Controllermagazin 4/2020
29 Controller Magazin | Ausgabe 4 RECHNUNGSLEGUNG Dies ist häufig der Fall bei Unternehmens transaktionen, wenn nicht bilanzierungs fähige Vermögenswerte (wie Mitarbeiter- Know-how) oder sonstige nicht greifbare Elemente (z. B. Synergien) vorliegen. Der ent sprechende Differenzbetrag wird als Ge schäfts- oder Firmenwert sowohl nach HGB als auch nach IFRS aktiviert. Unterschiede ergeben sich jedoch bei der Folgebewertung. Das HGB fordert eine plan mäßige Abschreibung des Geschäfts- oder Firmenwerts. Sofern die Nutzungsdauer nicht verlässlich geschätzt werden kann, ist die Abschreibung über einen Zeitraum von zehn Jahren vorzunehmen (§ 253Abs. 3HGB). Darüber hinaus sind etwaige Wertminde rungsaufwendungen zu erfassen. Die IFRS sehen im Gegensatz dazu keine planmäßi gen Abschreibungen des Geschäfts- oder Firmenwerts vor, sondern setzen lediglich auf regelmäßige Überprüfungen auf etwai ge Wertminderungen nach dem Impair ment-Only-Ansatz (IAS 36.10). Dieser Impairment-Only-Ansatz der IFRS ist Gegenstand heftiger Kritik. Da Tests auf Wertminderungen ermessenspielraumbe haftet sind, ergibt sich die praktische Mög lichkeit einen Wertminderungsaufwand zu „verschieben“, was dazu führt, dass die Werthaltigkeit der in den Unternehmensbi lanzen ausgewiesenen Geschäfts- oder Fir menwerts angezweifelt wird. 14 Auch empi risch lassen sich Indizien finden, welche die Werthaltigkeit der in den IFRS-Bilanzen aus gewiesenen Goodwill-Bestände zumindest bezweifeln lassen. 15 Die Gefahr eines zu ho hen Goodwill wird nach HGB dadurch be grenzt, dass sich dieser im Zeitablauf durch die planmäßige Abschreibung automatisch reduziert und nach spätestens zehn Jahren (sofern nicht eine längere Nutzungsdauer begründet werden kann) aus der Bilanz ver schwunden ist. Der somit tendenziell gerin gere Goodwill nach HGB führt zu einem niedrigeren Vermögensausweis und damit zu einer konservativeren Bilanzierung. Aufgrund der Kritik am Impairment-Only- Ansatz werden aktuell verschiedene Maß nahmen zur Eindämmung des Risikos der mangelnden Werthaltigkeit des Goodwill diskutiert. Hierzu wurde erst im März 2020 ein Diskussionspapier zur Kommentierung durch die Öffentlichkeit veröffentlicht. Hier findet sich auch der Vorschlag wieder, ähn lich wie im HGB auf eine planmäßige Ab schreibung des Goodwill zu setzen. Zum jet zigen Zeitpunkt ist allerdings unklar, ob sich dieser Vorschlag in nächster Zeit tatsächlich im IFRS-Regelwerk wiederfinden wird. In ei ner vorläufige Einschätzung des Standard setzers ist eine knappen Mehrheit (acht von 14 Mitgliedern) für eine Beibehaltung des bisherigen Impairment-Only-Ansatzes (DP/2020/1, 3.89). Dieses knappe Ergebnis zeigt jedoch, dass zumindest teilweise durchaus der Bedarf gesehen wird, die IFRS- Bilanzen in diesemHinblick konservativer zu gestalten. Laut Standardsetzer ist daher eine Weiterführung der öffentlichen Diskussion imRahmen des Diskussionspapiers erforder lich (DP/2020/1, 3.91). Es wird sich also zeigen, ob sich die Befürworter der vorsichtigen Goodwill-Bewertung unter Zuhilfenahme planmäßiger Abschreibungen durchsetzen werden und die IFRS auch hier eine baldige Annäherung an das HGB erfahren. Fazit Die aktuellen Entwicklungen in der Rech nungslegung nach IFRS lassen durchaus Tendenzen hin zu einer vorsichtigeren Bilan zierung erkennen. Zwei der letzten drei Großprojekte resultieren in einemkonserva tiveren Ausweis der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Mit der möglichen Einfüh rung der planmäßigen Abschreibung auf Ge schäft- oder Firmenwerte steht aktuell eine weitere Erhöhung der Konservativität der IFRS-Regelungen zur