CONTROLLER Magazin 3/2020

69 Die Thematik der Candidate Experience hat in den letzten Jahren stark an Popularität gewon­ nen und ist „wesentlich mehr als nur ein Mode­ begriff“. 1 Zahlreiche Beiträge in Fachzeitschrif­ ten, Blogeinträgen und Ausarbeitungen be­ schäftigen sich mit der Relevanz, dem Inhalt so­ wie den Gestaltungsmöglichkeiten eines positiv erlebten Bewerbungs- und Auswahlprozesses – was jedoch nicht bedeutet, dass der Manage­ ment-Ansatz, bei dem die Kandidatenbedürfnis­ se im Vordergrund stehen, mit seinen individu­ ellen Anwendungsmöglichkeiten zum jetzigen Zeitpunkt bereits von allen Unternehmen bzw. Arbeitgebern aktiv umgesetzt würde. 2 Im Verhältnis zur allgemeinen Aufmerksamkeit für die Candidate Experience und deren Chan- cen und Herausforderungen hat die deutsch- sprachige Fachliteratur sich ihr bisher noch kaum umfassend und systematisch gewidmet. Aus diesem allgemeinen Bild heben sich insbe- sondere die fachliterarischen Ausarbeitungen von Tim Verhoeven, Maitré Ullah und Robindro Ullah sowie Dr. Jochen Kootz zum Candidate Experience Management hervor. Insbesondere im englischsprachigen Raum wurden bereits regelmäßige Studien und Um- fragen zur Candidate Experience durchge- führt, wohingegen die Anzahl der Erhebungen im deutschsprachigen Raum verhältnismäßig gering ist. 3 Als einschlägige Studien in Deutschland lassen sich hier die „Candidate Experience Studie“ und die „Candidate Jour- ney Studie“ von „metaHR“ von den Autoren Peter Wald und Christoph Athanas, sowie die jährlich erscheinenden Studien „Recruiting Trends“ sowie „Bewerbungspraxis“ von Mons- ter Worldwide Deutschland nennen, die die Notwendigkeit eines positiven Kandidaten­ erlebnisses widerspiegeln. Was ist die „Candidate Experience“? Grundsätzlich orientieren sich die Begriffsdefi- nitionen von Candidate Experience und Candi- date Experience Management an den Inhalten des Customer Experience Managements, bei dem es um die ganzheitliche Gestaltung von Kundenerlebnissen vor, während und nach ei- nem Kauf handelt, die hierbei jedoch auf das Personalwesen angewandt werden. Kootz fasst diese Definitionen wie folgt zusammen: Candidate Experience: „Candidate Experience (CX) bezeichnet den Gesamteindruck, den ein potentieller Bewerber (Kandidat) im Rahmen des Rekrutierungspro- zesses vom potentiellen Arbeitgeber erhält. Es geht dabei um das individuelle Erleben in einem Bewerbungs- und Auswahlprozess an allen direkten und indirekten Kontaktpunkten mit dem Unternehmen.“ 4 „I m Mittelpunkt steht das Erleben des Bewerbers.“ Candidate Experience Management: „Candidate Experience Management (CXM) be- zeichnet die aktive Gestaltung aller Kontakt- punkte des Bewerbers (Candidate Touchpoints) mit dem Unternehmen mit dem Ziel, einen po- sitiven Gesamteindruck zu hinterlassen. Aus Sicht des Bewerbers als Kunden eines Unter- nehmens werden am Vorbild des CEM Syste- me, Menschen und Prozesse schrittweise ana- lysiert und interpretiert. Im Mittelpunkt steht das Erleben des Bewerbers. Weiterhin wird es mit der Sicht von außen möglich zu verstehen, welche tatsächlichen Erwartungen an Recrui- ting-Prozesse bestehen und wie diese am bes- ten erfüllt werden können.“ Aufgrund der Annahme, dass die Candidate Experience jedoch sowohl bereits vor dem Rek- rutierungsprozess beginnt und sich auch nach ihm fortsetzt, hat Verhoeven die Definition ent- sprechend ergänzt: „Candidate Experience bezeichnet den Ge- samteindruck, den ein potenzieller Bewerber im Rahmen der Prozesse des Personalmarketings, des Recruitings und darüber hinaus vom poten- ziellen Arbeitgeber erhält. Es geht dabei um das individuelle Erleben in einem Bewerbungs- und Auswahlprozess an allen direkten und indirek- ten Kontaktpunkten mit dem Unternehmen.“ 5 Analog zu der Customer Experience geht es bei der Candidate Experience darum, die Wirkung von Bewerbererlebnissen zu untersuchen und inwiefern diese systematisch anhand von Can- didate Experience Management beeinflusst werden können. Laut der Candidate Experience Studie 2014 würden 84% der 1200 Probanden im Nachgang an eine positive Candidate Expe- rience einen Arbeitgeber künftig in Erwägung ziehen und sich erneut bewerben, wohingegen dies nach einer negativen Candidate Experi- ence nur 13% der Befragten bejahten. Dem- nach spielt die Ausgestaltung der Candidate Experience in Zeiten des Fachkräftemangels und einem kandidatengeprägten Arbeitsmarkt eine zentrale Rolle. Der Gesamteindruck, den ein Bewerber über den Rekrutierungsprozess hinaus von einem Unternehmen und somit einem potenziellen Ar- beitgeber gewinnt, wirkt sich stark auf die Wahrnehmung der Arbeitgeberattraktivität und den Rekrutierungserfolg aus. Laut der Studie von ESCH und Softgarden, in der über 1100 Bewerber bezüglich ihrer Erfahrungen in Be- werbungsprozessen befragt wurden, berichten Von der „Candidate Experience“ zur „Candidate Journey“ im Bewerbungs- und Auswahlverfahren von Patrick Hedfeld, Anne Gutzmer und Christoph Mahnel CM Mai / Juni 2020

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