Controllermagazin 4/2020

79 Controller Magazin | Ausgabe 4 IT / DIGITALISIERUNG mehr übrig bleibt.“ (Focus Online, 8.11.2017) Mal abgesehen davon, dass Herr Steingart den Aufgabeninhalt eines Controllers ein wenig unterschätzt, könnte er dennoch in­ haltlich recht behalten, wenn sich nicht ein wenig mehr Innovationsfreude im Con­ trolling zeigen sollte. Biel: Was tut sich denn im Controlling? Wie wirken sich die neuen Potenziale der Infor- mations- und Kommunikationstechnik aus? Wird eher Neues angedacht oder Altes nachgeholt? Oehler: Erstaunlicherweise verschiebt sich gar nicht mal so viel. Vieles, was früher ge­ dacht wurde, kann heute einfach umge­ setzt werden. Ich bin immer wieder über­ rascht, wie weitsichtig die frühen „Meister“ des Controllings waren. Viele Konzepte ha­ ben sich nur nicht durchsetzen können, weil die Werkzeuge (zuerst einmal nur Papier und Stift) untauglichwaren. Nehmen Sie die zweckneutrale Grundrechnung von Schma­ lenbach. Da wurde der Data Warehouse- Gedanke sogar inhaltlich ziemlich gut durchdacht vorweggenommen. Der univer­ selle Ledger von S4Hana ist nun die Umset­ zung dieses Ansatzes in Reinkultur - nach „nur“ 80 Jahren. Manchmal muss man eben etwas mehr Geduld aufbringen. So geht es in vielenBereichen: Die alte Ideeder Treiber­ orientierung braucht, wenn diese wir­ kungsvoll funktionieren soll, eine konse­ quente Suche nach Ursachen-Wirkungsket­ ten. Vor über 30 Jahren ist die Treiberorien­ tierung in Rahmen des Controllings vorge- schlagen worden, wobei hier mehr dahinter­ steckt als Treiberbäume. Heute finden sich die ersten leistungsstarken Werkzeuge zur Umsetzung. Biel: Ein Wirrwarr von Begriffen erschwert die Übersicht, führt vielleicht zur Begriffs- stutzigkeit und Beeinträchtigung der Um- setzung. Klarheit und Transparenz, klassi- sche Controlling-Prinzipien, täten bei vielen Ansätzen und Methoden der Informations- technik gut. Oehler: Ich glaube auch, dass etwas weniger Begriffsvielfalt der Sache und dem Ver­ ständnis guttun würde. Business Intelligen­ ce ist wahrscheinlich der älteste Begriff und kennzeichnet die flexible Informationsver­ sorgung des Managements, meistens auf der Basis mehrdimensionaler Strukturen. Der mehrdimensionale Deckungsbeitragswürfel (übrigens von Paul Riebel in den 1950er-Jah­ ren schon beschrieben) steht dafür. Business Analytics bezieht auch Data Mining und maschinelles Lernen mit ein. Also ein ziem­ lich offener Begriff. Maschinelles Lernen ist ein Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz. Maschinen erkennen dabei Zusammenhän­ ge, überwacht oder unüberwacht. Biel: Es wird immer wieder diskutiert, was denn nun maschinelles Lernen oder auch Künstliche Intelligenz wirklich ist. Geben Sie uns bitte eine auf das Controlling bezo- gene kurze Antwort. Oehler: Ich halte diese Diskussion für müßig: Wenn der Algorithmus hilft, ist er geeignet, ob es nun Künstliche Intelligenz ist oder nicht. Bild- und Spracherkennung sind pro­ minente Beispiele für maschinelles Lernen. Aus der Sicht des Controllers ist eher die Er­ kennung von Verhaltensmustern von Kunden oder Mitarbeitern relevant . Aber nicht nur zur operativen Steuerung – dies ist und bleibt Aufgabe der Fachabteilung –, sondern zur Erstellung von Forecast und als Grundlage von Simulationen. Warum kauft ein Kunde? Warum kündigt ein Mitarbeiter? Aus diesen Erkenntnissen lassen sich gut Treiberstrukturen erzeugen, die dann für Forecasting, Planung und Simulation ver­ wendet werden können. Biel: Sie sprechen hier nicht von einfachen Aufgaben … Oehler: Ja, es sei nicht verschwiegen, dass eine Transformation in Controllingwerkzeu­ ge gar nicht trivial ist. Das was in Konzepten wie in der Strategy Map als zentrales Werk­ zeug der Balanced Scorecard oder im ver­ netzten Denken als Hypothesen beschrie­ ben wurde, könnte nun zumindest teilweise messbar gemacht werden. Der preissensitive Kunde reagiert beispielsweise auf einen Ra­ batt mit einer Wahrscheinlichkeit von X%. Haupttreiber der Kündigung ist dieMitarbei­ terzufriedenheit mit einer Stärke von X. Biel: Aber was haben Controller/-innen wirklich davon? Welche Vorteile können er- wartet werden? Können Sie uns – in der Sprache und im Denken des Controllings – grob skizzieren, welcher Nutzen erwartet werden kann? Oehler: Ja, gerne. Es gilt wie gesagt, Zusam­ menhänge deutlich zu machen . Für das Controlling allerdings mit demSchwerpunkt auf das Erfolgsziel. Was treibt meinen EBIT, inweiterer Konsequenz Umsatz, meinen Ab­ satz, meine Kosten? Das Schwierige ist, dass wir Controller auf einer Datenebene unter­ wegs sind, die eben solche Analysen kaum möglich macht. Wir schauen uns Kunden­ gruppen, Produktgruppen auf Monats- oder Quartalsebene an. Natürlich kann man hier Zeitreihenanalysen durchführen und auch hier bietet maschinelles Lernen mittlerweile brauchbare Lösungen an. Der Mehrwert ist allerdings begrenzt, wie viele Unternehmen erfahren mussten. Künstliche Intelligenz wie zum Beispiel Deep Learning kann da auch nicht zaubern. Biel: Die klassische Betrachtungsweise ist nicht ausreichend und nicht zielführend? Diese Gedanken müssen Sie bitte etwas vertiefen. „Ich habe den Eindruck, die Angst vor demScheitern ist in vielen Controlling- Abteilungen besonders ausgeprägt.“ „Ich bin immer wieder überrascht, wie weitsichtig die frühen ‚Meister‘ des Controllings waren. Viele Konzepte haben sich nur nicht durchsetzen können, weil die Werkzeuge untauglichwaren.“ Summary Das 91. Interview der Reihe „Experten-Interviews“ geht der Frage nach, wie die gegenwärtigen und zukünftigen Entwick- lungen der anwendungsorientierten Wirt- schaftsinformatik das Controlling beein- flussen bzw. beeinflussen könnten. Was verändert sich wie? Welche Auswirkungen hat dies auf das Controlling?Welche Chan- cen und Risiken gibt es? Was ist zu tun?

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