CONTROLLER Magazin 1/2020

81 Jedes Unternehmen muss in einem dynami- schen Markt bestehen und jene der Kategorie Retail oder eCommerce betreiben Handel von Gütern oder Dienstleistungen, sie atmen täglich über den Einkauf ein und über den Verkauf wie- der aus, die Lungen gefüllt mit Lagerbeständen und Personalkapazitäten. Diese Unternehmen müssen aus gestern schließen, was heute pas- siert und auf was sie sich morgen gefasst ma- chen können. Jeder Forecast entsteht aus einer Historie an Transaktionen, auf die jeder Busi- ness Analyst blickt. Ein Handelsunternehmen kann nicht nicht forecasten, so viel steht fest. Die Größen der vielfältigen Forecasts in Unter- nehmen befassen sich vor allem mit den Enter- prise-Events wie Verkaufsbestellungen, Ein- kaufsbestellungen, Gewährleistungsfällen (bzw. Retouren) und Lagerbewegungen im Kon- text der Stammdaten wie Kunden, Lieferanten, Bestände und Kapazitäten. Und jede der dedi- zierten Fachabteilungen pflegt in der Regel ei- nen eigenen Forecast, der in den meisten Fäl- len die Verkaufsgrößen als Basis betrachtet. Im Grunde sind Einkaufsbedarfe, Gewährleis- tungsfälle und Transportaufträge direkt oder in- direkt abhängig von den Verkäufen, also auch vom Umsatzforecast. Excel-Sheets als bisheriger Quasi-Standard Abgesehen von einigen Pionieren erfolgt Fore- casting in den meisten Fällen noch von Human Intelligence in fummeliger Kleinarbeit in Mi- crosoft Excel, dem Quasi-Standard. Dabei werden in der Regel die Daten aus dem ERP-System und – abhängig vom Unterneh- men – aus den CRM-, WMS- oder PLM-Syste- men exportiert. Diese werden in Excel zusam- mengeführt und mit einfachen Formeln sowie etwas Statistik in einen Forecast transformiert. Andere Unternehmen mögen hier bereits mehr automatisieren, beschränken sich dabei aber oftmals auf den Prozess der Datenbereitstellung und -zusammenführung, beispielsweise über Stored Procedures in einem Data Warehouse, in denen eine vom Business-Experten entworfene Logik fest einprogrammiert wird – eine Logik, die sich nicht dem Markt anpasst. Modernes Forecasting lernt jedoch aus sich än- derndem Verhalten von Kunden, Lieferanten und Lagern. Es atmet idealerweise synchron mit Ihrem Unternehmen. AI, Machine Learning und Deep Learning Wird von AI bzw. KI gesprochen, liegen Gedan- ken an Filme wie A.I. von Steven Spielberg oder Terminator von James Cameron nicht fern. Von der dort gezeigten künstlichen Intelligenz ist die Menschheit noch sehr weit entfernt – und tat- sächlich ist sie mit Gefahren für die Menschheit verbunden. Wenn Betriebswirtschaftler, Ingenieure und In- formatiker von AI sprechen, meinen sie damit gegenwärtige oder zumindest zukunftsnahe Anwendungen über die klassischen Verfahren des Machine Learning bzw. des Deep Learning. Machine Learning ist ein wesentliches Teilge- biet der Künstlichen Intelligenz, und Deep Lear- ning wiederum ein Teilgebiet des Machine Learning. Während die klassischen Machine- Learning-Verfahren ein sogenanntes Feature Engineering bedingen – also die Auswahl der für Learning geeigneten Merkmale in Daten- mengen – ergänzt Deep Learning diese Metho- densammlung durch künstliche neuronale Net- ze unterschiedlicher Topologien, die mehr oder weniger jedes Problem über Optimierungsalgo- rithmen durch Abgleich von Eingabe- zu Aus- gabedaten zu erlernen versuchen – und dem Data Scientist das Feature Engineering dabei weitgehend abnehmen. Machine Learning zum auto­ matisierten Forecasting nutzen Machine Learning lässt sich nach unterschiedli- chen Maßstäben in weitere Unterbereiche unter- teilen. Beim Forecasting sind wir im Bereich des überwachten Lernens zum Zwecke der Regres- sion oder auch der Klassifikation mit parametri- sierten oder nicht-parametrisierten Verfahren. Ob es sich bei dem Forecasting im Kern um eine Regression oder um eine Klassifikation handelt, ist abhängig von dem Anwendungsfall und der analytischen Vorgehensweise. Umsatz- Vorhersagen sind meistens als Regression zu betrachten, Vorhersagen für Retouren oder an- dere Ereignisse auf Bestellebene sind manch- mal besser als Klassifikation zu betrachten. Die Vorhersage der Retouren-Kosten bzw. der Um- satzkorrekturen sind dann zwar wieder fließen- de Werte, die jedoch aufbauend aus der Wahr- scheinlichkeit des Ausfalls einer Bestellung er- mittelt werden können. Methodisch gibt es Verfahren, die ihren Ur- sprung und die Kernidee in der Anwendung von Statistik haben. Hierzu zählen z. B. die auf be- dingten Wahrscheinlichkeiten aufbauende Naive- Bayes-Logik oder die auf statistischer Entropie basierenden Entscheidungsbäume. Die andere Seite umfasst Algorithmen, die Ähnlichkeits- Enterprise-AI in der Praxis: Wie der Handel sein Forecasting mit Machine Learning verbessert von Benjamin Aunkofer CM Januar / Februar 2020

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