CONTROLLER Magazin 1/2020
8 anderen unternehmerischen Ziele – beispiels- weise die Steigerung der Kundenzufriedenheit – untergeordnet werden. Selbstverständlich bedeutet eine derartige Shareholder-Orientie- rung nicht, dass die Interessen von Kunden, Mitarbeitern und anderen Partnern des Unter- nehmens nicht berücksichtigt werden; es be- deutet lediglich, dass man sich genau deshalb an den Interessen und Wünschen seiner Kun- den orientiert, weil dies für den eigenen Unter- nehmenswert förderlich ist. Die Stakeholder-orientierten Strategien gehen davon aus, dass zunächst grundsätzlich alle Stakeholder des Unternehmens – neben den Gesellschaftern also beispielsweise auch die Kunden, die Mitarbeiter und die Gesellschaft – mit ihren jeweiligen Zielen bei unternehmeri- schen Entscheidungen zu berücksichtigen sind. Derartige Strategien sind leichter kommunizier- bar und wirken häufig (zunächst) auch motivie- render. Die Idee der Corporate Social Responsi- bility (CSR) führt zu einer stärkeren Sharehol- derorientierung (sofern mehr erreicht werden soll als die Erfüllung gesetzlicher Mindestanfor- derungen). Wesentliche Nachteile dieser strate- gischen Ausrichtung sind jedoch oft unklare (bzw. widersprüchliche) Unternehmensziele und Schwierigkeiten, sich auf den Kapitalmärk- ten adäquate Mittel für eine Finanzierung von Zukunftsprojekten zu beschaffen. 7. Wertebasis: materielle vs. immaterielle Werte Der Wert eines Unternehmens als Erfolgsmaß- stab ist abhängig von (1) erwarteter Höhe, (2) Zeitpunkt und (3) Risiko der zukünftigen Cash- flows oder Erträge 20 (siehe Dimensionen 8 und 9). Die Wertebasis, also die Grundlage der wertbestimmenden zukünftigen Cashflows, kann dabei materieller oder immaterieller Art sein. Bei einer materiellen Wertbasis basiert die Generierung der zukünftigen Cashflows auf materiellen Vermögensgegenständen, wie Im- mobilien oder Maschinen. Eine immaterielle Wertebasis stützt sich dagegen primär auf technologisches Wissen (z. B. in Form von Pa- tenten), Erfahrungen der Mitarbeiter, Marken und Kundenstamm sowie wertvolle Daten (z. B. über Kunden oder Fertigungsprozesse). Bei einer immateriellen Wertbasis ist der Er- tragswert des Unternehmens wesentlich höher als der Bilanzwert des Eigenkapitals. Gerade Offensichtlich sind sowohl strategische als auch operative Kompetenzen wichtig. Gerade bei dieser Strategiedimension gilt oft ein ausge- wogenes Verhältnis beider Ausprägungen als vorteilhaft. 5. Digitalisierungsanstrengung: gering vs. hoch Durch die strategische Dimension „Digitalisie- rung“ wird ausgedrückt, wie groß der Einfluss der meist vereinfachend unter „Digitalisierung“ und „Industrie 4.0“ zusammengefassten Ver- änderungen für das eigene Geschäftsmodell, und speziell die notwendige Weiterentwicklung der Kompetenzen, ist. Die Dimension drückt damit aus, ob diese technologischen Innovatio- nen zu einem „niedrigen“ oder „hohen“ Anpas- sungsbedarf bei Kompetenzanforderungen, Produkten (Wertschöpfung), Kundenanspra- che, Prozesse oder dem gesamten strategi- schen Geschäftsmodell führen (und entspre- chend Ressourcen für die Anpassung der Stra- tegie eingeplant werden sollten). Orientierung gibt hier z. B. der zukünftig erwartete Erlösanteil von immateriellen „digitalen Produkten“ oder die Bedeutung, die Plattformen zukünftig für die Gewinnung und Betreuung von Kunden ha- ben werden (vgl. Dimensionen 7 und 11). Wenn der Nutzen für einen Kunden mit der Anzahl der Nutzer eines Produkts (bzw. einer Plattform) wächst, Grenzkosten der Produktion von Null vorliegen oder Branchengrenzen verschwinden, sind dies Indikatoren für eine hohe Bedeutung der Digitalisierung. Strategische Stoßrichtung 6. Shareholder/Stakeholder: Shareholder vs. Stakeholder Shareholder-Value-orientierte Unternehmen verfolgen ausschließlich das Ziel einer Maxi- mierung des Unternehmenswerts 19 , dem alle 4. Kompetenz: strategische vs. operative Kompetenz Operative Kompetenz bedeutet, dass ein Un- ternehmen insbesondere über diejenigen Kom- petenzen verfügt, um die aktuelle Strategie er- folgreich umzusetzen (also z. B. Kompetenzen im Bereich Produktentwicklung, Produktion sowie Vertrieb und Marketing). Von strategi- scher Kompetenz spricht man dann, wenn ins- besondere Kompetenzen für die gezielte und erfolgversprechende Weiterentwicklung der Strategie selbst bestehen (Portfolio- und Ge- schäftsstrategien). Unternehmen mit einem klaren Fokus auf die Portfoliostrategie, die also z. B. regelmäßig strategische Geschäftseinhei- ten kaufen und verkaufen, werden oft einen besonderen Fokus im Bereich der strategi- schen Kompetenzen haben. Besondere Bedeutung haben hier mittlerweile die sogenannten „dynamischen Kompetenzen“ (siehe Richter, 2019 zum Capability Based View 16 ). 17 Der Capability Based View befasst sich mit der Frage, durch welche Eigenschaften und Fähigkeiten manche Unternehmen lang- fristig überleben (während andere insolvent werden). In Fortführung des Ressource Based View werden dabei zunächst die sogenannten „gewöhnlichen Fähigkeiten“ und die „dynami- schen Fähigkeiten“ des Unternehmens unter- schieden (die jeweils bei besonders positiver Ausprägung den Charakter von Kernkompeten- zen aufweisen können). Die gewöhnlichen Fä- higkeiten eines Unternehmens dienen dazu, die üblichen Aufgaben einer Unternehmung, also z. B. Vertrieb, Produktion und Beschaffung, möglichst effizient zu erfüllen. Die dynamischen Fähigkeiten sind hingegen genau die Fähigkei- ten, die für die Anpassung des Unternehmens (speziell der gewöhnlichen Fähigkeiten) in Re- aktion auf neue Anforderungen der Umwelt er- forderlich sind. 18 Autor Prof. Dr. Werner Gleißner ist Vorstand bei der FutureValue Group AG in Leinfelden-Echter- dingen und Honorarprofessor für Betriebswirtschaft, insb. Risi- komanagement, an der TU Dresden. Er ist Mitglied im Interna tionalen Controller Verein (ICV) und im Beirat der Risk Manage- ment Association. E-Mail: kontakt@futurevalue.de www.werner-gleissner.de Unternehmensstrategie im Zeitalter der Digitalisierung
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