Controllermagazin 4/2020
52 Controller Magazin | Ausgabe 4 AKTUELL oder Sortimente die richtige Handlungsan- weisung bestimmt werden. So kann es grundsätzlich sinnvoll sein die Kapitalbin- dung zu reduzieren, in einzelnen Sortimen- ten jedoch dennoch auf maximale Versor- gungssicherheit zu setzen, auch wenn dies vorerst widersprüchlich erscheint. Eine zweite Klassifizierung neben dem Absatz- volumen (ABC) könnte in der aktuellen Si- tuation der Deckungsbeitrag (XYZ) sein, um eine Fokussierung auf margenträchtige Sortimente sicherzustellen. Sobald die überarbeitete Klassifizierung und eine Einordnung der Fertigwaren in die neun Klassifizierungskategorien (siehe Abb. 2) vorliegen, können wiederum auf die Krisen- situation angepasste Bestandsstrategien und Maßnahmen sowie die entsprechende Sicherheitsbestände abgeleitet werden. Bei dieser Aktivität ist es wichtig, im engen Aus- tausch mit dem Vertrieb zu stehen und auf einen übermäßigen Bull-Whip-Effekt auf- grund von erhöhten Nachfrageschwankun- gen in allen Stufen der Supply Chain und ggf. stattfindenden Hamsterkäufen vorbereitet zu sein. Werten Sie zu diesem Zweck für jede Kate- gorie der ABC/XYZ Analyse die aktuellen dy- namischen Bestandsreichweiten gegen vom Vertrieb erstellte Absatzpläne aus und defi- nieren Sie klare Zielreichweiten als Vorgabe für die Produktion. Auf diese Weise können Sie bestmöglich und frühzeitig auf Verände- rungen reagieren und fortlaufend die richti- gen Bestandsentscheidungen treffen. Bauen Sie eine intelligente Auf tragssteuerung auf Wie eingangs beschrieben führen die Ab- satzverwerfungen dazu, dass bestimmte Produkte in bestimmten Vertriebsschienen starke Absatzzuwächse verzeichnen kön- nen. Dies kann dazu führen, dass einzelne Kunden bereits volle LKW-Ladungen von ei- nem oder zwei Artikeln bestellen. Ein auf diese Gegebenheiten angepasster Dispositi- onsprozess wird dann berücksichtigen, dass Ware möglicherweise direkt vom Werk an den Kunden geliefert werden kann, sofern QS- oder Reife- bzw. Quarantänezeiten es technologisch zulassen. In diesem Fall könn- te der gesamte Warenumschlag im Fertig- warenlager, ggfs. auch ein Shuttletransport, eingespart werden. Auch die Zuordnung von Kunden zu Auslie- ferungslagern sollte dynamisch hinterfragt werden. Obwohl ein Kunde standardmäßig einem Auslieferungslager zugeordnet ist, kann es in Einzelfällen durchaus Sinn ma- chen, den Kunden von einem anderen Aus- lieferungslager zu beliefern. Dies ist insbe- sondere dann der Fall, wenn die ent- sprechende Artikelstruktur des Auftrags besser von dem anderen Lager geliefert wer- den kann, da sich die entsprechenden Pro- duktionswerke dieser Artikel eher in der Nähe des alternativen Lagers befinden. Für eine detaillierte Prüfung, welches Ausliefe- rungslager das günstigere ist, ist es oftmals hilfreich, eine kleine IT-gestützte Lösung zu installieren, da im Tagesgeschäft nicht jeder Auftrag umfassend geprüft werden kann. Setzen Sie Ihre Outbound- Logistik zur Abholung bei Lieferanten ein Nur wenige Unternehmen schaffen es bis- her stringent, Ihre Inbound-Logistik mit der Outbound-Logistik zu verknüpfen; von ein- zelnen opportunistischen Ladungen einmal abgesehen. Einer der wesentlichen Gründe hierfür sind unterschiedliche Zuständigkei- ten, da die Inbound-Logistik im Regelfall vom Einkauf und die Outbound-Logistik von der Logistik-Abteilung organisiert werden. Hinzu kommt, dass die Inbound-Transport- kosten bei Frei-Haus-Preisen häufig gar nicht bekannt sind. Eine Verknüpfung der beiden Bereiche bie- tet schon in normalen Zeiten eine gute Mög- lichkeit, Rundläufer zusammenzustellen und somit die Transportkosten insgesamt zu senken, da sehr viele Lieferanten geogra- phisch in der Nähe eines Kunden liegen. In der aktuellen Krise mit einem sich insbe- sondere im internationalen Geschäft ver- knappenden Frachtraum wird dies umso wichtiger. Für die Verknüpfung sind in der Umsetzung zunächst einmal von den Liefe- ranten die reinen Materialpreise von den Lo- gistikkosten zu trennen. In einem zweiten Schritt können dann der Einkauf und die Logistik gemeinsam und strukturiert alle Möglichkeiten der Rundläuferbildung er- mitteln. Bei diesen datenintensiven Berech- nungen kann der Supply Chain Controller eine gute Hilfestellung leisten. Geben Sie Ihren Disponenten ein klares Regelwerk bei Liefer- engpässen vor Wie bereits beschrieben entstehen durch die Verschiebung der Vertriebskanäle sowie durch die hohen Absatzspitzen schnell Lie- ferengpässe. Sollte die Nachfrage die ver- fügbare Menge übersteigen, stellt sich die Frage, welche Kunden mit welchen Mengen beliefert werden sollen und welchen Kun- den Lieferabsagen erteilt werden müssen. Für die Allokation der verfügbaren Mengen sind eine Vielzahl an Faktoren relevant: ▶ Länge und Umfang der Kundenbeziehung ▶ Deckungsbeiträge ▶ Strategische Perspektive des Kunden ▶ Pönalen bei Nichtlieferungen ▶ Möglichkeit und Kosten von Nachlieferungen ▶ … Die Entscheidung der Mengenallokation ist von hoher Relevanz für die Unternehmen, da hier langfristig Kundenbeziehungen be- einträchtigt werden können, man es aber andererseits aufgrund der nicht ausreichen- den Mengen auch nicht allen Kunden recht machen kann. Wichtig ist es, die Disponen- ten in dieser Situation nicht allein zu lassen, sondern ein klares Regelwerk vorzugeben, wie bei Fehlmengen zu verfahren ist. So wird sichergestellt, dass die Vorgaben aus der Unternehmensstrategie auch stringent um- gesetzt werden.
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