen Be- reich deutlich schwieriger und aufwendiger als beim Wohnen. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Gruppe der potenziellen Nachfrager deutlich kleiner ist. Man bekommt eine gute Vor- stellung von der Größenordnung, wenn man der Einwohnerzahl einer Stadt die Anzahl der ange- meldeten Gewerbebetriebe gegenüberstellt. Ist die Anzahl der Gewerbebetriebe ein Zehntel, ein Hundertstel? Auf jeden Fall ist das gewerbliche Zielpublikumdeutlich kleiner. Methodisch ist das natürlich keine saubere Risikomessung. Aber bild- lich stellt das Verhältnis das Risikopotenzial gut dar. Oder anders gesagt: Ich kann die vermeintlich perfekte Kioskfläche, den vermeintlich idealen Standort für einen Kindergarten im Angebot ha- ben – wenn sich kein Betreiber findet, dann steht die Fläche leer. Zweitens: Der Wert von gewerblich genutzten Flächen ist deutlich schwankungsanfälliger als bei Wohnungen. Gewerbliche Mieter und damit Gewerbeimmobilienmärkte reagierenwesentlich sensibler auf Veränderungen des wirtschaftlichen Umfelds – weil Wohnen eben ein Grundbedürfnis ist und Gewerbe demKonjunkturzyklus unterliegt. Sinkt die Nachfrage nach gewerblichen Flächen in einem Markt, schlägt sich das unmittelbar in sinkenden Mieten und damit sinkenden Wertan- sätzen nieder. Der Wohnungsmarkt ist da deutlich stabiler. Hier wirken sich eher langfristige Trends wie etwa die Demografie aus. Und schließlich drittens: Das Ausfallrisiko wäh- rend eines laufenden Gewerbemietvertrags ist deutlich höher als beimWohnen. Funktioniert das Geschäftsmodell des Mieters nicht und schlittert er in die Insolvenz, wird es schwer, noch genug Vermögensmasse für die Deckung der offenen Posten etwa bei den vorverauslagten Neben- kosten zu finden. Ganz zu schweigen von den Leerstandskosten und den Umbaukosten für die Neuvermietung. Besonders gut sichtbar wird die Gratwanderung bei der Vermietung an Gastrono- miebetriebe. Auf der einen Seite steigt mit einer guten Kneipe, einer guten Küche, einem guten Gastgeber die Lebensqualität im Quartier. Auf der anderen Seite ist das Risiko eines Zahlungs- ausfalls in dieser Gruppe mit am höchsten. Der Bonitätsbewertung kommt damit imgewerblichen Bereich eine noch wesentlich größere Bedeutung zu als beim Wohnen. Was führt zum Erfolg? Trotz allen Unterschieden beimBau und in der Be- wirtschaftung von Wohn- und Gewerbeflächen gibt es immerhin einen Grundsatz, der in beiden Immobilienwelten gilt: Kenne Deinen Nutzer, seine Bedürfnisse – und stelle Dich darauf ein. Denken, zuhören, handeln: Dann lässt sich wirt- schaftlicher Erfolg nicht vermeiden. Steffen Uttich Leiter Kapitalmärkte Beos AG Frankfurt am Main
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