Controller Magazin Special 5/2020
Controller Magazin _ Special 13 Die Unterschiede zwischen menschlichem und maschi- nellem Forecast lassen sich aus der Komplementarität menschlicher und maschineller Informationsverarbei- tung plausibel begründen. Bezüglich der Prognosege- nauigkeit maschineller Planungen und Forecasts ist je- doch trotz positiver Erfahrungsbeispiele eine realistische Erwartungshaltung angebracht, da es auch im VUCA-Umfeld Grenzen der Erfassbarkeit und Planbarkeit für KI gibt. So war auch der maschinelle Forecast im „Erfolgs- beispiel“ von Abbildung 1 bis August deutlich zu optimis- tisch. Diese Grenzen sollen aus dem Blickwinkel der Komplexität bzw. Kybernetik diskutiert werden. Die Grenzen der Prognostizierbarkeit auf- grund von Komplexität und Kybernetik Der Umgang mit Komplexität gilt heute als eine der größten Herausforderungen im Management. 3 Füh- rungskräfte müssen bei der Unternehmenssteuerung eine immer höhere Anzahl an Faktoren berücksichtigen, die sich noch dazu immer rascher verändern und zudem stark vernetzt sind. Wesentliche Treiber dieser Entwick- lung sind die Globalisierung und paradoxerweise der rasante Fortschritt in der Digitalisierung, der die Welt realtime vernetzt und deren Veränderungsgeschwindig- keit erhöht. Dem Umgang mit Komplexität hat sich ins- besondere die Kybernetik angenommen. Vordenker wie Ashby, Beer, Forrester, Luhmann, Ulrich, Probst, Gomez, Malik, Dörner oder Vester haben dazu bereits vor langer Zeit elementare Grundlagen geschaffen, die in Hinblick auf die Grenzen künstlicher Intelligenz heute aktueller denn je sind. Exemplarisch werden das Bremermanʼsche Limit und die partielle Erfassbarkeit und Steuerbarkeit komplexer Systeme herausgegriffen. PROF. DR. HEIMO LOSBICHLER ist Vorstandsvorsitzender der International Association of Controllers (ICV) in München, Vorsitzender der Inter national Group of Controlling (IGC) mit Sitz in St. Gallen sowie Studiengangsleiter für Controlling, Rechnungswesen und Finanzmanagement und Dekan der Fakultät für Wirtschaft und Management an der FH Oberösterreich in Steyr. Abb. 1: Maschineller vs. menschlicher Year-End-Forecast (Echtbeispiel) Abb. 2: Aufbau komplexer Systeme.[7] Das Bremermanʼsche Limit Entsprechend dem Bremermanʼschen Limit ist dem menschlichen Wissen eine unüberwindbare, absolute Grenze gesetzt, die auch durch noch so große Fortschrit- te in der Digitalisierung nicht beseitigt werden kann. Auf- grund der atomaren Beschaffenheit der Materie existiert eine Obergrenze der Informationsverarbeitung, die von keinem aus Materie bestehenden Computer oder Gehirn überschritten werden kann: Kein aus Materie bestehen- des System kann entsprechend der Lichtgeschwindigkeit und dem Plank’schen Wirkungsquantum mehr als 2* 10 47 Bits pro Gramm und Sekunde verarbeiten. 4 Als Konse- quenz können auch noch so leistungsfähige cloudbasier- te Computercluster, wie z.B. Hadoop, nicht die nötige Re- chenleistung für exakte Forecasts in unserem heutigen komplexen Wettbewerbsumfeld aufweisen. Malik stellte in seiner Habilitationsschrift einen interessanten Ver- gleich an, in dem er die theoretische Grenze der Informa- tionsverarbeitungskapazität unter der Annahme ermit- telt, dass die gesamte Erdmasse seit der Entstehung der Erdgeschichte ein gigantischer Computer wäre, der per- manent Informationen verarbeitet. Diese Informations- verarbeitungskapazität stellte er der Komplexität typi- scher Entscheidungssituationen imManagement gegen- über und zeigt dabei die limitierte Prognosefähigkeit. 5 Partielle Erfassbarkeit und Steuerbarkeit komplexer Systeme Abbildung 2 zeigt den strukturellen Aufbau komplexer Systeme wie den unseres heutigen Wirtschaftssystems. Sie bestehen aus einer Vielzahl an Elementen. 6 (a bis h) und Beziehungen (Pfeile zwischen den Elementen), wo- bei das System in einen für den Aktor A (Manager, Con troller) sichtbaren Teil (a, b, d, e, g, h) und einen unsicht- baren Teil (c, f) zerfällt. Ein Beispiel für ein unsichtbares Element wäre der Corona-Virus vor seinem Ausbruch. Dies hat eine bedeutende Konsequenz: wir wissen nicht, dass gewisse Elemente existieren und können diese in Entscheidungen nicht berücksichtigen. Das System ist damit nur partiell erfassbar und damit auch nur unvoll- ständig in KI-Systemen modellierbar. A e d h g f b a c Year-End Forecasts 2018 CF02 CF03 CF04 CF05 CF06 CF07 CF08 CF09 CF10 CF11 Truth (Year-End-Closing2018) ManualCurrentForecast (CF) PredictiveAnalytics
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==