Controller Magazin Special 5/2020
Controller Magazin _ Special 17 PROF. DR. ANDREAS SEUFERT RALPH TREITZ lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen und ist dort Direktor des Business Innova tion Labs. Darüber hinaus ist er Direktor des Instituts für Business Intelligence an der Steinbeis Hochschule Berlin. Er ist Leiter des Fachkreises BI/Big Data und Controlling des Internationalen Control ler Vereins (ICV). ist Geschäftsführer von Deloitte Digital. Er hat seit 2002 mehrere Unternehmen imBereich statistical ana lytics, Big Data und Machine Learning gegründet. Im Inter nationalen Controller Verein (ICV) engagiert er sich als Co-Leiter des Fachkreises BI/ Big Data und Controlling mit Fokus auf die neue Rolle von Controlling imZusammen hang mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz. Die Empirie zeigt allerdings auch, dass die massive dis- ruptiveWirkung der Digitalisierung gerade dadurch ent- steht, dass neben Geschäftsprozessen insbesondere Produkte/Services in Verbindung mit Plattform-Ge- schäftsmodellen digitalisiert werden. Die potenzielle Tragweite bzw. disruptive Wirkung dieser Veränderun- gen wird von vielen Unternehmen immer noch massiv unterschätzt. Im Kontext der digitalen Transformation wird offensichtlich immer noch sehr analog gedacht (Seufert/Engelbergs/von Daacke/Treitz 2019). Diese Vernachlässigung der Wirkung von Digitalisierung auf Produkt/Serviceebene i.V.m. Plattformansätzen kann jedoch dramatische Folgen haben. Möglicherweise wer- den Kundenbedürfnisse zukünftig nicht mehr durch ein anderes physisches Produkt, sondern durch einen digita- len Service ersetzt. Beispielsweise Navigations-App statt physischer Landkarte, Gesichtserkennung zur Türöff- nung statt physischem Schlüssel oder Mobilitätsservice statt eigenem Auto. Eine reine Konzentration auf beste- hende physische Produkte scheint daher dem Verände- rungspotenzial der digitalen Transformation nicht ge- recht zuwerden. Drastisch formuliert könnteman sagen: Es besteht die Gefahr, dass Unternehmen am Ende opti- mierte, digitale Geschäftsprozesse besitzen, für ein phy- sisches Produkt, das keiner mehr haben möchte. Trotz eines beobachtbaren „Unwohlseins“ im Kontext der digitalen Transformation ist das tatsächliche Ausmaß der Veränderungen offensichtlich vielfach noch nicht durch- gedrungen. Gründe dafür könnten Wissensdefizite sein: Unternehmen projizieren die Wirkungen der Digitalisie- rung primär auf ihre aktuellen Produkte und Geschäfts- modelle. Die vielfach beschworene disruptiveWirkung der digitalen Transformation setzt – wie an den Geschäfts modellen von Amazon, Alphabet, Alibaba, Tencent gut sichtbar – an anderer Stelle an. Daten/Analytics Arbeitenwirmit Methoden von gestern, umdie Probleme vonmorgen zu lösen? Zahlreiche Veröffentlichungen verweisen immer wieder dar- auf, dass die Steuerungs- und KPI-Systeme in vielenUnterneh- men – nennenwir esmal –Optimierungspotentiale bergen. Die Liste der Empfehlungen ist dabei durchaus bekannt ... ▶ „Bitte keine Kennzahlenfriedhöfe“. ▶ „Bitte messen Sie nicht nur finanzielle Größen“ (der berühmte Blick in den Rückspiegel). ▶ „Bitte messen Sie die richtigen Dinge“ (passend zum Geschäftsmodel). ▶ „Bitte messen Sie die Dinge richtig“ (achten Sie auf Validität und Reliabilität). Umso erstaunlicher ist es, dass der Status Quo in vielen Unternehmen nach wie vor ein erhebliches Beharrungs- vermögen aufweist. Studien aus demdeutschsprachigen Raum sprechen diesbzgl. eine relativ eindeutige Sprache, beispielsweise (Horvath & Partner/KPI-Studie 2013): ▶ Immer noch werden „zu viele finanzielle Informatio- nen und deutlich zu wenig externe Informationen be- richtet“. ▶ „KPI- und Kennzahlenmodelle weisen in der Praxis Defizite auf, die eine durchgängige und konsistente Steuerung erschweren.“ ▶ „KPIs sind vielfach eher willkürlich ausgewählt – gleich- zeitig mangelt es den Kennzahlensystemen an Zusam- menhängen zwischen den einzelnen Indikatoren.“ ▶ „Eine erfolgreiche Steuerung erfordert Kennzahlen- systeme, die das Geschäftsmodell des Unternehmens abbilden. Es zeigt sich, dass dies nur bedingt der Fall ist und die Steuerung damit die individuelle 'DNA' der Unternehmen nicht abbilden.“ Auch Kollegen des MIT (Schrage/Kiron) kommen für die USA zu ernüchternden Ergebnissen: ▶ „... roughly three-quarters of respondents acknowledge a disconnect between functional and strategicmetrics. They’re not aligned.“ ▶ „They’ve got more data and better analytics than ever, yet their organizations don’t clearly align functional operations with strategic aspirations. This survey of- fers a clear warning to KPI underachievers.“ Angesichts dieser Befunde kannman sich schon die Frage stellen: ▶ Steuern wir (den digitalenWandel) eigentlich richtig? ▶ Überall wird von den neuen Möglichkeiten durch Artificial Intelligence und Machine Learning (AI/ML) gesprochen – was ist eigentlich mit der Unterneh- menssteuerung?
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