Seite 23 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2014_12

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Nichtwohnbau
Neue Aufgaben und Herausforderungen
für die Wohnungsunternehmen
Für Kommunen wird es angesichts leerer Kassen und knapper Budgets seit geraumer Zeit
immer schwieriger, Infrastruktur- oder Gemeinbedarfseinrichtungen über den Haushalt zu
finanzieren. Bürgermeister und Kämmerer suchen deshalb immer häufiger nach alternativen
finanz- und organisationstechnischen Wegen, um ihrem Versorgungsauftrag für öffentliche
Leistungen nachzukommen.
Die Kommunen suchen verlässliche Partner,
die am Markt etabliert sind, ein nachhaltiges
Geschäftsmodell betreiben und nicht lediglich
kurzfristige Gewinnmaximierung anstreben. Die
Wohnungswirtschaft ist dafür seit jeher der erste
Ansprechpartner für Städte und Gemeinden. Der
Bau und Betrieb von Messehallen, Stadtbüche-
reien, Schulen und Kindertagesstätten bis hin zu
Rathäusern, Ärztezentren, Bahnhofsgebäuden,
Stadttheatern und Kinos gehört mittlerweile zum
„Repertoire“ vieler nachhaltig wirtschaftender
Wohnungsunternehmen.
Der außergewöhnliche Einsatz der Wohnungs-
wirtschaft hat in vielen Bereichen sehr positive
Effekte. Entscheidend ist aber auch: Das soziale
Engagement der Wohnungsunternehmen darf
nicht zur reinen Selbstverständlichkeit werden.
Außergewöhnliches Engagement braucht auch
außergewöhnliche Unterstützung durch Regie-
rungen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene
– beispielsweise in Form von Fördermitteln und
vergünstigten Grundstücken. Unter diesen Vor-
aussetzungen kann die Wohnungswirtschaft mit
ihremumfassenden Know-how in der Planung und
der operativen Umsetzung von Bauprojekten auch
imNichtwohnbau zu einer ausgewogenen und zu-
kunftsfähigen Stadtentwicklung beitragen. Wie
das funktionieren kann – und bereits funktioniert –,
zeigen die folgenden Beispiele.
Partner der Kommunen
DieWohnungsbaugesellschaft der Stadt Augsburg
GmbH hat mit demNeubau der Augsburger Messe-
halle, der Stadtbücherei und der Drei-Auen-Schule
gezeigt,wiemittels innovativer LösungenGemein-
bedarfseinrichtungen für die Stadt realisiert wer-
den können, die für die kommunale Gesellschaft
und für die Stadt selbst zu einer Win-win-Situation
führen. Der entscheidende wirtschaftliche Vorteil
für die Stadt liegt in den synergetischen Effek-
ten aus der Zusammenfassung von Planung, Bau,
Finanzierung und Vermietung durch dieWBG: alles
aus einer Hand zu einem konkurrenzlos günsti-
gen Preis gegenüber potenziellen Mitbewerbern.
Zwischen 1993 und 2011 hat das Unternehmen
alleindrei Schulen, sechs Kindergärten, fünf Alten-
heime, zwei Museen, ein Gewerbeobjekt, eine
Stadtbücherei, drei Konversionsgebiete und ca.
70 kleinere Objekte realisiert.
Wie auchWohnungsgenossenschaften als Partner
der Kommunen agieren (siehe auch DW8/2014, S.
60), zeigt beispielhaft die Bauverein zu Lünen eG.
Mit ihremMotto „Wir gestalten Lebensräume“ ver-
fügt sie nicht nur über 5.000Wohnungen, sondern
zusätzlich u. a. über rund 115 Gewerbeeinheiten,
drei Parkhäuser, einen Kindergarten, eine Polizei-
inspektion, einen Bauhof, zwei Seniorenresiden-
zen und zwei Facharztzentren. Neben laufenden
Qualitätsverbesserungen des Wohnungsbestandes
sind bei der Bauverein zu Lünen eG die zukunfts-
orientierte Gestaltung des Wohnumfeldes und die
Mitwirkung bei städtebaulichen und infrastruktu-
rellen Maßnahmen Ausdruck der Verantwortung
für Mitglieder und Region.
Gerade in Zeiten eines engeren Wohnraumange-
bots in Ballungsregionen ist es aber nicht nur eine
Herausforderung für Wohnungsunternehmen,
sog. Nichtwohnbauten zu betreiben. Sondern sie
haben es sich vielfach zur Aufgabe gemacht, be-
stehende Gewerbe- oder andere Nichtwohnbauten
in Wohnraum umzuwandeln. Ein Beispiel für eine
Vielzahl solcher Projekte ist die Umwandlung einer
ehemaligen Kaserne zu einer Wohnsiedlung, wie
es die Bauverein AG in Darmstadt mit der Lincoln-
Siedlung in Angriff genommen hat. Die 24 ha gro-
ße ehemalige amerikanische Liegenschaft soll in
den nächsten fünf Jahren zu einem neuen Stadt-
teil für 3.000 Menschen entwickelt werden. Den
Auftakt dürfen Darmstädter Studenten machen,
die als erste Bewohner einen der Wohnblocks be-
ziehen können.
Engagement braucht Unterstützung
Diese Praxisbeispiele zeigen: Wohnungsunterneh-
men stellen sich heute viel mehr Aufgaben und
Herausforderungen, als die meisten es vermuten
würden – und das spartenübergreifend. Das En-
gagement gehört zum ökonomisch, ökologisch
und sozial nachhaltigen Geschäftsmodell der Woh-
nungswirtschaft. Als verlässlicher Partner von Po-
litik und Regierungen auf Bundes-, Länder- und
Kommunalebene braucht dieWohnungswirtschaft
jedoch deren Unterstützung – und das in Zukunft
verstärkt, denn die Aufgaben und Herausforde-
rungen werden weiter wachsen.
Axel Gedaschko
Präsident
GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und
Immobilien­unternehmen
Berlin
THEMA DES MONATS
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12|2014