Controllermagazin 4/2020
82 IT / DIGITALISIERUNG Controller Magazin | Ausgabe 4 Oehler: Desto länger ich mich mit den „ge fühlt neuen“ Themen beschäftige, desto geringer sehe ich die Notwendigkeit grund sätzlicher Änderungen. Dass Controller bei spielsweise Grundkenntnisse der Statistik benötigen, ist sicherlich keine große Über raschung. Das hat auch schon vor 30 Jahren geholfen. Biel: Wir haben mehrfach Probleme und Schwierigkeiten angesprochen. Daher ist es naheliegend, die Risikobetrachtung in die Diskussion einzuführen. Oehler: Die größte Neuerung, über die wir uns hier Gedanken machen, ist allerdings auch schon ziemlich alt: die aktive Beschäf tigungmit Risiken . Controlling arbeitet im mer noch viel zu stark mit deterministischen Modellen. Einige Beispiele: Es gibt einen ein deutigen Forecast, es gibt einen eindeutigen Plandeckungsbeitrag, es gibt einen eindeu tigen Kapitalwert usw. Wo sind die zweifels ohne vorhandenen Unsicherheiten in die sen Größen? Außer beim Kapitalwert, bei dem der Zins sehr grob Risiken mitberück sichtigen soll, ist hier Fehlanzeige. Die Algo rithmen des maschinellen Lernens geben hingegen teilweise Bandbreiten sogar unge fragt aus – und werden doch meistens igno riert. Aber es macht doch einen Unterschied, ob ich zum Jahresende bei 10 Mio. EBIT+/- 5% oder +/- 50% rauskomme. Warum wird das inhärente Risiko nicht transparent ge macht? Das Management wolle einen ein deutigen Wert, heißt es da üblicherweise. Das ist im Rahmen der Planung auch ver ständlich. Aber die Zukunft ist unsicher, da von sollte man keinen Manager mehr über zeugen müssen. In der Konsequenz muss aber auch klar sein, dass es viele Ausprägun gen eines Vorschauwertes geben muss. Dies muss fester Bestandteil der Controlling-Modelle werden. Eine hierfür in der Regel unvermeidliche Monte Carlo Simulation ist schließlich keine Zauberei. Biel: Ihre Antwort stößt eine weitere Frage an: Was bedeutet dies für die Rolle und Rol- lenfindung der Controller/-innen? Ist Role Making gefragt? Oehler: Eine neue Rolle ist gar nicht not wendig . Der ergebnisfokussierte Integrati onsauftrag gibt dem Controller bereits die Zielrichtung vor. Er beschränkt sich eben nicht nur auf die Zusammenführung von Daten, sondern auch auf die Transparenz- Schaffung von bereichsübergreifenden Zusammenhängen. Welche Auswirkungen haben beispielsweise Kapazitätsbeschrän kungen, ein Betriebsausfall, die Kündigung von Mitarbeitern auf das Ergebnis? Das Controlling sollte hier umfassend Auskunft erteilen können. Hier ist in der Regel noch einiges zu tun. Biel: Wir kommen nicht umhin, uns auch Fragen nach möglichen neuen Formen der Zusammenarbeit und auch nach etwaigen neuen Konkurrenzverhältnissen zu stellen, beispielsweise in Bezug auf Data Scientists? Oehler: Hier hat sich in den letzten Jahren eine Veränderung gezeigt. Der Data Scien tist wird zunehmen durch den „Citizen Data Scientist“ ergänzt, die zivile Ausgabe des Datenwissenschaftlers sozusagen. Das ist die Person, die nicht so ganz tief in den Methoden drinsteckt, aber dafür die An wendungsdomäne ziemlich gut kennt. Er möglicht wird dies durch leistungsfähige Werkzeuge des maschinellen Lernens, die relevante Treiber (neudeutsch Features) auswählen, automatische Parametrisie rung, sogenannte Hyperparametrisierung vornehmen und auch die Eignungsprüfung verschiedener Modelle für uns vornehmen. Je nach Qualität der Testergebnisse wird auch gleich die richtige Methode ausge wählt. Das dauert alles ein bisschen länger, funktioniert aber mittlerweile ziemlich gut. Biel: Was heißt dies nun für Controller/- innen? Oehler: Da brauche ich als Controller kein Wissen über die Methodendetails. Aber ich muss wissen, wie und wo ich diese Metho den einsetze ! Was mache ich mit der mög lichen Kaufentscheidung eines Kunden über 55%? Wie geht diese Information in den jährlichen Forecast und in die operative Pla nung mit ein? Dabei sind solide Fachkennt nisse gefragt. Biel: Es ist offensichtlich, dass sich unter demVorzeichen der Digitalisierung Art und Weise bzw. die Methoden des Arbeitens schrittweise verändern. Kann diese Umge- staltung der Arbeitsweise nicht weitere Rückwirkungen haben? Oehler: Dass die Maschine dem Controlling Routinetätigkeiten abnimmt, steht außer Frage. Sie sollte dem Controller aber nicht dasDenkenabnehmen , sondern in die rich tige Richtung führen. Es wird immer wieder gesagt, dass ein Navigationsgerät zu einer schlechteren Orientierungsfähigkeit führe. Intelligent genutzt kann ein Navigationsge rät aber gerade die Orientierung in der Um gebung verbessern, weil man sofort ein Mo dell die Umgebung erhält. Man findet sich also vielleicht sogar schneller zurecht. So würde ich maschinelles Lernen auch sehen. Wirkungszusammenhänge werden kla rer , aber die Entscheidungen trifft der Mensch unter der Abwägung der Ziele, ab gesehen von standardisierbaren Mikroent scheidungen. Biel: In den Büros ist häufig die seufzend hervorgebrachte Äußerung „die Technik“ zu vernehmen, vielfach ist damit die IT bzw. die Informatik gemeint, wo es mal wieder klemmt. Die Redlichkeit gebietet es, reali- tätsnah zu fragen, was der Verwirklichung dieses Vorhabens im Wege steht, welche Probleme und welchen Ärger kann es ge- ben? Kann es sogar sein, dass in der ganzen Aufbruchsstimmung die vielen Schwierig- keiten noch gar nicht voll gesehen werden? Sind die Erwartungen u. U. zu hoch, sind im ungünstigen Fall Enttäuschungen im Con trolling vorprogrammiert? Oehler: Zunächst einmal ist die (interne) Kundenzufriedenheit in Bezug auf die In formation Unterstützung besser und auch „Eine neue Rolle ist gar nicht notwendig. Der ergebnis- fokussierte Integrationsauf trag gibt demController bereits die Zielrichtung vor.” „Dass dieMaschine dem Controlling Routinetätigkeiten abnimmt, steht außer Frage. Sie sollte demController aber nicht das Denken abnehmen, sondern in die richtige Richtung führen.”
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