CONTROLLER Magazin 1/2020
69 Absence Time) sind für das Controlling zur Er- stellung einer Vorschaurechnung sinnvoll. Eine Analyse ist schnell erklärt. Ziel ist eine Ein- schätzung der Kaufwahrscheinlichkeit sowie der voraussichtliche Kaufzeitpunkt. Hierzu werden erklärende Attribute gebraucht. Einige Beispiele für Eigenschaften, die die Kaufent- scheidung des Kunden und den Zeitpunkt be- einflussen können: · Gesammelt werden alle möglichen Informatio- nen wie Termine, Kundenstatus, Kommunika- tion, Branchen, Betreuer, finanzielle Situation, Kreditwürdigkeit und so weiter. Verkaufsmus- ter in der Vergangenheit, Präferenzen etc. · Neukunden haben möglicherweise andere Präferenzen als Bestandskunden in Bezug auf die Produkte · Mittlerweile können auch Stimmungen ana- lysiert werden. Hat sich der Kunde in der Ver- gangenheit in der Kommunikation über E- Mail oder Chat positiv oder negativ geäußert? Aus diesen Informationen muss nun eine Ge- samtvorschau abgeleitet werden, die den skiz- zierten Anforderungen genügt. Allerdings er- gibt sich folgendes Problem: Eine typische Pipelinevorschau hat auf der Zeitachse sehr wahrscheinlich die Form einer Glockenkurve. 7 Irgendwann läuft die Prognose der Sales- Pipeline aus. Zumindest dürfte die Vorschau bis zum Jahresende deutlich ausgedünnt sein, wenn der Vertriebszyklus kurz und der Vor- schauhorizont lang ist. Die Prognose der Kaufentscheidung ist zudem unsicher. Natürlich lässt sich aus einer Einzel- vorhersage die Wahrscheinlichkeit ableiten. Um die inhärente Unsicherheit zu transformieren, reicht es nicht aus, einfach nur Mittelwerte zu verwenden. Es müssen also auch die Bandbrei- ten oder besser gleich die Dichtefunktionen ab- gebildet werden. nat, wenn diese einen Einfluss auf die Nachfra- ge haben. Wenn man dies alles zusammen- zählt, kommt eine ordentliche Anzahl an Ein- flussgrößen zusammen. Problematisch sind aber Strukturbrüche. Auch bei modernen Algorithmen muss dann in der Regel manuell eingegriffen werden. Bei neuen Produkten kann man versuchen, Anlaufkurven aufgrund von Erfahrungen mit ähnlichen beste- henden Produkten zu beschreiben. Preiserhö- hungen können rückwirkend geglättet werden. Wichtig für eine hohe Qualität ist eine hohe In- teraktivität mit den Fachexperten. Ein Cockpit mit der Möglichkeit, verschiedene Parameter auszuprobieren und die Auflistung von Quali- tätskriterien, ergänzt um eine manuelle Einga- be, sollte bereitstehen. Wichtig ist eine perma- nente Qualitätskontrolle, idealerweise verbun- den mit einer Alert-Funktion. Sales Pipeline Forecasting Ein alternativer Ansatz in der Vertriebsvorschau ist der Rückgriff auf die Vertriebspipeline, wenn individuelle Kunden- und Interessentendaten vorhanden sind. Hier hat man die Chance, auf einzelne Kundentransaktionen zuzugreifen. Hauptquelle ist das CRM, aber auch weitere Quellen wie E-Mail-Server oder externe Infor- mationen. Vertrieb und Marketing kümmern sich üblicher- weise um die Pipeline und führen auch entspre- chende Analysen zur Kaufwahrscheinlichkeit durch. Dies stellt eine grundsätzliche Heraus- forderung dar: Der Erkenntnisgewinn aus den Analysen in den Fachbereichen wird vom Con trolling benötigt, ohne die Analysen nochmals durchzuführen. Viele Predictive-Analytics-Anwendungsfälle (zum Beispiel Produktion: Predictive Maintenance, Vertrieb: Churn, HR: Auswahl der beeinflussenden Variablen. Diese Automatisierung steckt allerdings noch in den Kinderschuhen, wenn es über triviale Analy- sen hinausgeht. Die Ergebnisse dieser Analysen sind auch nicht unmittelbar geeignet für den Controlling-Fore- cast. Auf der einen Seite haben wir sehr granu- lare Vorhersagen, mit welcher Wahrscheinlich- keit beispielsweise ein Kunde kauft, und auf der anderen Seite steht als Anforderung ein aggre- gierter und periodenbezogener Forecast. Es ist intuitiv klar, dass hier der Rohstoff für einen Controlling Forecast bereits steht. Aber es ist eine Transformation notwendig. Forecasting Details Nach den eher grundlegenden Darstellungen sollen einige Bereiche vertieft betrachtet wer- den: Vorschau, Pipeline-Analyse, Kostenvor- schau, EBIT – Forecast zur Verdichtung. Auch eine Cashprognose würde sich anbieten. Diese ist aber eher im Bereich des Treasurers zu ver- orten. Im Sinne einer integrierten Erfolgs- und Finanzplanung könnte dies auch in den Aufga- benbereich des Controllers fallen. Vertriebsvorschau auf der Basis von Zeitreihen In letzter Zeit gewinnt durch den Einsatz von Machine Learning die Zeitreihenanalyse in der Absatzprognose wieder neuen Schwung. Nicht immer sind Details über Kunden verfügbar. Da- bei erscheint es sinnvoll, Treiber wie Rabatt, Marketingaktivitäten usw. einzubeziehen. Komplexer wird es, wenn bei den Treiberabhän- gigkeiten auch zeitliche Wirkungsverschiebun- gen auftreten. Eine Marketingkampagne wirkt beispielsweise meist erst mal auf den Kauf- wunsch und nicht direkt auf den Kauf. Ein Ra- battprogramm führt vielleicht zur sofortigen Absatzsteigerung. Weil aber durch das Rabatt- programm Käufe vorgezogen werden, kommt es in der nächsten Periode unter Umständen zu einem hierdurch bedingten Absatzrückgang. Hilfreich ist auch der Einbezug von Ereignissen, wie Urlaub, Weihnachtszeit, Arbeitszeit pro Mo- Autor Prof. Dr. Karsten Oehler ist Professor für Controlling an der Provadis Hochschule Frank- furt und Solution Architect und Domain Expert für Advanced Analytics bei CCH Tagetik in Unterschleißheim. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Ausgestaltung von Informations- systemen im Controlling. E-Mail: karsten_oehler@yahoo.de CM Januar / Februar 2020
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