CONTROLLER Magazin 1/2020

66 Die Konsequenzen einer geringen Treffsicher- heit der Vorschaurechnung können allerdings erheblich sein: In der Folge, nämlich in der dar- auffolgenden Planung, vergrößern sich Unge- nauigkeiten noch. Wenn auf einer eher schwa- chen Informationsgrundlage Kapazitätsent- scheidungen getroffen werden, kommt es leicht zu Kapazitätsbeschränkungen oder zur Unter- auslastung. Das Lager füllt sich oder, noch schlimmer, läuft leer. Und das schlägt dann auf die Residualgröße, den Gewinn durch. Vorschau und Planung Vorschau ist ein heterogener Begriff. Ein The- ma, welches immer wieder zu Verwirrung und unterschiedlichen Erwartungen führt, ist der Vorschauzweck. Bevor man Schritte zur mögli- chen Automatisierung eines Forecasts beginnt, empfiehlt es sich, sich Gedanken über seine Verwendung zu machen. Forecasting ist nicht Planung. Die wenig überraschende Unterscheidung ist jedoch un- scharf. Sie ist aber für die Beurteilung von Automation wichtig. Die Vorschau ist nur die Vorarbeit zu einem guten Steuerungssystem und kein Selbstzweck. Schließlich schaut ein Unternehmen nicht hilflos in die Zukunft, son- dern gestaltet sie mithilfe von Entscheidun- gen. Eine Planung unterscheidet sich vom Forecast durch die Willensbildung. Dieser As- pekt kommt bei der Diskussion um eine mög- liche Forecast-Automatisierung zu kurz, wenn beispielsweise von Planungsautomatisierung oder Predictive Planning (BARC, 2018) ge- sprochen wird. Auch ein Predictive Budgeting ist kaum sinnvoll. Das Setzen von finanziellen Zielen setzt eine Beschäftigung mit dem An- spruchsniveau voraus. Die Vertreter von Bey- ond Budgeting propagieren nicht ohne Grund das Weglassen jeglicher Vorgaben und nicht die Automatisierung von Budgets. D urch eine Automatisierung entsteht noch kein Commitment. Planung sollte aber auf dem Forecast basieren. Zielbestimmung, Subzielableitung, Maßnah- men und letztendlich die Kontrolle basieren auf einer möglichst realitätsnahen Vorschau. Eine gebraucht. Was beeinflusst beispielsweise den Absatz? Ohne Hypothesen geht man leicht Scheinkorrelationen (richtig ist eigentlich der Begriff „Scheinkausalität“) auf den Leim. Der Verkauf von Bademoden mag vielleicht mit dem Verkauf von T-Shirts korrelieren, ursächlich für den Absatz des jeweiligen anderen Produktes ist hier wahrscheinlich keines der beiden Pro- dukte, die gemeinsame Einflussgröße Som- merwetter treibt den Umsatz beider Produkte. B evor man Schritte zur möglichen Automatisierung eines Forecasts beginnt, empfiehlt es sich, sich Gedanken über seine Verwendung zu machen. Ein weiteres Beispiel, warum Geschäfts-Know- how so wichtig für die Analyse ist: Der Zusam- menhang zwischen Mitarbeiterzufriedenheit und Qualität der Prozesse zeigt die Schwierig- keit kausaler Abhängigkeiten: Sorgen zufriede- ne Mitarbeiter für eine gute Prozessqualität oder sind die Mitarbeiter zufrieden, weil sie sich nicht über nicht funktionierende Prozesse är- gern müssen? Oder wirkt der Qualifikations- stand der Mitarbeiter gleichermaßen auf eine hohe Prozessqualität und auf eine hohe Mitar- beiterzufriedenheit aufgrund der Befähigung, anspruchsvolle Aufgaben wahrzunehmen? Deswegen kann nicht oft genug auf die hohe Bedeutung der Theoriebildung hingewiesen werden. Mit Statistik alleine kommt man dieser Problematik nur schwer bei. Es wird auch der hohe Aufwand der klassi- schen Vorschaurechnung beklagt. Experten- schätzungen werden aufwendig zusammenge- führt und auf Konsistenz überprüft. Das ist häu- fig auch die Hauptmotivation für den Einsatz von Machine Learning (z. B. BARC, 2018). Wenn ein Roboter den gesamten Vorschaupro- zess obsolet macht, spart man, ohne Frage. Al- lerdings sei vor zu viel Optimismus gewarnt. Nicht jedes Unternehmen hat das Glück, über ausreichend viele Datenpunkte zu verfügen. Wenn nur wenige Kundenaufträge als Daten- grundlage vorliegen, ist eine akkurate Voraus- schau des Absatzes durch maschinelles Lernen eher schwierig. künftige Entwicklung – und liegen häufig chro- nisch falsch. Das kann viele Gründe haben. Um auch das Modeakronym VUCA 2 nicht uner- wähnt zu lassen: Sicherlich ist die zunehmende Volatilität und in Folge auch die steigende Unsi- cherheit mitverantwortlich für die steigende Skepsis am Vorschauprozess. Der Grad an Indi- vidualisierung, verbunden mit einer größeren Volatilität, nimmt in vielen Branchen stetig zu. Ein Beispiel ist die zunehmende Verkürzung von Produktlebenszyklen. Gegen steigende Kom- plexität und dadurch sinkende Transparenz stemmt man sich mit moderner Technik wie dem maschinellen Lernen. Um die Vorschau- qualität zu erhalten, müssen die Unternehmen aufrüsten. VUCA hebt also maschinelles Lernen in der Bedeutung. Ist beispielsweise ein Pro- dukt erst 3 Monate auf dem Markt, wird kaum eine Datengrundlage für eine qualifizierte Vor- schau bereitstehen. Hier können neue Algorith- men helfen, beispielsweise Ähnlichkeiten zu bestehenden Produkten identifizieren und hier- aus Prognosen mittels Anlaufkurven ableiten. Häufig sind es aber ganz menschliche Proble- me wie Überschätzung, Optimismus, Overcon- fidence Bias, Zweckverzerrung. Denn Informa- tionen sind bekanntermaßen Daten mit Zweck- bezug. Damit lassen sich aber bewusste oder unbewusste Verzerrungen bei einer manuellen Einschätzung gar nicht vermeiden. D ie Maschine kann die neutrale Instanz sein – wenn sie mit objektiven Regeln und nicht mit der Verzerrung menschlicher Gedanken trainiert wird. Eine maschinelle Ableitung kann hier vielleicht Abhilfe schaffen: Die Maschine kann die neut- rale Instanz sein – wenn sie mit objektiven Re- geln und nicht mit der Verzerrung menschlicher Gedanken trainiert wird. Denn schon die Daten- versorgung und die Modellkonfiguration enthal- ten subjektive Komponenten. Allerdings ist auf die menschliche Unterstüt- zung bei der Interpretation nicht zu verzichten. Die Ergebnisse von Machine Learning sind ver- einfacht gesagt Korrelationen. Zur Entschei- dungsunterstützung werden aber Kausalitäten Advanced Analytics im Controlling

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