CONTROLLER Magazin 1/2020

17 Das Silodenken überwinden Beim Hoshin Kanri spielt der aus dem Lean Management und der Lean Production be- kannte PDCA-Zyklus eine Schlüsselrolle. Das heißt, der Hoshin-Prozess besteht aus den vier Phasen · P lan (Vereinbaren der Ziele und Maßnahmen), · D o (die Mitarbeiter und Führungskräfte befähigen), · C heck (die Entwicklung sichtbar machen und überprüfen) und · A ct (Hoshin Kanri institutionalisieren). Hoshin Kanri unterscheidet sich von anderen Managementsystemen dadurch, dass das Top- Management die Vision mit allen Führungskräf- ten der nächsten Ebene entwickelt. Dasselbe gilt für die aus der Unternehmensvision und -strate- gie abgeleiteten Breakthrough-Ziele, auf die das Unternehmen seine Aktivitäten in den kommen- den drei bis fünf Jahren fokussiert. Auch sie werden in sogenannten Zielklausuren vom Top- Management und den (oberen) Führungskräften erarbeitet. Aus den Breakthrough-Zielen leitet das Top-Management dann erneut mit der zwei- ten Führungsebene die jährlichen Hoshin-Ziele ab, die die Meilensteine auf dem Weg zum Errei- chen der Breakthrough-Ziele sind. Die Hoshin-Ziele werden nach ihrer Festlegung wie beim Management by Objectives („Führen mit Zielen“) auf die nächsten Ebenen kaska- diert. Ein zentraler Unterschied ist jedoch: Nach dem Definieren der Ziele und Erstellen der Plä- ne erfolgt eine crossfunktionale Abstimmung zwischen den Abteilungen, Gruppen und Teams. Diese Abstimmung erfolgt in einem sogenannten Catchball-Prozess. Das heißt, in den Zielklausu- ren haben alle Teilnehmer wie bei einem Ballspiel die Möglichkeit, zunächst Ideen hin und her zu „werfen“, bevor eine Verständigung auf Ziele, Maßnahmen und Kennzahlen erfolgt. Im Idealfall umfasst dieser Prozess jeden Mitarbeiter. Die Führungskompetenz erhöhen In vielen Unternehmen wird fleißig geplant, doch, wenn die Umsetzung ansteht, passiert wenig – auch weil den Mitarbeitern wichtige Kompetenzen fehlen. Ein weiteres Manko ist: Die Zielvorgaben sind nicht ausreichend in den Arbeits- und Führungsalltag integriert. Deshalb legt Hoshin Kanri ein besonderes Augenmerk darauf, bei den Führungskräften und ihren Mit- arbeitern die (Leadership-)Fähigkeiten zu ent- wickeln, die nötig sind, · um den Strategieumsetzungsprozess im Arbeitsalltag mit der nötigen Flexibilität zu steuern und · herausfordernde Ziele zu erreichen. Dabei orientiert sich die Führungskräfteent- wicklung meist am Lean-Leadership-Develop- ment-Modell. Dieses unterscheidet vier Stufen der Kompetenz-Entwicklung . Stufe 1: Sich als Führungskraft entwickeln. Dahinter steckt die Annahme, dass Führungs- kräfte künftig im Arbeitsalltag eine hohe Ver- haltensflexibilität zeigen müssen und es eine Kernkompetenz von ihnen ist, das eigene Ver- halten und Wirken zu reflektieren und die eige- ne Performance systematisch zu erhöhen. Stufe 2: Andere Menschen coachen und entwickeln. Die zweite Kompetenz-Stufe besteht in der Fä- higkeit, als Führungskraft andere Personen so zu entwickeln, dass diese ihrerseits die Kompetenz erwerben, ihr Verhalten und Wirken zu reflektie- ren, eigene Lernprozesse zu initiieren und Her- ausforderungen, vor denen sie im Arbeitsalltag stehen, weitgehend eigenständig zu lösen. Stufe 3: Das tägliche Sich-Verbessern (Kaizen) unterstützen. Hier geht es darum, Gruppen von Mitarbeitern (Teams, Abteilungen, Bereiche) in eine Rich- tung auszurichten, den kontinuierlichen Ver- besserungsprozess zu sichern und deren Kom- petenz zur Selbststeuerung zu erhöhen. Stufe 4: Eine Vision schaffen und die Ziele abstimmen. In der letzten Entwicklungsstufe geht es darum, das „Silo-Denken“ zu überwinden und alle Ak- tivitäten so aufeinander abzustimmen, dass die übergeordneten Unternehmensziele erreicht werden. Den Mitarbeitern Hilfsmittel geben Ein weiteres Merkmal von Hoshin Kanri ist: Die Mitarbeiter erhalten Werkzeuge, um neben ih- rem Tagesgeschäft die Breakthrough-Verbes- serungen umzusetzen. Eines dieser Instrumen- te sind die A3-Reports 1 . Sie gehen auf den Wirtschaftsingenieur Joseph M. Juran zurück. Er empfahl vor circa 60 Jahren japanischen Topmanagern, Problemlösungen und Strategi- en auf einem Blatt Papier darzustellen. Ein A3-Report soll den Prozess der Problemlö- sung transparent machen – unter anderem, um bei den Mitarbeitern die Kompetenz zu entwi- ckeln (allein oder im Team), Probleme eigen- ständig zu lösen. Ein A3-Report spiegelt sozu- sagen den Denkprozess bei der Problemlösung wider. Stabile Prozesse installieren Insbesondere in der Check-Phase von Hoshin Kanri spielt das Shopfloor-, sprich „Hallenboden“- Management eine zentrale Rolle. Denn eine Maxime von Hoshin Kanri lautet: Statt mit ad- ministrativen Aufgaben sollen sich die Führungs- kräfte mit den wertschöpfenden Prozessen be- fassen: „Go and see“ statt „meet and mail“. Durch die regelmäßige Präsenz der Führungs- kräfte in den wertschöpfenden Bereichen und ihre Fokussierung auf Abweichungen vom Standard werden Entscheidungen beschleunigt – dies ist auch nötig, um bei unerwarteten Pro- blemen und Hindernissen, die bei der Strategie- umsetzung im Alltag auftreten, die nötige Flexi- bilität und Agilität zu bewahren. Zudem werden die Mitarbeiter allmählich zu Verbesserungs- managern entwickelt, die eigenständig Proble- me erkennen und lösen. Was bedeutet „Hoshin Kanri“? Hoshin Kanri kommt ursprünglich aus Japan und bedeutet übersetzt „Kompassnadel“. Die Idee ist es, eine Organisation an klaren Durchbruchzielen auszurichten und dabei einen agilen Pro- zess für die unterjährige Zielerreichung zu etablieren. Unternehmen wie z. B. Danaher, Toyota setzen Hoshin Kanri bereits seit vielen Jahren erfolgreich um. CM Januar / Februar 2020

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