CONTROLLER Magazin 3/2020

87 nutzerfreundliche Steuerungsplattformen (z. B. SAP Analytics Cloud, Anaplan oder Jedox) zur Verfügung. In Krisensituationen spielt der Zeitfaktor eine kritische Rolle. Existiert ein solches Simulati- onsmodell, können schnell qualitativ gute Sze- narien modelliert und Handlungsoptionen iden- tifiziert werden. Gelingt es, schnelle und den- noch fundierte Entscheidungen zu treffen, be- deutet das einen klaren Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen. In außergewöhnlichen Krisensituationen sollte der Pilot (bzw. der Controller) wieder selbst das Steuer übernehmen. Der Trend zu funktions- übergreifenden Planungs- und Simulationsmo- dellen ist der entscheidende Hebel zu einem als Business Partner akzeptierten Controlling. Die in letzter Zeit vielfach als „Wunderwaffe“ gepriesenen Advanced Analytics spielen hier kaum eine Rolle: in Routinesituationen kann der (mit Analytics gesteuerte) Autopilot überneh- men, in außergewöhnlichen Krisensituationen sollte der Pilot (bzw. der Controller) selbst wie- der das Steuer übernehmen. Ad-hoc Excel-Modellierung und top-down Forecasts als Notlösungen Wenn ein Unternehmen nicht über ein entspre- chendes Simulationsmodell verfügt, muss das Controlling ersatzweise mit „Bordmitteln“, im Zweifel mit MS Excel, versuchen, den Anforde- rungen gerecht zu werden. In diesem Zusam- menhang kann auf folgende Hilfsmittel zurück- gegriffen werden, auch wenn sie teilweise mit Nachteilen verbunden sind: · Anpassung bestehender Excel-Planungs- und Forecast-Modelle für Simulationen: Idealerweise liegen bereits entsprechende „Grundmodelle“ vor, die kurzfristig ange- passt werden können. Häufig sind diese Modelle jedoch auf einzelne Funktionen be- grenzt und damit nur begrenzt für die Szena- rien-Modellierung einsetzbar. Bei einem sol- chen Vorgehen sind Anpassungen an verschiedenen Stellen zudem fehleranfällig, · Alternativ: Entwicklung grober, aber da- für schneller „top-down Forecasts“ zur Generierung von aktuellen Zukunftsinforma- tionen als Entscheidungsunterstützung: Die Herausforderung bleibt hier die Belastbarkeit der generierten Daten – sind die notwendi- gen Simplifizierungen zu groß, besteht die Gefahr fragwürdiger Empfehlungen. Gerade bei Auswirkungen an verschiedenen Stellen (z. B. bei verschiedenen Lieferanten und Ab- satzmärkten) läuft man Gefahr, kritische Faktoren nicht oder nicht ausreichend zu be- trachten. Risiken lassen sich regelmäßig nicht einfach addieren, sondern müssen ad- äquat modelliert werden. · Einholung von Einschätzungen und Ex- pertenmeinungen anderer Funktionsbe- reiche: Um den Schwächen und der Eindi- mensionalität der „top-down Forecasts“ zu begegnen, kann eine starke Interaktion mit den relevanten Funktionsbereichen über- gangsweise die Qualität sichern. Auf diese Weise können zugleich kompetente Maßnah- menvorschläge eingeholt werden. Gelingt es, die Zusammenarbeit mit den Funktionsver- antwortlichen über die Krise hinaus zu ver- stärken, steigt zudem die Geschäftskompe- tenz des Controllings. Auch mit diesen Ansätzen wird das Controlling zu Ergebnissen kommen. Bei Schnelligkeit und Qualität sind jedoch gegenüber professionellen Lösungen klare Abstriche zu erwarten. Steigerung von Flexibilität und Resilienz als längerfristige Aufgabe des Controllings In Situationen wie der aktuellen Corona-Krise agieren Unternehmen mit flexiblen Geschäfts- modellen souveräner als Unternehmen mit starren Strukturen. Man spricht diesbezüglich wissenschaftlich auch von „organisatorischer Resilienz“ eines Unternehmens. Klingen die Begriffe Flexibilität und Resilienz erst einmal abstrakt, so macht die aktuelle Krise den Wert flexibler Strukturen greifbar. Die Flexibilität eines Geschäftsmodells ist nicht gottgegeben, sondern wird durch die Entschei- dungen des Managements wesentlich beein- flusst. Im Normalfall achtet das Controlling auf Profitabilität und Wertsteigerung bei Entschei- dungen. Ein fortschrittliches Controlling be- rücksichtigt daneben auch jeweils das Risi- koprofil von Entscheidungen und die Aus- wirkungen auf die Flexibilität des Unter- nehmens. In der Folge kann es sein, dass das Controlling auch weniger profitable Investitions- alternativen empfiehlt, die aber risikoärmer sind. Beispiele für flexibilitätssteigernde Ent- scheidungen sind: · Verringerung des Fixkostenanteils – das kann z. B. Verzicht auf Automatisierungsin- vestitionen bedeuten, wenn die Leistung auch über eine flexible verlängerte Werkbank zu etwas höheren Kosten erbracht werden kann · Schaffung von Redundanzen – z. B. die bewusste Entscheidung für mehrere Liefe- ranten anstatt für einen „strategischen“ Lie- feranten, auch wenn dies die Materialkosten erhöht. · Diversifizierung von Wertschöpfungsket- ten und Absatzkanälen – z. B. durch Be- vorzugung von Produkten, die in unter- schiedlichen Werken bzw. auf unterschied­ liche Weise gefertigt werden können. Diese Maßnahmen sind als eine längerfristige Positionierung des Controllings zu verstehen; kurzfristig kann damit die Corona-Krise sicher- lich nicht bewältigt werden. Autor Michael Kappes ist Partner im Competence Center Controlling & Finance und leitet das Business Segment Planung & Forecasting bei Horváth & Partners. Er hat in den letzten 10 Jahren zahlrei- che Unternehmen darin unterstützt, ihre Planung neu auszu- richten und effizienter zu gestalten. E-Mail: mkappes@horvath-partners.com CM Mai / Juni 2020

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