Diskussion. Natürlich macht eine Schwalbe noch lange keinen Sommer. Daher bleibt abzuwarten, ob sich aus den aktuellen Beobachtungen ein nachhaltiger Trend hin zu einer konser vativeren Bilanzierung in den IFRS-Normen ergibt. Interessant wird zu beobachten sein, welche Rolle die aktuellen Entwicklungen rund um die Corona-Krise in diesem Zusam menhang spielenwerden. Für das altgediente HGB mag es zumindest ein kleiner Punktsieg sein, dass die Ideen der vorsichtigen Bilanzie rung zunehmend auch nach IFRS diskutiert werden. In dem Einzug von mehr Vorsicht in die IFRS ist durchaus eine Chance zu sehen, die Divergenz zwischen kontinentaleuropäi scher und angelsächsischer Rechnungsle gungstradition ein stückweit zu überwinden. So könnte durch eine Art Kombination der beiden Gedankenwelten eine weitere Verbes serung der Finanzberichterstattung erreicht werden. Die Abschlussadressaten dürften von einer solchen weniger ideologisch gepräg ten und vielmehr pragmatischen Vorgehens weise durchaus profitieren. ⬛ Fußnoten 1 Vgl. Thommen et al. (2016), S. 226. 2 Vgl. Beinsen/Wagenhofer (2013), S. 415. 3 Vgl. Coenenberg et al. (2011), S. 137 mit einer vergleichenden Analyse von IFRS und HGB vor BilMoG. 4 Vgl. Beinsen/Wagenhofer (2013), S. 415. 5 Vgl. Zirkler/Nohe (2003), S. 222. 6 Vgl. Fischer et al. (2014), S. 435. 7 Vgl. Bosse (2015), S. 768. 8 Vgl. Dinh/Seitz (2015), S. 147. 9 Vgl.Fischeretal.(2014),S.441;Klubeetal.(2019),S.155. 10 Vgl. Nemet/Heyd (2016), S. 66. 11 Vgl. Lühn (2016), S. 371. 12 Vgl. Thurow (2015), S. 371. 13 Vgl. Hoogervorst (2012), S. 4. 14 Vgl. Kümpel/Kleinewegen (2018), S. 2595. 15 Vgl. Zülch/Wersborg (2017), S. 367. Literatur > Beinsen, B./Wagenhofer, A. (2013): Das ambivalente VerhältnisdesIASBzumVorsichtsprinzip,IRZ,S.413-419. > Bosse, M. (2015): IFRS-9-konforme Modellierung von Loss Given Default und Exposure at Default, WPg, S. 768-777. > Coenenberg, A./Frank, S./Dinh, T./Schabert, B./ Schultze, W. (2011): Auswirkungen der Rechnungs legungsumstellung von HGB auf IFRS auf zentrale Kennzahlen der Jahresabschlussanalyse – Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, KoR, S. 133-142. > Dinh, T./Seitz, B. (2015): „Vorsicht“ in den IFRS am Beispiel von IFRS 9, IRZ, S. 145-150. > Fischer, P./Flick, P./Krakuhn, J. (2014): Möglichkeiten und Grenzen zur Übernahme der nach IFRS 9 berechneten Risikovorsorge in die handelsrechtliche Rechnungslegung, IRZ, S. 435-441. >Hoogervorst, H. (2012): The Concept of Prudence: dead or alive? https://cdn.ifrs.org/-/media/feature/news/ speeches/2012/hans-hoogervorst-fee-september-2012.pdf. > Klube, J./Schröter, A./Weber, C. (2019): Übernahme des Expected-Loss-Ansatzes nach IFRS 9 in den HGB-Abschluss von Banken?Wpg, S. 148-155. >Kümpel,T./Kleinewegen,D.(2018):Goodwill Impairment Test nach IFRS – Eine Analyse der DAX30-Unterneh- men, DStR, S. 2595-2602. > Lühn, M. (2016): Leasingbilanzierung im Spannungsfeld zwischen IFRS 16 und Handels- und Steuerrecht, StuB, S. 367-372. > Nemet, M./Heyd, R. (2016): Bilanzierung von Leasingverhältnissen nach IFRS 16, PiR, S. 65-74. > Thommen, J., Achleitner, A., Gilbert, D. Hachmeister, D., Kaiser, G. (2016): Allgemeine Betriebswirtschafts- lehre. Umfassende Einführung aus managementorien- tierter Sicht, 8. Aufl., Springer. > Thurow, C. (2015): IFRS 15 Umsätze mit Kunden – eine Einführung, StBp, S. 269-271. > Zirkler, B./Nohe, R. (2003): Harmonisierung von internemund externemRechnungswesen – Gründe und Stand in der Praxis, BC, S. 222-225. > Zülch, H./Wersborg, T. (2017): 13 Jahre Impairment-only-Ansatz zur Goodwillbilanzierung in Deutschland, KoR, S. 362-371.
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