CONTROLLER Magazin 1/2020
86 lichen Druck. Evtl. eine zweite Meinung einho- len, das Für und Wider abwägen, damit sich im Nachhinein nicht nur der Betroffene fragt, wie es dazu kommen konnte. Vor allem aber im Zweifel NEIN sagen. Zwar können Situationen, die einer raschen Entscheidung bedürfen, nicht vollständig aus- geschlossen werden. Dennoch sollten Control- ler die organisatorischen Vorkehrungen treffen, die nötig sind, um die wichtigen Entscheidun- gen dann zu treffen, wenn die Willensstärke stark ist. Sich selbst gegenüber einzuräumen, dass dies nicht immer der Fall sein kann, ist der erste, wichtige Schritt. Eine Gefahr liegt in grundlegenden Entscheidun- gen, bspw. größeren Investitionen, welche in Verhandlungen konkretisiert werden. Setzt sich ein Controller mit einer ganzen Gruppe zu Ge- sprächen zusammen, können sich diese in der Verhandlungsführung ablösen, der Controller nicht. Werden zentrale Punkte zum Abschluss behandelt, fehlt schlicht die Willensstärke, die eigenen Interessen und Vorstellungen durchzu- setzen. Deshalb sollte bei der personellen Be- setzung in Verhandlungen vergleichbare Perso- nenstärke herrschen. Der einfachste Ratschlag ist und bleibt aber: Einfach eine Nacht über die Sache schlafen und dann in Ruhe entscheiden. Warum die Gegen- seite dies verhindern will, dürfte nach der Lek- türe des Beitrages klar sein. Und doch mal zur Currywurst greifen, die Tofuschnitte ignorieren und die Willensstärke auf andere Felder kon- zentrieren ... Fußnoten 1 Sprenger, S. 116; 2 Baumeister, Tierney, S. 32; 3 Baumeister, Tierney, S. 46; 4 Baumeister, Tierney, S. 114; 5 Baumeister, Tierney, S. 62; 6 Baumeister, Tierney, S. 121 Literatur Baumeister, Roy; Tierney, John: Die Macht der Disziplin, Frankfurt/ M., 2012. Sprenger, Reinhard K.; Das anständige Unter- nehmen, München, 2015. Nicht selten wird bewusst ein Zeitdruck aufge- baut, hier und jetzt gilt es, die Gelegenheit zu nutzen. Andere Ansprechpartner, vielleicht ein Kollege, sind nicht mehr anwesend. Die Reak tion müsste klar sein: ein eindeutiges NEIN. Obwohl? Eine, eine einzige Ausnahme? So schlimm wäre es nicht, die Kollegen sind auch nicht doof, flexibles, unternehmerisches Han- deln wird doch immer gepredigt ... Jetzt noch die Kraft aufbringen zu widerstehen? Also doch ein JA. Ganz so dramatisch ist die Angelegen- heit schließlich auch nicht. Kommt der Vorgang dann später ans Licht, macht sich Erstaunen breit. Nicht nur bei den Betrachtern, auch beim Betroffenen. Das Risi- ko, dass etwas schiefgeht, stand in keinem Ver- hältnis zu den Vorteilen. Die eine Frage bleibt: Wie konnte er nur? Oder: Wie konnte ich nur? Die Mitarbeiter des Unternehmens kennen die Arbeitsbelastung der Controller relativ gut. Dann wird eine Entscheidung nicht am Montagmorgen vorgelegt und um eine Entscheidung bis Don- nerstag gebeten, sondern am Freitagnachmittag Entscheidungsdruck aufgebaut. Der Auftrag müsse sofort vergeben bzw. angenommen wer- den. Eine knappe Zustimmung per E-Mail reicht aus, die Details werden später nachgereicht ... Empfehlungen Welcher Controller würde sich als willens- schwach kennzeichnen? Keiner. Deshalb gilt es, die hier dargestellten Versuchsergebnisse nicht nur passiv zu akzeptieren, sondern aktiv umzusetzen. Es sei nochmals erwähnt: Willens- kraft ist keine stabile Eigenschaft wie Körper- größe oder Intelligenz. Sie schwankt, nicht langsam wie das Körpergewicht, sondern rasch, innerhalb eines Tages. Diese Tatsache sich selbst gegenüber einzuräumen ist die Ba- sis, um Fehlentscheidungen zu vermeiden. Die Empfehlung ist einfach auszusprechen und auch nicht schwierig umzusetzen: Treffen Sie keine schwerwiegenden Entscheidungen bei geschwächter Willenskraft. Besser zögern und am nächsten Morgen entscheiden, als am Ende eines stressigen Arbeitstages einen verhäng- nisvollen Fehler zu begehen. Sich nicht unter Druck setzen lassen, vor allem nicht unter zeit- dungen, welches Gut sie erhalten wollten: Der gelbe oder der rote Stift? Das blaue oder das grüne T-Shirt? Die dünne oder die dicke Kerze? Selbst solche, scheinbar einfachen, unbedeu- tenden Entscheidungen schwächen die Wil- lenskraft. Die Entscheider zeigten im folgenden Versuch, schwierige Aufgaben zu lösen, deut- lich weniger Ausdauer, als die ihrer Vergleichs- gruppe. Damit wird deutlich, dass es nicht wichtig ist, welche Entscheidungen der Einzel- ne im Laufe eines Arbeitstages getroffen hat, als vielmehr, dass überhaupt Entscheidungen getroffen wurden. Dass diese Situation vor al- lem im Controlling eher die Regel denn die Aus- nahme darstellt, bedarf nicht der Erläuterung. Wie abnehmende Willenskraft bewusst aus- genutzt wird, zeigt sich, wenn Menschen aus einer Vielzahl von Details eines Kaufobjektes auswählen sollen. Experimente bei der Konfi- guration von Maßanzügen oder Neuwagen zeigen, dass sich die Käufer zu Beginn viel Mühe mit ihrer einzelnen Entscheidung gaben. Dann wurde beim Fahrzeug mit großer Sorg- falt der Sitzbezug ausgewählt, während später bei der Motorleistung schlicht den Empfehlun- gen des Kundenberaters gefolgt wurde, auch wenn dieser eine teure Lösung anriet. Bei ei- ner Veränderung der Reihenfolge zu den wich- tigsten Entscheidungen am Anfang ergab sich bei den konfigurierten Autos eine Preissen- kung von durchschnittlich 1.500 Dollar. 6 Ana- logien zu Projekten und Investitionen lassen sich einfach finden. Die einzelne Entscheidung Im hier aufgezeigten Fall der Fälle, in dem eine verhängnisvolle, grundsätzlich falsche Entschei- dung getroffen wird, kommen oftmals mehrere der angesprochenen Umstände zusammen. Der lange Arbeitstag neigt sich zu Ende, es wurde eine Vielzahl von Entscheidungen getroffen, das Abendessen wartet zuhause, der Blutzucker- spiegel ist unten. Nicht selten schwächen weite- re Faktoren die Willenskraft: Schlafmangel, eine Diät oder ein Sportprogramm, zusätzlich steht eine schwierige, private Entscheidung an. Dann kommt noch eine Nachfrage herein, ein Projekt soll genehmigt, ein Vertriebsagent be- auftragt, eine Investition freigegeben werden. Currywurst oder Tofuschnitte?
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